8. seltsamer Patient

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Elias

Was meine stundenlange Suche unterbrach, mein Körper schmerzte schon und sehnte sich nach einem ausgiebigen Nickerchen und einem Bad, war etwas, dass direkt vor meine Füße fiel. Neugierig blieb ich stehen, dann beugte ich mich hinunter. Zuerst sah ich nur etwas weißes und schwarzes, doch als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass dort am Waldboden eine Taube lag! Entsetzt hob ich sie hoch. Eigentlich schien die Taube weiß gewesen zu sein, doch dass war sehr schwierig zu sagen, denn die Taube war schwarz und verbrannt, und an den Stellen, wo sie verschont geblieben war, waren kahle Stellen, ohne Federn.
Hektisch kramte ich in meiner Manteltasche nach der Magiersalbe, doch dann fiel mir wieder ein, dass ich sie ja komplett an mir verbraucht hatte. 
Deswegen sollte man die Salbe nicht bei sich selbst benutzen, dachte ich verärgert.
Als Majikku so ruhig geworden war, hätte ich es schon ahnen müssen.
Es hieß ja nicht umsonst: 
Die Ruhe vor dem Sturm. 
Dann war sie auf einmal ganz aufgewühlt und sagte, dass sie nicht mitkommen würde.
 Was hatte ich falsch gemacht? War ich zu überfordernd gewesen? Wenn nicht, was war es sonst? Ich hatte keine Ahnung.
Auf jeden Fall hatte sie irgendetwas so sehr aufgebracht, dass sie mir in dem Satz:
"Ich komme ganz bestimmt NICHT mit!!!" eine so große Kraftwelle schickte, dass sich die Energie automatisch zu einer Klinge geformt haben musste.
Ich war kein Experte in Magie, ich war der letzte, der über Magie Bescheid wusste, aber anders konnte es einfach nicht sein. Mich schnitt sonst nichts so einfach, so schnell und tief in den Bauch. Außerdem war die Kraft, das elektrische Knistern und der starke Druck auf meinen Ohren ein weiteres Indiz dafür, dass es sich um Magie handeln musste.
Das klärte vieles auf. Sie konnte den Angriff des Karasu nur mit Hilfe der Magie abwehren, was ihren Kräfteverlust erklärte. Ihr Name, Majikku, die Magische, erklärte sich somit auch. Allerdings konnte das auch heißen, dass der Karasu ein auserwählter Magier war. Jetzt blieb noch die Frage, ob das mit dem Namen pure Absicht oder reiner Zufall war. 
Und wie hat sie diesen 'Angriff' auf mich überlebt, wenn ihr schon das Abwehren des Kligrrarsei das Bewusstsein geraubt hat? Hat sie es überhaupt überlebt?
Bei dem Gedanken, dass sie tot sein könnte, zog sich mein Magen schmerzhaft zusammen. 
Majikku kann nicht tot sein! Sie muss noch leben, sie muss einfach!  Sonst waren die langen Jahre des Wartens völlig umsonst!, dachte ich verzweifelt.
Die Kraftwelle, die aus reiner Energie bestand, hatte durch meinen Körper geschnitten, wie ein Messer durch Butter. Danach hatte der Schmerz mich übermannt und hatte das logische Denken weit, weit weg gesperrt. Ich hatte einfach den Mantel abgelegt und war viel zu verschwenderisch mit der Salbe umgegangen, in der Hoffnung, der Schmerz würde bald weichen. Das hatte er dann auch getan, aber weniger Salbe hätte auch gereicht. Mit noch mehr Salbe ging es nicht schneller, man brauchte nur mehr Salbe, wenn die Wunde größer war. Mit der Menge, die ich auf der Wunde verteilt hatte, hätte für Peitschenhiebe und Verbrennungen und noch mehr gereicht.
Genau das, was diese weiße Taube brauchte.
Unsicher, ob ich die Suche abbrechen und Majikku hier zurücklassen sollte, sah ich zwischen der Spur, die mich ja erst hierher geführt hatte, und der geschundenen Taube hin und her. Die Spur bestand aus Fußabdrücken, die viel zu viele waren, als dass sie nur Majikku gehört haben konnten und einem Abdruck, der zeigte, dass etwas Schweres weggeschleift worden sein musste.
Plötzlich wachte die Taube jedoch auf und gurrte, leise und gequält. Das und ein seltsames Gefühl, dass dieses Tier wichtig war, bewegten mich schließlich doch dazu, zum Geheimversteck zu gehen. In meiner Verfassung konnte ich sowieso nicht mehr weitersuchen. Die Wunde war zwar geheilt, aber mein Körper war trotzdem ziemlich erschöpft. Und um ehrlich zu sein, wenn ich nicht auf dem Rückweg zusammenbrechen wollte, sollte ich jetzt zu den Neko gehen.
Vorsichtig drückte ich die geschundene Taube an meine Brust, während ich zum Versteck lief. Wieder sah ich auf die Taube hinunter.
Da erkannte ich Spuren von Krallen und ein riesiges Loch am Bauch, wo früher Federn gewesen sein mussten.
Das warf noch mehr Fragen auf.
Woher hatte die Taube diese Verletzungen? Hatte es einen Waldbrand gegeben? Obwohl nein, dass hätte ich gemerkt. Wurde die Taube von einem anderen Vogel gejagt? Ja, das konnte durchaus sein. Und den Verletzungen nach zu urteilen, war der Vogel klar überlegen gewesen. Trotzdem, woher kamen die Verbrennungen?
Schließlich waren wir bei dem Versteck angekommen. Dann rief ich mir die Worte ins Gedächtnis, die wir alle sagen mussten, bevor wir eingelassen wurden.
Letztes Mal hatte Aadil mich abgefangen, weswegen mir die Prozedur erspart blieb. Diesmal jedoch, war Aadil nicht da.
Also stellte ich mich vor die massive Felswand und sagte laut und klar:
"Ich, Elias von der Organisation der Neko, fordere Einlass und lege meine Waffen nieder, als Zeichen des Friedens."
Mit diesen Worten legte ich die Taube vorsichtig weg, legte mein Schwert auf den harten Boden vor mir, zusammen mit einigen Messern aus meinem Mantel und dem Dolch aus meinem Stiefel, schob die Waffen von mir weg, kniete nieder und wartete.

Die mit vielen NamenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt