Traum 2

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"Akihito-kun! Lauf nicht weg!"
"Ich laufe nicht..."

Edsword läuft hinter mir her wie ein verloren gegangenes Kätzchen. Verdammt. Wie bin ich denn in so einer Situation gelandet?! Ich reflektiere:
In der ersten Etage, die für das Design, begegneten uns Sicherheitsbeamte, die uns nicht ohne Weiteres umherstreifen lassen wollten. Natürlich galt das nicht für Mika, der uns nur anordnete wegzulaufen, damit wir unser Abenteuer fortsetzen konnten. Schlussendlich sind wir alle in verschiedene Richtungen gelaufen und zu meinem Glück muss ich mich nun mit Miss Transferschülerin abgeben. Im Moment befinden wir uns in irgendeiner dunklen Ecke eines Flures. Ich bin mir nicht mal sicher, ob wir noch immer auf der ersten Etage sind, denn wir sind willkürlich einige Treppen hoch und runter gelaufen.
"Akihito-kun, warte bitte. Ich kann nicht mehr. Lass uns eine Pause machen und darüber reden, wie wir die anderen finden."
Das Mädchen sackt hinter mir an einer Wand gelehnt zusammen. Zunächst gehe ich einige Schritte weiter, bis ich dann doch stehen bleibe. Eigentlich will ich mich nicht länger mit ihr rumschlagen. Soll sie doch ihre Pause selbst machen. Aber warum bleibe ich dann stehen? In meinem Kopf spielt sich das Bild von Futara ab, als sie mir dankte und Mika, als er sagte ich sei jemand, mit dem man befreundet sein will. Bin ich wirklich so jemand? Denkt sie das auch? Ich weiß es nicht, aber ich will meine Freunde nicht enttäuschen. Ich drehe mich um und mustere Edsword. Sie sieht mich ein wenig vorwurfsvoll an. "Was ist eigentlich dein Problem? Was habe ich dir getan?" Ich antworte nicht und schaue mich stattdessen nach weiterem Sicherheitspersonal oder vielleicht sogar meinen Freunden um. Ich ignoriere ihre Frage einfach, weil ich selbst keine Ahnung habe.
"Die NUS treibt mich einfach in den Wahnsinn..."
"Wegen dem Krieg?"
Scheiße. Ich wollte das nicht laut sagen, aber jetzt ist es raus. Verdammt. Verdammt. Verdammt. Was mache ich jetzt? Wieder ignorieren? Mir bleibt nichts anderes übrig, oder? Meine Hände zittern. Aus Wut? Aus Angst? Ich weiß es nicht. Am liebsten würde ich verschwinden. Ich will nicht an den Krieg denken. Ich will mich nicht an das erinnern, was geschehen ist. Tränen? Scheiße. Noch armseliger geht's nicht. Dann auch noch vor Edsword.
Ich kneife meine Augen zu und unterdrücke lautstark zu weinen, als ich bemerke, dass sich zwei Arme um meinen Hals schlingen. Aber nicht auf die Art, mich umbringen zu wollen. In dieser Haltung einer Umarmung wurde ich rückwärts gezogen, ganz sanft. Dann stoppte das Ganze und ich spürte, wie ich leicht runter geführt werde, sodass ich auf dem Boden sitze.

"Edsword?"
"Nenn mich Alia."

Das Kopf des Mädchens ruht auf meiner Schulter, sodass ich ihren Atem auf meine Wange spüren kann. Trotz ihrer Geste spüre ich nicht den geringsten Anteil von Wut. Ich fühle mich plötzlich so ruhig. Was soll das?
"Hör mir gut zu", flüstert sie mit einer Stimme, so sanft wie sie mich berührt. "Ich frage dich nicht nach dem, was dir damals passiert ist. Aber du musst wissen, dass du nicht der einzige bist, der leiden musste oder es immer noch tut." Ihr Griff wird mit einem Mal fester, aber es ist noch leicht genug um zu atmen. "Mein Vater war ein Soldat der NUS."
"Was...?"
"Hör zu. Er gab im Kampf sein Leben und ließ meine Mutter und mich zurück... Meine Eltern kannten sich seit der Grundschule, also verlor sie weitaus mehr als ihren Ehemann. Er war ihr Lebensinhalt, ihre ganze Welt. Ich nehme es ihr nicht übel, denn ich habe ihn auch unheimlich geliebt. Aber nach seinem Tod ging in unserer Familie alles bergab. Meine Mutter fing an zu trinken und machte mich für alles verantwortlich. Naja, immerhin sagte mein Vater, er kämpfe für meine Zukunft. Also ließ ich ihre Anschuldigungen über mich ergehen. Ich dachte das Gleiche..." Mit jedem Satz zittert Edswords Stimme immer mehr. Zwischendurch schluchzt sie auch.
"Edsword-" 
"Alia! Lass mich zuende reden. Im März, da war sein Todestag. Ich konnte verstehen, dass meine Mutter sich den ganzen Tag in ihrem Zimmer zurückgezogen hat, aber als am Abend noch immer nichts von ihr kam, entschied ich mich ihr etwas zu essen zu bringen. Weißt du, Akihito-kun? Ich frage mich, wie es wirklich so weit kommen konnte. Zum Krieg und zum Tod meines Vaters. und dazu, dass meine Mutter ihm folgte..."
Für einen Moment bleibt mein Herz stehen. Habe ich das gerade richtig verstanden? Ich verstehe es nicht... Die NUS hat diesen Krieg angefangen. Sie wollten es doch. Aber hier ist der Beweis, dass auch diese Menschen dem Krieg zum Opfer fielen. Ein Mädchen aus eben diesen Staaten sitzt hier, an einer Wand in einer Firma gelehnt und umarmt weinend einen Jungen aus dem befeindetem Land ihres Heimatortes. Auf einmal ist alles so still, bis auf Ed- Alias schluchzen. Gut gemacht, Keiji Akihito. Du hast soeben ein Mädchen zum Weinen gebracht. Ich bin nicht der einzige, der leiden musste...? In all meiner Wut und purem Hass auf den Krieg und die NUS ist mir das vollkommen entfallen. Nicht nur ich musste Verluste einstecken, sondern auch Alia. Mika, Ban und Futara-san sind mit Sicherheit auch in irgendeiner Weise betroffen. Und trotzdem dachte ich nur an mich.
"Ich bin echt erbämlich, oder?"
Alia hört für einen Moment auf zu schluchzen und kichert ein wenig. "Ach was. Du bist nur ein Sturkopf." Wir bleiben noch eine Weile so auf dem Boden sitzen, damit Alia sich beruhigen kann. Ich persönlich fühle mich mehr als unwohl dabei. Nicht nur dass ich mich ihr gegenüber die ganze Zeit so abweisend verhalten habe, nein. Die Tatsache, dass ich überhaupt hier so eng umschlungen mit einem Mädchen sitze, reicht vollkommen aus um mich durcheinander zu bringen. Nicht dass ich danach gefragt hätte...
Nach einigen Minuten stehe ich dann doch auf und drehe mich zu dem Mädchen um. Ihre Augen glänzen noch von den Tränen und die Wangen sind noch rosa. Ich lächel sie verlegen an und reiche ihr eine Hand. Alia nimmt diese Mit einem Lächeln an und steht auf, wobei sie ein wenig schwankt. "Ich bin Keiji Akihito", sage ich dann und schaue mich wieder auf dem Flur nach Leuten um. "Schön, dich endlich kennen zulernen." Ich hätte das vorher nie erwähnt, aber ihr Lächeln ist so voller... Fürsorge und... Liebenswürdigkeit. Ich habe ihr wirklich Unrecht getan. "Lass uns einen Lageplan suchen, um herauszufinden, wo wir sind. Dann verschwinden wir und ich rufe Mika an", schlage ich vor und schlendere durch den Flur mit Alia im Rücken.
"Ist Mika der Spitzname, den du ihm gegeben hast?"
"Nein. Er hat mir gesagt, ich soll ihn so nennen. Das ist alles."
"Ach so."
Wir gingen eine ganze Weile durch die Flure und machten dabei Umwege, um nicht auf Personal zu stoßen. "Also bei diesem Labyrinth von Fluren und Treppen würde ich nicht hier arbeiten wollen", lächelt Alia. Ich nicke einverstanden. "Die Meisten sind eh hier wegen der Bezahlung", antworte ich. "Oh, ein Lageplan." Beim Anblick des Plans bleibe ich unverzüglich stehen, sodass Alia gegen mich läuft. Das kommt mir irgendwie bekannt vor... Nachdem auch Alia den Plan bemerkt hat, suchen wir unseren Standort und beraten uns über den bestmöglichen Ausweg. Schließlich entscheiden wir uns für die Treppen, über die wir anfangs gekommen sind. Es dauert nicht lange und wir sind tatsächlich draußen. Zu unserer Überraschung erwarten uns die anderen bereits draußen vor dem Eingang. Alia und Futara-san springen sich vor Freude entgegen und ich geselle mich zu Mika und Ban. "Hey Mann, alles klar?", fragt Mika besorgt. Ich lächel verlegen und schaue zu Boden. "Es geht mir gut." Mit einem Mal ändert sich Mikas Miene zu einem breiten Lächeln. "Lass essen fassen!" Alle stimmen für Mikas Idee und so machen wir uns auf dem Weg. "Die Familie von Futa-chan hat ein super Restaurant", schwärmt Mika und sieht das rothaarige Mädchen provozierend an. "Futara für dich. Außerdem weigere ich mich mit dir da hinzugehen. Du bist viel zu laut."
"Komm schon, Futa-chan!"
"Futara."
"Futa-chan!"
"Futara. Und dafür gehen wir in unser Restaurant."
"Alles klar!"
Dann wäre diese Frage ja geklärt. Also machen wir uns auf dem Weg  zum Restaurant der Futaras. 

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