Martis POV

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Ich tigerte nervös vor dem Friedhofstor auf und ab und wartete auf Sina.

Sie hatte ihm nicht erzählt, wie es zu dieser Situation gekommen war.

Nur das sie ein Kind verloren hatte und das nicht alleine durchstehen konnte.

Ich hatte mich dazu entschieden nicht weiter nachzuhaken.

Sina brauchte jetzt bestimmt nicht noch einen neugierigen Marti.

Statt dessen hatte er in einem Spielwarengeschäft einen kleinen hellen Plüschteddy gekauft.

Jedes Kind sollte einen Teddy haben, der für ihn da ist und auf ihn aufpasst, dabei ist es nicht wichtig ob Sternenkind oder nicht.

Als Sina endlich ankam, nahm ich sie in den Arm und ließ sie nicht mehr los.

Sie wehrte sich nicht, also blieb ich an ihrer Seite und gab ihr Halt.

Sie zitterte und ließ ihre Blume und die Erde sanft auf den weißen Sarg gleiten.

Als ich selbst meinen Teddy dazu fallen ließ, sah sie mich mit großen Augen an.

"Er soll doch auch was zum Spielen haben und einen Kameraden, der auf ihn aufpasst.", erklärte ich mich leise und drückte sie leicht an meine Brust.

Auch Familie Mundt verabschiedete sich.

Selbst wenn mir bis dato ihre Beteiligung an der Sache nicht bewusst gewesen war, so sorgten Fabis liebe Worte doch dafür, dass mir einiges viel klarer wurde.

Dieser kleine Junge, der nie das Licht der Welt erblicken durfte, sollte ein Geschwisterchen für Fabienne werden.

So wie ich Sina kannte, war es sogar ihre eigene Idee gewesen.

Es war gut, dass sie mich gebeten hatte, sie zu begleiten.

Weder Frodo noch Flo wäre dazu in der Lage gewesen.

Sie hatten schon mit sich und Fabienne genug zu tun und zu verarbeiten.

Ich stimmte ihnen aber auch zu, dass Sina nicht alleine sein sollte und brachte sie mit zur Familie Mundt.

Ohne Widerspruch hatten wir unsere sonst so aufgeweckte Sina aufs Sofa gesetzt und mit Tee versorgt.

Ich hatte meiner Intuition einfach vertraut und sie abermals in meine Arme gezogen, es schien ihr auch zu helfen, wehren tat sie sich jedenfalls nicht.

Und dann sprach sie plötzlich und mir gefror das Blut fasst in den Adern.

Es reichte ja nicht, dass sie ihr, naja vielleicht vielmehr Frodos und Flos Kind verloren hatte.

Nein, daran war auch noch ein gewisser Jörg schuld.

Ich war mir nur nicht sicher, ob ich mich zusammenreißen konnte, wenn ich erfuhr, was er Sina angetan hatte.

Das war auch der einzige Grund, warum ich nicht in diesem Moment nachhakte.

Frodo und Flo wirkten genauso gequält wie Sina.

Aber sie waren genauso baff wie ich, als Sina ihnen erklärte, dass sie ihr Versprechen trotzdem einhalten wollte.

Nicht jetzt, aber später.

Nach etlicher Zeit, schlief Sina an meiner Schulter gelehnt ein und ich stand vorsichtig auf und deckte sie mit einer Decke zu.

Frodo und Flo schoben mich mehr oder weniger in die Küche und bedeuteten mir, dass ich mich hinsetzen sollte.

Fabienne war eh schon im Bett und Sina schlief tief und fest, was auch gut so war.

"Ich glaube, du solltest wissen, was hier eigentlich abging.", sagte Frodo und schob mir ein Bier zu.

Ich nickte und Florian begann zu erzählen, wie es überhaupt dazu kam, dass Sina ein Kind erwartet hatte.

Ich empfand noch viel mehr Sympathie für Sina. Sie hatte so viel auf sich genommen, nur um unseren Freunden zu helfen.

"Ok, aber was ist dann passiert?", hakte ich leise nach.

Frodo und Flo tauschten traurige Blicke und hielten sich gegenseitig fest.

Ich sah ihren Schmerz nicht nur, sondern spürte ihn förmlich.

"Sina hatte jemanden kennengelernt. Wir wussten davon nichts, aber sie brauchte scheinbar jemanden, der ihr Liebe schenkte, oder zumindest so tat. Jörg.

Im Nachhinein haben wir alle erfahren, dass er öfters mal austickte und seine Freundinnen schlug.", erklärte Florian weiter und musste schlucken. Ihm schien es wirklich schlecht damit zu gehen, dass Sina das wegen ihnen durchleben musste.

Also sprang Frodo nicht weniger geknickt ein: "Sina hatte die ganze Zeit Angst, Jörg die Wahrheit zu erzählen, bis zu diesem einen Tag.

Sie erzählte ihm alles und er hatte nichts besseres zu tun, als Sina die Treppe hinunter zu stoßen. ... Jonne hat das nicht überlebt. ... Und Sina macht sich bzw. hatte sich enorme Vorwürfe gemacht.", endete Frodo und sah mich eindringlich an.

Meine Finger schlossen sich sehr fest um die Bierflasche, meine Fingerknöchel traten sogar schon weiß hervor.

"Marti, bitte ... Er ist im Knast. Ich ... Wir wollen nur nicht, dass es Sina noch schlechter geht. ... Und wir ... nimm es uns bitte nicht übel ... aber wir glauben, dass du Sina gut tust.", versuchte Florian mich zu beruhigen.

Und es funktionierte tatsächlich.

"Ja, vielleicht habt ihr Recht. ... Hmm ... wenn Sina nichts dagegen hat, würde ich sie einfach für ein paar Tage hier rausholen und mit ihr wegfahren."

Frodo und Flo nickten.

"Das täte ihr bestimmt gut. .... Du tust ihr gut.", pflichtete Frodo mir bei und ich wurde leicht rot.

Die Zwei ahnten hoffentlich nicht, wie gut Sina mir eigentlich tat.

Innocence ~ Lost and FoundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt