Schmerzvolle Erinnerungen

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Schon mindestens eine Viertelstunde lief ich einfach umher, folgte dem Weg ohne ein direktes Ziel im Kopf und dachte nach. Vor acht Jahren, Amber war gerade einmal zwei und ich neun Jahre alt gewesen, bekam Dad die Diagnose. Krebs. Zwei Jahre darauf verstarb er. Schmerzvolle Erinnerungen ließen mein Herz zusammenziehen.

(Rückblick) Freudestrahlend kam ich nach Hause. Es war ein guter Tag, ich hatte eine zwei in Mathematik und eine eins in Biologie bekommen und war überglücklich. Ich betrat das Haus und rief nach Mum und Dad, freute mich, ihnen von den guten Nachrichten zu erzählen. Amber war noch im Kindergarten. Doch es erschien nur Mum.

„Wo ist Dad?«, fragte ich sie, noch immer gutgelaunt. Doch der Ausdruck in ihren Augen ließ meine Freude verschwinden. Mums Antwort war eine Träne, die ihre Wange runterlief. Erst eine, dann noch eine und dann wurden es immer mehr.

»Nimm dir eine Jacke«, verlangte sie, »und steig ins Auto!« Mehr sagte sie nicht und es wunderte mich. Trotzdem schnappte ich mir eine Jacke, obwohl es Hochsommer war, und setzte mich in ihren Wagen. Kurz darauf stieg auch sie ein und fuhr, ohne ein Wort zu sagen, los.

»Wohin fahren wir?«, traute ich mich zu fragen, doch ein Blick zu Mum verriet mir, dass sie nicht antworten würde. Auch, wenn sie ihr Gesicht etwas nach unten neigte und sich die Haare davor fallen ließ, merkte ich, dass sie gegen weitere Tränen ankämpfte. Ich verstand überhaupt nicht, was los war. Wieso verhielt sie sich bloß so komisch?

Fünf Minuten später stoppten wir vor Ambers Kindergarten. »Hol bitte deine Schwester raus, aber beeil dich!«, sagte Mum und schon sprang ich aus dem Auto. Warum sie es so eilig hatte, verstand ich immer noch nicht. Doch trotzdem wies ich die Erzieher freundlich ab, die ein Gespräch mit mir anfangen wollten, als ich den Kindergarten betrat, und fragte bloß nach meiner Schwester. Mir wurde gesagt, wo sie war und kurze Zeit später verließ ich mit Amber an der Hand den Kindergarten und stieg ins Auto. Amber tat es mir gleich.

Sie hatte die Tür noch nicht ganz geschlossen da drückte Mum schon aufs Gaspedal und das Auto setzte sich schnell in Bewegung.

»Warum fahren wir so schnell?«, hörte ich Amber mit ihrer hohen Kinderstimme hinter mir fragen. »Wo fahren wir hin?« Während Amber auf eine Antwort wartete und ich bereits wusste, dass sie die nicht bekommen würde, kehrte eine unangenehme Stille ein. Niemand sagte etwas, Mum wurde von uns angestarrt, sie allerdings sah stur nach vorne auf die Straße. Es lief nicht einmal Musik, obwohl Mum sonst nie, wirklich NIE ohne Musik Auto fuhr. Bis auf den rauschenden Motor und unser angespanntes, leises Atmen war nichts zu hören.

»Mum?«, versuchte es Amber nochmal, doch vergebens. Mum reagierte nicht. Was auch immer vorgefallen war, es musste schrecklich gewesen sein.

Als Mum das Auto das nächste Mal anhielt, fanden wir uns auf dem Parkplatz des Krankenhauses wieder.

»Was wollen wir hier?«, stellte Amber die Frage, die mir auch gerade in den Kopf gekommen war. Doch Mum schnappte nur nach unseren Armen und ihrer Tasche und zog uns zum Eingang. So, wie sie sich im Moment benahm, hatte ich sie noch nie erlebt.

Sie meldete uns an und bekam eine Zimmernummer gesagt. Und schon zog sie uns weiter.

»Mum?!«, quengelte Amber, doch Mum blieb erst stehen, als wir das Zimmer erreichten, dessen Nummer wir bekommen hatten. Ohne irgendetwas zu sagen klopfte Mum an die Tür.

»Herein!«, krächzte es leise von drinnen und mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich erkannte, dass es Dads Stimme war. Mum öffnete die Tür und da lag er, an Kabel und Schläuche angeschlossen. Er sah schlimmer aus als er je ausgesehen hatte. Nicht einmal heute früh, als ich das Haus verlassen hatte, um in die Schule zu gehen, hatte er annähernd so krank ausgesehen wie jetzt. Er war sehr dünn, doch das schon längere Zeit. In den letzten zwei Jahren hatte er extrem viel abgenommen. Doch jetzt, wie er so dalag, war es fast unerträglich, ihn anzusehen.

»Dad?!«, flüsterte ich mit Tränen in den Augen. Inzwischen lag auf der Hand, warum Mum sich so sonderbar benommen hatte: Dad würde sterben! Und das schon sehr bald. Ihm blieben vielleicht nur noch ein paar Stunden.

Dad lächelte mich gequält an und ich lief zu ihm an sein Bett und fiel ihm schluchzend in die Arme. Tröstend hob er seinen Arm und strich mir beruhigend übers Haar. »Alles wird gut!«, flüsterte er, doch seine Stimme brach und ich war mir ziemlich sicher, dass er weinte oder zumindest die Tränen unterdrückte. Auch Amber kam zu uns und zuletzt setzte sich Mum auf die Bettkante. Sie sah Dad und mich mit ausdruckslosen Augen an. Aber konnte man es ihr verübeln?

»Was ist los?«, fragte Amber, die mit ihren vier Jahren natürlich nicht verstehen konnte, was Krebs war und was er machte. Woher sollte sie wissen, dass uns nicht mehr viel Zeit blieb, die wir mit Dad verbringen konnten?

Dad lächelte sie schwach an. »Nichts, Amber, keine Sorge, alles ist gut! Aber Kinder, mich würde schrecklich interessieren, was die Schule und der Kindergarten machen! Wie war euer Tag?«

»Schön! Ich hab die ganze Zeit mit Katherine gespielt!«, antwortete Amber sofort. Wie naiv kleine Kinder doch waren, dass sie bloß ein leichtes Lächeln brauchten und sofort dachten, alles wäre in Ordnung. Doch Dad hatte seine Gründe, so zu tun, als sei alles gut, weswegen ich den Mund hielt und Amber nicht sagte, dass nichts ok war und Dad bald sterben würde.

»Das freut mich!«, sagte Dad schmunzelnd und wendete sich an mich. »Und bei dir, Rachel?« Es tat weh, meinen Namen aus seinem Mund zu hören und zu wissen, dass es das letzte Mal sein könnte, dass er auf diese liebevolle Art und Weise ausgesprochen wurde, wie Dad es immer tat. Wenn er nicht mehr war, dann würde mich niemand mehr so rufen. Nicht einmal meine Mutter.

»Ich... ich habe eine eins in Bio und eine zwei in Mathe geschrieben«, antwortete ich und Dads Lächeln wurde breiter. »Und ansonsten ist nichts weiter passiert.« Ich erwiderte Dads Lächeln, als er sagte: »Oh, meine Kinder, ich bin so verdammt stolz auf euch und werde es immer sein! Bitte vergesst das nie!«

Ich sah zu Mum, die niedergeschlagen auf der Bettkante saß und auf ihre Finger starrte. Sie schien nachzudenken.

»Emily?!«, sprach Dad sie an, als er meinen Blick bemerkte und Mum drehte langsam ihren Kopf in seine Richtung. Es war unschwer zu erkennen, wie schlecht sie damit umgehen konnte. Beruhigend strich Dad über Mums Arm. »Ich liebe dich!«, sagte er und drückte Mum einen Kuss auf die Stirn, bevor er sich ächzend wieder hinlegte. Dann griff er Ambers und meine Hand und sah uns noch einmal an. »Ich liebe euch alle! Das wird sich niemals ändern. Ich werde euch immer beschützen!« Und nach diesen Worten schloss er die Augen. Für immer!


Hey! :) danke an alle, die das bis jetzt lesen!<3 Hoffe euch geht's allen gut und joa, hab nicht viel zu sagen;). Wie gesagt, Meinungen sind gern gesehen und ich wünsch euch noch nen schönen Tag.

Eure Isabelle.<3

Shit happens!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt