Eins

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Wütend trat Ruby gegen die Mülltonne, welche daraufhin scheppernd umfiel. Sie wollte etwas kaputtmachen. Etwas zerstören.

So, wie man ihr Leben zerstört hatte. Sie riss Federn und Füllung aus einem alten Sofa heraus. Ob das einem Obdachlosen gehören könnte, scherte sie nicht.

Sie hätte noch lieber jemanden verprügelt. Aber eher sie über diesen Gedanken den Kopf schütteln konnte, ließ sie plötzlich jede Wut und Kraft allein. Schreiend brach sie an der Mauer zusammen.

Sie wollte den Schmerz herausschreien und dass sie aufhörte zu weinen. Aber es ging nicht.

Das Ziehen in ihrer Brust schnitt ihr die Luft ab. Tränen flossen weiterhin über ihre Wangen. Das durfte nicht sein! Sie musste sich zusammenreißen! 

Plötzlich hörte sie Rufe. "Ruby! Ruby, wo bist du denn? Komm schon! Rub-." Ein Gestalt trat neben sie. "Ruby! Ich hab dich überall gesucht! Komm, steh auf!" Zwei Arme fassten unter ihre Schultern und zogen sie hoch.

Erst als die Gestalt sie an sich zog und sie den vertrauten Geruch nach Meer einsog, erlaubte sie sich, tief durchzuatmen. Ihr bester Freund Léon strich ihr beruhigend übers Haar. "Es wird alles wieder gut, Ruby."

Sie wollte Lügner schreien. Nichts würd je wieder gut werden. "Nein, wird es nicht!" Ihre Stimme klang ungewöhnlich heiser. "Er ist weg, Léon! Weg! Und er kommt nie wieder!" Er drückte sie sanft etwas von sich weg und griff nach der Kette, die um ihren Hals hing. 

"Er hat dir doch etwas von ihm da gelassen.", flüsterte er und betrachtete den Muschelanhänger. 

Sie schlug seine Hand weg. "Dennoch ist unfair! Sie hätten ihn retten können! Sie hätten uns einen Kredit gewähren können, dann hätten wir die Medikamente und Behandlungen schon noch abbezahlt! Abe sie haben ihn sterben lassen. Einfach so!"

Er drückte sie nochmal an sich. "Es tut mir so leid."

Sie standen noch Minuten oder auch Stunden da. So genau wusste Ruby das nicht. Alles, was sie spürte war dieser furchtbare Schmerz.

"Wir sollten zurückgehen. Die anderen machen sich Sorgen um dich.", sagte Léon nach einer Weile.

Ruby nickte nur und folgte ihm.

Ihr Zuhause besaß genau drei Räume. Die Küche. Das Badezimmer. Und einen großen Raum, in dem vier Matratzen lagen.

Eine für sie. Zwei für ihre Eltern und eine für ihre große Schwester.

Die Küche war so schmal, dass sie sich über die Jahre unzählige blaue Flecken geholt hatte. Aber als sie ihre Mutter weinend am Herd lehnen sah, war ihr das egal.

Sie stürmte zu ihr und zog sie in eine Umarmung. "Bitte beruhige dich, Mamá. Es wird alles wieder gut."

Sir drückte Ruby fest an sich. "Meine tapfere Tochter. Ich bete, dass du Recht hast, hija. Heute sind hat man uns wieder Rechnungen geschickt." "Was!?"

Sie rannte ins Schlafzimmer, wo ihr Vater saß. Im Rollstuhl. Er starrte zum Fenster hinaus und schien ganz in Gedanken verloren.

"Wie viel ist es?", fragte sie.

Ihr Vater drehte sich zu ihr um und reichte ihr wortlos eine Rechnung.

850 Dollar für die Behandlungen ihres Vaters, da er vor einem Jahr einen Arbeitsunfall hatte. Der Rollstuhl und die Schulden waren das Ergebnis. 

Schulden, die sie nicht bezahlen konnten.


Robin Hood (Storyadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt