Zuhause angekommen zog ich bequemere Sachen an und verarztete die Wunde ordnungsgemäß. Mit fünfzehn Jahren habe ich das bei den Pfadfindern gelernt. Ich hielt es genau sechs Monate bei ihnen aus als ich dann freiwillig austrat, da ich die Lust an dieser Freizeit Beschäftigung verlor. Ein weiterer Grund war ein neues Mitglied. Sie tyrannisierte mich jeden Tag mit Drohbriefen. Weshalb ich eines Tages zu unseren Treffen einfach nicht mehr erschien. Mittlerweile ist sie glaube ich umgezogen in ein weitentferntes Land. Zu mindestens habe ich lang nichts mehr von ihr gehört. Ich kannte nicht mal mehr ihren Namen.
Nun hatte ich noch den ganzen Sonntagvormittag und hatte keinen Plan was ich machen sollte. Erst um sechs Uhr musste ich zum Rathaus um irgendwelche unwichtigen Aufgaben zu erledigen, damit meine Großmutter zufrieden ist. Sie brauchten mich dort nicht und trotzdem blieb mir keine andere Wahl. Abhängig von einer Person zu sein ist ziemlich scheiße, gestand ich mir.
Ich schaute auf meinem Tisch und entdeckte meine alten Zeichnungen. Lächelnd lief ich zu ihnen. In den letzten Tagen hatte ich kaum Zeit gefunden mich künstlerisch auszuleben. Studium sowie die Arbeit machten es mir unmöglich. Früher war das ganz anders. Ich habe jede Möglichkeit ausgenutzt um irgendetwas aufs Papier zu bringen. Meistens zeichnete ich die Natur, alte Bauwerke und wenn ich gerade in schlechter Stimmung bin auch eher düstere Bilder. Ich setzte mich auf den Stuhl hinter meinem Schreibtisch und fing an die Zeichnungen zu begutachten. Die meisten waren für die Tonne, andere waren passabel und der Rest war einfach nur verstörend. Tatsächlich war ich bei diesen Zeichnungen sehr verstimmt. In letzter Zeit fühlte ich mich einsam und verlassen. Die Welt um mich herum schien in Takt zu sein, doch ich blieb stehen. Ich kam nicht mehr mit. Wenn ich manchmal das Gefühl habe zu fallen, ist dort niemand der mich auffangen kann. Denn Freunde hatte ich keine. Ich meine richtige Freunde, die immer für dich da sind und dir das auch zeigen. Dieses Privileg hatte ich nie bekommen. Nicht mal bei meinen angeblich damals besten Freunden. Mein Leben bestand aus Oberflächlichkeit und das machte mich zu einem Einzelgänger. Es war immer in Ordnung für mich bis ich wieder dieses Gefühl hatte. Dieses Gefühl zu fallen und mich zu verlieren in einem großen, schwarzen Loch.
Weiterhin betrachtete ich die Bilder und realisierte, was ein armseliges Leben ich doch hatte. Zu meiner Verblüffung konnte darüber einfach nur lachen. Meistens dachte ich einfach viel zu viel nach. Das ist dumm.
Ich legte die Zeichnungen zur Seite. Irgendwie musste mich ablenken. Ich schaute in meinen Terminkalender auf meinem Handy. In Großbuchstaben stand dort der ‚Lories' Geburtstag'. Mist, der ist schon morgen. Ich dachte ich hätte noch paar Tage zeit. Nun wusste ich was ich diesen Vormittag zu tun hatte. Es war bei uns eine übliche Tradition, dass wir uns zum Geburtstag etwas Selbstgemachtes schenken müssen. Ich erinnerte mich an ihre Geschenke. Sie sammelte verschiedene Dinge aus der Natur und verpackte sie in Geschenkpapier. Es war nichts besonderes, aber ich wusste, dass es aus Liebe geschenkt worden ist. Stundenlang hielt sie sich draußen auf um die schönsten Kastanien zu suchen, Rosen vom Nachbarn zu klauen und wunderschöne Steine zu sammeln. Ich dürfte nie mitkommen, weil es sonst die Überraschung zerstört hätte.
Ich beschloss ihr ein Armband zu machen und dann werde ich ihr noch etwas von der Stadt holen. Früher war sie ein richtiger Bücherwurm. Vielleicht kaufe ich ihr eine Büchereikarte. Momentan war mein Gehirn überflutet mit tausenden Ideen, was ich ihr schenken könnte.
~*~
Nach einer Stunde war ich endlich fertig mit dem Armband. Es hat mehr Zeit in Anspruch genommen als ich dachte, dafür war ich vollkommen zufrieden mit meinem Ergebnis. Ich hielt das Armband in die Höhe. Die blauen Steine funkelten leicht. Sie wird es bestimmt lieben. Ich legte es zur Seite und zog meine Lesebrille, die ich gelegentlich an hatte, damit ich keine Kopfschmerzen bekam aus.
DU LIEST GERADE
Death
ParanormalWenn du auf einmal bemerkst, wie die Stimmen in deinem Kopf lauter werden und dich von Zeit zu Zeit ins Tiefe dunkle Meer verschlingen. Dort jedoch niemand ist, um dir halt zu geben. ~ Ich hatte ein normales Leben als Studentin in London. Jeder Tag...