Prolog - 12. Februar 1554

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Ein starker Wind durchzog die Straßen Englands. Nebel verschleierte die sonst so farbenfrohe und lebhafte Stadt mit Dunkelheit und Angst. Der Tower of London wurde umzingelt vom Volk.

,,Gnade ihr Gott!"

,,Nieder mit der Verräterin!"

,,Sterben soll sie!"

Immer weiter prasselten neue Parolen und Aufrufe zum Podest des Scharfrichters. Er selbst hatte diesen starren Blick. Seine Augen waren geweitet und trotzdem ließ er kein Gefühl und auch keine Mimik aus ihm raus sickern. So neutral wie möglich versucht er dieses Empfinden zu steuern und es zu verdrängen. Die Empathie sei des Scharfrichters Tod, sagte er sich selbst.

Ein Priester, der dem Henker am nächsten stand, machte sich nun auf dem Weg. Er lief langsam runter vom Podest bis zu den Toren des Towers. Seine Schritte hallten durch die leeren Gänge und er war sich sicher, dass sie es hörte. Es war sehr Dunkel in den Gemäuern, die nur ein wenig vom Außenlicht erhellt wurden. Es baute sich erneut eine düstere Atmosphäre auf, die den Mann erschaudern ließ. In der einen Hand hielt er ein hölzernes Kreuz und in der anderen die Bibel. Er wusste es gäbe kein zurück, wenn er sie jetzt holte und in den Tod begleitete. Mühsam stieg er die lange Treppe hinauf. Nach einer gefühlten Ewigkeit gelang es ihm ihre Tür zu erreichen. Zwei Wächter standen in voller Montur vor dem Tor und hielten ihm den Weg frei. Mit einem schwachen, dennoch gut sichtbaren Nicken verschaffte er sich Eintritt in ihr Zimmer.

Sie stand dort. In ihrem pechschwarzen Kleid. Kein Muster verzierte ihre Garderobe. Langsam aber bedacht drehte sich ihr Körper in Richtung des Eindringlings. 

,,Lady Catherine Boelyn", fing er an und schaute auf sie hinauf. Seine Augen bohrten sich in die ihrer und er schluckte schwer.

Catherine entgegnete ihm nicht. Sie war wie in einer Trance. Ein letztes Mal sah sie sich ihr Gemach an. Ihre Augen gelangen zu einem Gemälde. Ein Mann war auf ihm abgebildet. Ihr Mann, der ebenfalls durch die Sense des Richters fallen würde.

Das erste mal seit langer Zeit flossen Tränen über die Wangen der starken Frau. Sie holte einen tiefen Atemzug und richtete sich zum Priester, ohne ein Wort deutete er ihr rauszugehen. Sie verstand sofort und begann zu laufen.

Die Sekunden vergingen schneller als Gedacht und ehe sie sich versah, stand sie außerhalb der Festung. Die kühle Luft traf auf ihre Wangen, was sie zum Zittern brachte. Barfuß lief sie über die Straße. Der Boden war uneben und rau, weshalb ihre Füße sofort anfingen zu schmerzen.

Angekommen beim Ort der Hinrichtung hörte sie schon die Menschen schreien. Die Worte hallten in ihrem Kopf und gaben ein ätzendes Echo wider. Als sie weiter hoch laufen wollte, hielt sie der Priester zurück. Fragend blickte sie ihn an. Es kam keine Antwort von ihm, weshalb sie sich von ihm losriss und zum Podest lief. Oben übermannte sie erneut die Schwerelosigkeit. In dem facettenreichen Spiel der Laternen entpupte sich die blutverschmierte Sense des Scharfrichters. In Mitten des Tumults ihr Ehegatte. Kopflos, Kalt und Tod.

Ihr Atem stockte und schon wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen. Wie versteinert stand sie in einer Ecke. Ihr Verstand schien abgeschaltet zu haben und sie rannte zu seinem leblosen Körper. Noch bevor sie ihn erreichen konnte wurde sie von den Wachen aufgehalten. Catherine schrie und versuchte sich loszulösen. Doch es ging nicht und sie fiel zu Boden. Die Meute jubelte weiter. Jeder einzelne schien von dieser Tat positiv überzeugt zu sein. Selbst bei ihrem Prozess schienen sie alle einer Meinung zu sein. Eine Begnadigung wäre unmöglich bei ihrem Vergehen. Ein Hochverrat dieser Art muss bestraft werden. Die Königin, die das Urteil unterschrieb, stand nur einige Plätze weiter entfernt. Sie besiegelte mit nur einem Stift und einem Papier den Tod zweier Menschen. Man sah Reue in ihrem Blick.

Als Catherine dies ebenfalls sah, verflog ihre Trauer. Sie verflog nicht nur, sie verwandelte sich in Wut und Zorn, wie eine schwache Flamme, die nun genügend Sauerstoff bekam. Ihre Augen loderten vor Vergeltung. Ihr Blick wanderte zur Königin. Den Schmerz, den sie nun fühlte nachdem sie ihren Geliebten dort sah, war unerträglich. Sie machte sich ihn zum Nutze. Sie wollte nicht nur Gerechtigkeit. Sie wollte Rache.

Die Wachen brachten sie in die Nähe des Blocks. Bevor sich ihr Kopf von ihrem Körper verabschiedete, musste sie sich noch ihrer Schuld bekennen. Gebannt lauschten nun die Zuschauer. Als wäre das alles nur ein Theaterstück. Als sei es nur inszeniert. Sie stand nun voller Demut vor dem Volk.

,,Welch eine Närrin bin ich gewesen. Jahrelang habe ich versucht dem Tod zu entrinnen und erst jetzt bemerke ich meine selbstverschuldete Dummheit.

Die Todeslust und Folter ist in eurem Gesicht groß geschrieben.

Nicht ich bin die Verräterin ihr seid es.

Ich bin Unschuldig."

Eine regelrechte Aufruhr entstand nach der langen Stille und erneut fing man an rumzuschreien.

Das war das Stichwort für den Scharfschützen. Die Zofen an Catherines Seite nahmen das Tuch von ihrem Kopf und machten ihren Nacken frei. Der Priester verband ihr noch die Augen und tritt zurück. Es wurde immer lauter um sie. Mit gutem Gewissen wusste sie, dass es gleich vorbei sein würde. Die Hoffnung war nicht groß, dass sie im Jenseits ihren Mann wieder fand. Dennoch brachte ihr dieser Gedanke Trost. Langsam zählte sie von fünf Rückwarts. Die letzen Sekunden ihres Lebens waren nun bereit zu verstreichen.

 Die letzen Sekunden ihres Lebens waren nun bereit zu verstreichen

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Fünf.

Sie bewegte ihren Kopf auf den Block zu. Er war kalt und nass von dem Blut ihres Geliebten.

Vier.

Sie spürte wie das Holz des Blocks auf ihre Kehle drückte.

Drei.

Die Axt des Scharfrichters berührte ihren Nacken ganz kurz und schwänkte zurück um richtig auszuholen.

Zwei.

Sie hörte die Ausholbewegung der Sense und konnte fühlen wie sich die Luft veränderte. Ihr war heiß und kalt. Alles zugleich.

Eins.

Sie bittet um Vergebung.

~*~

DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt