14. ein neuer Weggefährte

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Majikku

Fressen! Lecker Fresschen!
Mir lief das Wasser bei dem eindeutigen Geruch nach Huhn zusammen.
Aber waren das meine Gedanken? Nein, natürlich nicht! Verdammt, konnte sich dieses Katzenvieh nicht zumindest für eine Stunde aus meinem Kopf verziehen?
Während ich mit aller Kraft weiter um meine Persönlichkeit rang, zogen die drei Kämpfer gleichzeitig die Waffen und suchten die Lichtung nach dem Sprecher ab.
„Wo seid Ihr? Zeigt Euch!", forderte der Anführer laut.
Bei diesen Worten wurde mir erst bewusst, dass ich ihn kaum hören konnte und machte die merkwürdige Erfahrung, die Quelle einer Stimme nicht ausmachen zu können. Sie schien von überall her zu kommen.
Ein gackerndes Lachen war zu hören, dann trat zur Überraschung aller – mich eingeschlossen – das gerochene Huhn aus dem Unterholz.
Seit wann konnte das Fressen mit stinkenden Menschen sprechen?
Kopfschüttelnd brachte ich mühsam hervor:
„Probleme erscheinen heute wohl am laufenden Band. Renn um dein Leben und falls du noch einmal das untypische Bedürfnis verspürst, wie ein Mensch zu sprechen, dann such' dir einen der Dreien, aber bleib von mir fern."
Dabei drückte ich eine Hand an ein Ohr, als könnte ich so die Verletzung rückgängig machen und wischte das Blut fort. Ich verzog das Gesicht, als mich der stechende Schmerz durchzuckte und war froh wie noch nie, dass Elias mich so stark verletzt hatte. Jeder Moment, indem ich ihn zum Teufel wünschte und der Schmerz mich wachhielt, blieb ich ich selbst.
Inzwischen waren mir die verdutzten und ungläubigen Blicke aller sicher, doch nach einem kurzen Moment meinte das Huhn vergnügt:
„Ich weiß um das nette Kätzchen in dir, Kleine. Deswegen bin ich schließlich hier, du brauchst eine Erholung vom Kampf um Leben und Tod. Irgendwer muss euch Vieren ja mal wieder die Freuden des Lebens beibringen und da ich nicht vorhabe, als Suppenhuhn zu enden... Na, da hielt ich es einfach für eine nette Geste.", gackerte das Huhn weiter.
Schon wieder spürte ich, wie sich die Muskeln in meinem Gesicht verzogen und sich meine Zähne vergrößerten, während der Puma in mir versuchte, sich zu verwandeln.
Warmes Blut, köstliches Fleisch, oh süße Musik des Lebenstakts. Mein!
Wie ferngesteuert ging ein solcher Ruck durch meinen Körper, dass ich bäuchlings im Schlamm landete.
„Oh weh, es steht schlimmer um Euch, als ich dachte. Ein Jammer, ich habe mich verschätzt."
Fressen! Mein, nur mein! Oh, wie ich die Musik des Todes vermisse!
„Was ist los, Schlüssel?", fragte dann Aadil ein wenig beunruhigt.
Hunger, Hunger, wie seit langem nicht.
„Renn, verrücktes Huhn!", krächzte ich nun.
Verzweifelt nach Halt suchend, krallte ich mich in den aufgeweichten Boden und begrüßte die Kühle, die von ihm ausging, denn Schweiß rann mir aus allen Poren, bei dem Versuch, das Tier in mir einzusperren.
Hunger! Gib doch nach, was soll der Kampf? Ich kann das ganz einfach beenden...
Nein, ich konnte nicht zulassen, dass dieses rätselhafte Huhn starb. Vielleicht hatte es ja Informationen, normal war es jedenfalls nicht.
„Nicht im Traum werde ich ausgerechnet jetzt gehen."
Ein Luftzug war zu spüren, dann hüpfte das Tier flügelschlagend auf meine Schultern und drückte mich so tiefer in den Boden.
„Hör zu, Kätzchen, ich werde nicht dein Mitternachtssnack. Und wo ist hier bitte die Fairness? Wenn sich einer deiner würdig erweisen soll, kannst du das nicht von einem völlig erschöpften Menschen erwarten. Sie braucht eine Pause."
Woher weiß das Huhn von der Forderung des Pumas?
Pah, hatte ich je Gnade erhalten, wenn ich erschöpft war? Nein, ich musste weiterkämpfen!
Ich war zu entkräftet, um zu antworten.
Elias' Stimme ertönte:
„Nimm gefälligst deine Krallenfüße aus meinem Mantel und flieg schon weg, anstatt unseren wertvollen Schlüssel zu Boden zu drücken!"
„Falls du's noch nicht kapiert hast, Spatzenhirn -, sagte das Huhn plötzlich ernst – „verliert sie bald gegen diese Katze und die wird euch dann zerfleischen, ohne eine Chance, den zersprungenen Schlüssel wieder zusammenzusetzen. Ganz zu schweigen von dem Leben eines Mädchens."
Katze? Na warte, diese Katze verspeist dich gleich mit Haut und Haar!
Ich spürte das wundervolle Kribbeln und fühlte mich befreit, als die lästigen Grenzen beinahe vollständig aus den Angeln geworfen wurden.
Nein, ich brauchte diese Grenzen zum Schutz aller! Wie sollte ich mir nur Ich aus dem Kopf schlagen? Halt, das war nicht ich!
Doch, natürlich war ich das, ebenso wie sicher war, dass dieses lästige Federvieh als Kissen enden würde.
Ich riss den Kopf zur Seite, schnappte nach einer Flügelspitze, biss mir dann rechtzeitig in die ohnehin schon verletzte rechte Hand und suchte im Schmerz Beistand. Schon einmal hatte ich mir den Holzsplitter in die Hand gejagt, um mir meiner wieder bewusst zu werden und doch war ich unsicher. Wer war ich denn nun?
„Hör zu, Kleine. Was ist deine schönste Erinnerung? Du musst es mir nicht sagen, denk einfach daran."
Wie in einem Film zogen Szenen aus meinem Leben an mir vorbei.
Das erste Mal, als ich das Gold beim Schießen getroffen hatte.
Mein erstes erlegtes Kaninchen.
Mein selbstgekaufter IPod.
Alrand's Geständnis, dass er sich für mich interessiert.
Der Urlaub im Süden.
Der Beginn der Paarungszeit.
Das führt doch zu nichts! Was mach' ich nur?
„Ich hör' den Wind, er ruft nach mir...", sang Nyoko plötzlich fast unhörbar, beinahe sanft.
Erinnerungen durchfluteten mich bei dieser Melodie.
Der Wunsch nach Freiheit, den Neid auf den fiktiven Mustang, die Einsamkeit.
Und unbändige Wut.
„Du... Wie kannst du es wagen, mir mein Selbst so dreist vor Augen zu führen..."
Mühsam stemmte ich mich auf alle Viere und funkelte Nyoko wütend an.
„Sein Klang trägt mich nach Haus' zu dir...", fuhr sie unbeirrt fort.
Protestierend flatterte das Huhn von meinem Rücken. Ich nahm seinen Geruch intensiver als mit einer menschlichen Nase war, konzentrierte mich dann aber voll und ganz auf die Wut.
„Ich schwöre dir, wenn ich gegen dieses lästige Katzenvieh gewinne, bist du dran und dann-
Ein unangenehmer Schmerz lenkte mich ab, denn das Huhn hatte nach meiner Hand gehackt.
Das Federvieh war ja wirklich die dümmste Beute, seit ich jagen konnte.
„Kleine, du sollst dich auf mich konzentrieren. Ich kann dir am besten helfen, weißt du, ich weiß am besten wie-
„Halt den Schnabel."
Beinahe beiläufig schlug ich nach dem Huhn und traf. Es wurde weggeschleudert, doch ich beachtete es gar nicht.
Auf Ruhe bedacht sagte ich zu der schwarzhaarigen Frau:
„Ich weiß inzwischen, dass sowohl dein Angriff als auch deine Verteidigung die Provokation ist und habe stets an deine verdrehte Logik geglaubt, doch diesmal bist du zu weit gegangen. Begreifst du es denn nicht? Du hast schon das Tier in mir zur Weißglut getrieben, wegen eurer gemeinsamen Vergangenheit habe ich fast alle Kraft geopfert, dich vor diesem Puma zu schützen. Und nun besitzt du die Dreistigkeit, mich mit mir – meiner Persönlichkeit, meinen Erfahrungen, Erinnerungen und Gefühlen – ins kleinste Detail zu konfrontieren. Mein geheimstes Ich hast du glasklar gesehen und legst mich offen dar, bloß, damit ich weiter für eure – nein, deine – Ziele kämpfen kann und gegen diese Raubkatze gewinne. Für diese Unverfrorenheit wirst du leiden, durch den Puma und mich. Sollte ich das hier überstehen-
„Genug davon. Schlüssel, reiß dich zusammen."
Mein Blick schnellte schräg nach oben und fand die braunen Augen des Anführers mit seinem blanken Schwert über meiner Schulter schwebend.
Eiskalte Kralle, blitzender Hieb, beißender Schmerz – nein einer solchen Kralle würde ich nie wieder unterliegen.
Hasserfüllt starrte ich auf die Waffe, rührte mich aber nicht.
„Es geht hier um mehr, als bloß um dich. Ein Krieg steht vor der Tür und du hast dich den Neko verpflichtet. Da zählen weder verletzte Eitelkeiten, noch wild gewordene Tiere, um jetzt schon aufzugeben. Katze, nun zu dir; lass dir eines gesagt sein: Unsere Vereinbarung wird nichtig, wenn du mit unfairen Mitteln spielst. Du wirst auf der Stelle sterben, solltest du dem Schlüssel nicht die Möglichkeit geben, mit dir zurechtzukommen und dich kennenzulernen. Sie hat die Pflicht uns zu schützen und damit auch die Person, die du zu hassen scheinst. Zieh dich nun aus ihr zurück und lass sie Kräfte sammeln. Wenn du es wünschst, können wir diese Frau –
Aadil deutete auf Nyoko-
„für die nächste Zeit von dir entfernen, wenn wir uns dann zivilisiert unterhalten können."
Ich krallte meine Hände in den Schlamm.
„Worüber sollen wir uns schon unterhalten? Dieser gebrechliche Körper hat bloß meine Bedingungen zu erfüllen.", kam es wie von selbst aus meinem Mund.
„Ihr beiden werdet dauerhaft zusammenarbeiten müssen, denn es scheint bisher keine Möglichkeit zu geben, nur dich zu töten. Und solltest du den Schlüssel übernehmen, werdet ihr beiden sofort sterben, also hast du keinen Vorteil davon, sie zu übernehmen.
Und wenn ihr zusammenarbeitet, glaube ich kaum, dass du einfach immer tun wirst, was sie dir befiehlt. Da wir unsere Kräfte diesbezüglich sparen wollen, werdet ihr Vereinbarungen treffen, damit beide Seiten zufrieden sind und wir werden diese niederschreiben, um einen Regelverstoß zu unterbinden. Sollte es irgendwann auf einem einfacheren Weg funktionieren, werden wir gerne etwas an den Verhandlungen ändern.", führte der Anführer genauer aus.
Überrascht über diesen detaillierten Plan sah ich ihn mit großen Augen an. Die Überraschung währte jedoch nur kurz.
Den Teufel werde ich tun und mich einsperren und zu geregelten Zeiten ausführen lassen, wie ein Hund!
Ohne mich wehren zu können, wirbelte ich in die entgegengesetzte Richtung des Anführers und wollte auf allen Vieren davonkrabbeln, hatte jedoch nicht mit der Trägheit dieses zerbrechlichen Körpers und dem zweiten bewaffneten Mann gerechnet, der sein Schwert genau zwischen zwei Finger meiner rechten Hand stieß, sodass ich abrupt stehen bleiben musste.
Ein Schaudern durchfuhr mich, sowohl vor Schreck als auch Wut, dann spürte ich den Puma wie eine feste Hand um meinen Kopf nachlassen und sich tief in mir zurückziehen.
Völlig erschöpft brach ich mit einem erleichterten Seufzen erneut im Schlamm zusammen und es grenzte an ein Wunder, dass Elias sein Schwert rechtzeitig wegziehen konnte, bevor ich hineinfiel.
„Ich danke euch, Anführer, Elias. Ich weiß, jetzt ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt... dennoch kann ich meine Augen keinen Augenblick länger offenhalten. Beherzigt bloß meinen Rat:
Versucht nicht, euren eigenen Kampf zu kämpfen wenn ich meinen noch nicht gewonnen habe... Wer weiß, wen dieses Katzenvieh aus seiner Vergangenheit sonst trifft und auseinandernehmen will.", murmelte ich, bereits halb im Schlaf.
Das letzte, was ich spürte, war die Verärgerung des Pumas und meine Erleichterung.

„Was habt ihr euch bloß dabei gedacht?! Erst dieser lächerliche Test, ohne eine Pause einzulegen oder mich hinzuzuziehen, dann verletzt ihr euch auch noch gegenseitig! Hat Euch diese neue viel zu starke Macht etwa den Kopf verlieren lassen, Anführer? Und dann auch noch die anderen Mitglieder! Sie sind völlig verunsichert: Zum einen werden die gewöhnlichen Wachen ausgetauscht, zum anderen verschwinden die Mitglieder des Vertrautenkreises und dann müssen sie auch noch Kampfgeräusche hören! Wollt ihr sie denn alle vertreiben?! Und was hat euch geritten gegeneinander zu kämpfen, habt ihr etwa den Verstand verloren?! Ich flicke euch doch nicht zum Spaß zusammen, wisst ihr eigentlich..., zeterte Izanami weiter, während sie unsere Wunden versorgte.
Immer noch müde beobachtete ich mit brummendem Schädel die Heilerin, wie sie meine rechte Hand verband und versuchte dem Drang zu widerstehen, den juckenden Kopfverband abzunehmen. Wortlos betrachtete ich den unverletzten Anführer, Izanami weiter zuzuhören wäre zu anstrengend gewesen.
„Ist Nyoko unverletzt? Wo ist sie jetzt?", sagte ich wohl etwas lauter, denn der Anführer sah mich merkwürdig an.
„Ah ja, dein Gehör ist noch nicht wieder richtig geheilt, nicht wahr? Ja, sie ist unverletzt und kümmert sich um die Beruhigung der Truppen."
Ob wohl ausgerechnet sie das schafft?, dachte ich gehässig.
Verdammt, zieh dich aus mir zurück, wir reden morgen!, fauchte ich den Puma wütend an.
„Warum übernehmt nicht Ihr das? Als Anführer spricht Euch diese Aufgabe eher zu.", warf ich ein.
„Im Gegenteil. Die Strategin versteht es ausgezeichnet darin, in einem das Feuer zu schüren."
Dabei sah mich vielsagend an.
Mistkerl!, fauchte der Puma.
Ich presste die Kiefer zusammen.
„Zu freundlich, den Puma daran zu erinnern.", murrte ich sarkastisch.
„Im Gegensatz zu ihr oder gar Elias, bin ich jedoch ein Diplomat und werde dich bei den Verhandlungen unterstützen, während Izanami euch beide wieder zusammenflickt.", fuhr er fort, als hätte er mich nicht gehört.
„Was das betrifft, muss ich noch-, fing ich an, doch die Heilerin schnitt mir das Wort ab.
„Wehe euch, diese Verhandlungen führen zu nichts, noch einmal werde ich euch deswegen nicht helfen. Irgendwie scheint hier sonst keiner meine Fähigkeiten wertzuschätzen oder zu begreifen, wie schnell meine Vorräte dank euren dummen Kämpfen zusammenschrumpfen. Einer von euch wird mich, sobald das vorbei ist, beim Kräutersammeln begleiten.", schimpfte Izanami mit erhobenem Zeigefinger.
„Aber nicht doch, werte Izanami, natürlich wissen wir alle Eure Heilkünste zu schätzen und werden Euch selbstredend alle beim Sammeln begleiten.", beschwichtigte Aadil die weißhaarige Frau.
Verstohlen betrachtete ich Elias, der schon den Mund geöffnet hatte, es jedoch nur Izanami's Schlagfertigkeit zu verdanken hatte, sich nicht unnötig unbeliebt bei beiden zu machen, indem er protestierte.
„Unsinn, ich brauche nicht drei von eurem Schlag. Da müsste ich ja dauerhaft Augen auf euch Holzköpfe haben. Elias reicht mir, dann könnt ihr euch mal auf das Wichtige konzentrieren. Ich kümmere mich derweil um das Huhn, sobald ich genug Kräuter habe."
Ohne Regung deutete die Heilerin mit dem Daumen über die Schulter auf das wenig begeisterte, angebundene Tier.
„He, was soll das? Ich will der Kleinen doch nur helfen!"
Izanami zurrte den Verband um Elias' Hals fester, als es nötig gewesen wäre, schwieg aber.
„Klingt doch hervorragend.", meinte der Anführer zufrieden.
„Schick ihn doch nach dem Kräutersammeln zur Strategin, sie wird wissen, wo sie ihn gebrauchen kann. Komm anschließend mit dem Huhn zu uns, ich will jedes unnötige Risiko vermeiden."
„Dürfte ich dann vielleicht auch mal wissen, wofür Nyoko mich benutzen soll? Immerhin ist sie nicht gerade gut auf mich zu sprechen.", machte Elias seinem Ärger Luft.
„Ich sage dir das Gleiche, wie dem Schlüssel: Wir haben keine Zeit für dein verletztes Ego. Bereinigt das zwischen euch, und seid wieder das Team, auf das ich mich verlassen kann und will. Izanami?"
Die Heilerin nickte, überprüfte noch einmal meine Verbände und zog den murrenden jungen Mann mit sich, der allerdings nicht zu widersprechen wagte.
Sobald die zwei weg waren, fassten wir uns beide fast synchron an die Stirn, wobei ich so versuchte die Kopfschmerzen zu lindern, während der Anführer einfach übermüdet aussah. Doch wir mussten trotzdem schwach lächeln, als wir sahen, dass wir die Bewegung des anderen spiegelten.
„Eine anstrengende Nacht heute, nicht wahr?"
„Sie sagen es. Ich war dem Tod bisher noch nie so nah wie heute."
Es klang bitterer als gewollt und es legte sich beinahe sofort ein Schatten über seine Züge.
„Ich hatte ja ganz vergessen, wie jung du noch bist. Dass das hier passiert, gehört zu den Dingen, die ich mir nie gewünscht habe. Diese... Situation hier muss dich ganz schön mitnehmen. Trotzdem hoffe ich, dass du zumindest eines verstehst: Die Neko sind wie meine Schäfchen, auf die ich stets ein Auge habe, weil ich sie so ins Herz geschlossen habe. Und obwohl nun schon fast jeder von ihnen Blut an den Händen kleben hat, kann ich nicht glauben, dass die Clans zum Kampf gegeneinander geschaffen wurden. Als so eine Art Hirte steht für mich das angstfreie Leben vieler über dem Tod einiger weniger."
Als er meinen schiefen Blick und mein etwas blasses Gesicht sah, fügte er rasch hinzu:
„Natürlich fordere ich nicht von dir, dich zu opfern. Wir wollen dich doch deiner Mutter von den Schwindelanfällen kuriert und nicht zerschlagen zurückgeben."
Diesmal gelang ihm das Lächeln nur halb, doch ich erkannte dahinter keine Lüge, nur Sorge.
„Ach, und ich dachte schon, Elias hätte das wieder vergessen, doch scheinbar ist er nicht ganz so schwer von Begriff. Mit diesen Anfällen, diesem schwachen Körper und einem ständigen Kampf gegen die Raubkatze würde ich wohl kaum fünf Minuten im Kampf überleben."
„Womit wir wieder beim Punkt wären. Izanami wird dich bezüglich der Anfälle in Zukunft unterstützen, Nyoko wird deinen Körper stärken und wir kümmern uns jetzt – vielleicht sogar mithilfe dieses merkwürdigen Huhns – um eure kleine Meinungsverschiedenheit."
„Und wie?"
Aadil setzte sich mir gegenüber mit einem gewissen Sicherheitsabstand hin, das blanke Schwert auf den Knien.
„Ganz einfach. Heb' die linke Hand, wenn du sprichst, der Puma soll die Rechte heben, wenn er etwas zu sagen hat."
Ich nickte verstehend.
Und du, halt' dich gefälligst daran, sonst kriegst du sicherlich die kalte Klinge zu spüren!, maßregelte ich das Tier in mir.
Der Puma schien zu seufzen.
Dein Körper ist einfach zu zerbrechlich. Du wirst genauso sterben wie ich, falls er zuschlagen sollte.
„Kommen wir zuerst zu den wichtigen Dingen: Dir, Puma ist es absolut untersagt, Jagd auf unsere Mitglieder zu machen."
„Ich sagte es bereits; nur, wenn sie sich als würdig erweist, werdet ihr alle überleben. Wobei ich nicht für Gesindel wie die Brudermörderin garantieren kann.", schnurrte die Raubkatze in gespieltem Bedauern.
Aadil's Gesicht wurde unergründlich.
„Dann definiere würdig. Ich will keine Toten, wenn es sich vermeiden lässt."
„Das ist schon das erste Problem: Ich fresse für mein Leben gern. Das Ding, in dessen zerbrechlichem Körper ich gelandet bin, muss mit mir zusammen Jagd auf Wild machen können."
Ich spürte, wie ich blass wurde.
Sollte ich etwa dabei zusehen müssen, wie dieses Tier tötete?
„Wie oft?", fragte der Anführer und ließ damit eine schlimme Ahnung in mir aufkeimen.
„Wann immer es mir gefällt."
„Einspruch! So etwas kann ich nicht.", krächzte ich und hob mühsam die linke Hand, denn der Puma wollte mich erst nicht zu Wort kommen lassen.
„Schlüssel, sei doch vernünftig. Im Kampf wird dir ständig der Tod und Blut begegnen. Sieh es also als Training zum Umgehen mit dem Tod. Wenn wir dafür außerdem die Raubkatzen als erfahrene Kämpfer an unserer Seite haben, sollte dies ein erschwingliches Opfer sein."
„Vielleicht für dich. Wie oft hast du denn schon getötet? Denn genau das wird es für mich sein, je länger diese Nacht wird, desto mehr verschmelzen wir. Es wird sein, als ob ich töte. Und ich weiß nicht, ob ich das schon verkrafte."
Der Anführer nickte langsam ich musste schon wieder dagegen ankämpfen, dass der Puma seine Gedankengänge nicht störte.
„Du wirst deine Jagd bekommen."
Das Tier in mir triumphierte, während ich den Anführer fassungslos anstarrte.
Das kann nicht sein Ernst sein...
Langsam begann ich, den dunkelhäutigen Mann zu mögen.

Die mit vielen NamenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt