Schwester-zu-Schwester-Gespräch

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»Rachel?« Ihre Stimme war hoch, wie immer, wenn sie etwas wollte. Ich drehte mich zur Tür, als sie ins Zimmer trat. Ihre Schultern hingen herunter und sie zog eine Miene wie sieben Tage Regenwetter.

»Was?«, fragte ich leicht gereizt, während ich die letzten Klamotten aus meinem Schrank in den Koffer stopfte und versuchte, ihn zu schließen, ohne dass sie zu allen Seiten wieder herausquollen. Als meine Schwester immer noch nicht anfing zu sprechen, sah ich sie an. Da sprang der Koffer wieder auf und sauer wandte ich mich von ihr ab. »Verdammt, Amber, rede, bevor ich ausraste!«

Doch sie kam bloß zu mir, drückte die Sachen wieder in den Koffer und setzte sich oben drauf. »Versuch es nochmal!« Ich sah sie bloß an. So dürre wie sie war, würde sie wohl kaum den Koffer zusammenhalten können. Doch erstaunlicherweise funktionierte es wirklich und ich bekam den Koffer geschlossen, ohne weitere Kraft aufzuwenden und wild mit Flüchen um mich zu schmeißen. Zufrieden wuschelte ich ihr durch die Haare und sagte: »Was würde ich nur ohne meine kleine, schlaue Schwester machen?«

Aber sie entzog sich meiner Hand, sprang vom Koffer und erwiderte: »Die Sachen vielleicht mal zusammengelegt in den Koffer legen. Ist platzsparender als ein Klumpen!« Perplex sah ich sie an. Dafür, dass sie gerade mal zehn Jahre alt war, war sie ganz schön frech. Heute ließ ich sie jedoch mal in Ruhe und sprach sie nicht darauf an, da sie mir mit dem Koffer echt einen Nervenzusammenbruch erspart hatte.

»Was wolltest du eigentlich?«, fragte ich und blickte sie an. Ihre Augen wurden glasiger, als würde sie gleich weinen. »Amber, was ist los?« Ich ging einen Schritt auf sie zu, da begann sie endlich zu reden.

»Du musst Mum davon abhalten, uns mit sich zu schleifen! Wir haben doch hier alles, unsere Freunde, unser Zuhause, einfach alles! Und sie will uns einfach wegschleppen. Nen Grund dafür hat sie auch nicht! Du musst sie davon überzeugen, dass wir hier bleiben müssen! Dort wird es ewig dauern, bis wir neue Freunde finden oder überhaupt erstmal den Anschluss! Wir müssen uns an neue Schüler und Lehrer gewöhnen und und und! Ich hab ihr das schon so oft gesagt, aber auf mich hört sie nicht! Man, Rachel, ich will hier nicht weg!« Zum Abschluss schniefte sie einmal und obwohl ich wusste, dass sie das einfach nur tat, um es dramatischer zu machen, tat es mir leid, ihr sagen zu müssen, dass ich Mum nicht überzeugen könnte. Schon gar nicht einen Tag vor dem Umzug.

»Amber, du weißt genau wie Mum ist! Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, von dem sie zu mindestens 90% überzeugt ist, dann kann ihr nicht mal der Papst reinreden. Aber vielleicht denken wir auch zu negativ über die ganze Sache, hm? Denkst du nicht, dass es dort auch Menschen gibt, die mit dir befreundet sein wollen?«, versuchte ich die ganze Sache gut zu reden, obwohl ich selbst nicht mal ansatzweise so überzeugt von dem war, wie ich klang.

»Pah!«, machte Amber. »Wer will schon mit mir befreundet sein?« Sie sah sich auf die Finger und ich erinnerte mich, wie schwer ihr das am Anfang hier fiel, damals, als sie noch ganz klein war. Sie war immer das fünfte Rad am Wagen gewesen, doch jetzt hatte sie hier Freunde gefunden, die sie wieder verlassen musste. Arme Amber, sie hatte es schon nicht leicht, aber ich würde wahrscheinlich auch meine Probleme dort haben. Im Gegensatz zu meiner Schwester störte mich das allerdings auch nicht sehr. Ich würde bloß meine jetzigen Freunde ziemlich vermissen. Doch was Amber anging, versuchte ich sie aufzumuntern. »Ich wäre gerne mit dir befreundet!«

»Das sagst du auch nur, weil du meine Schwester bist!«, stellte Amber fest und sah mir vorwurfsvoll in die Augen.

»Gerade weil ich deine Schwester bin! Immerhin bin ich die einzige, von Mum abgesehen, die dich Tag und Nacht 24 Stunden die Woche aushalten muss! Da zählt das gleich doppelt!« Ich lächelte Amber an, doch sie war noch immer skeptisch. Verdammt sei ihre Klugheit und die Tatsache, dass sie mich ständig durchschaute. Allerdings war das, dass ich gerne mit ihr befreundet wäre, im Gegensatz zu dem Kram, den ich davor gesagt hatte, wirklich ehrlich gemeint und das schien Amber auch zu merken, denn sie lächelte. Immer noch schmunzelnd legte ich ihr den Arm um die Schultern - so gut das ging, immerhin war sie sehr viel kleiner als ich, wie das halt war, bei sieben Jahren Altersunterschied - und verließ mit ihr zusammen das Zimmer. Nach dem Schwester-zu-Schwester-Gespräch und dem Kampf mit dem Koffer war ich etwas hungrig. »Lass uns das Abendessen vorbereiten, Mum wird bald da sein!«, sagte ich also und ging mit Amber zusammen die Treppen nach unten.

Ich weiß, dass auch das noch nicht so spannend ist, aber ab den nächsten Kapiteln wird's besser! Über Feedback freue ich mich natürlich. :) Mehr hab ich erstmal nicht zu sagen, also dann, see you later :D

Eure Isabelle.<3

Shit happens!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt