Wann immer sie sich abregen wollte, sprang Ruby über die Dächer der Armenviertel und suchte sich einen Platz, von dem aus sie bis zur Stadt blicken konnte.
In wenigen Stunden musste sie ohnehin zu ihrem noch verbleibenden Job im Restaurant. Sie fragte sich sowieso, wie sie dort überhaupt eine Anstellung bekommen hatte.
Das Restaurant lag beinahe im Stadtzentrum und dort, wo sich bereits die Touristen sammelten, sah man ein armes Mädchen als Kellnerin eigentlich nicht sehr gerne.
Vielleicht wollte auch einfach nur der Besitzers etwas von ihr. Wer wusste das schon?
Ihre Mutter hatte immer gesagt, man sollte sich über die Dinge nicht zu viele Gedanken machen. Sie lenken uns von der Realität ab. Ruby war schon ziemlich oft abgelenkt.
Vielleicht machte sie sich einfach zu viele Sorgen. Ein Knarzen hinter ihr riss sie aus ihren Überlegungen. Reflexgewohnt griff sie zu dem kleinen Messer, das in der Innenseite ihres Schuhs versteckt war.
Erleichtert stellte sie fest, dass es nur Léon war. "Hey, ich hab dich von unten gesehen und bin über die alte Leiter hochgeklettert. Alles okay? Hast du nicht eigentlich gerade Schicht im Café?"
"Marie kann mich nicht mehr halten." "Ihr geht auch das Geld aus? Wie soll's jetzt weitergehen?"
"Keine Ahnung. Wir haben es ja so kaum über die Runden geschafft." Léon schwieg. Er wusste, dass es keinen Ausweg gab. Manchmal konnte man nur hoffen und beten.
Er räusperte sich. "Also wenn wir schon bei den schlechten Nachrichten sind ... meine Mutter wurde heute ebenfalls rausgeschmissen. Ein paar Vandalen haben den Laden zerlegt und eine Reparatur können sie sich nicht leisten."
Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Und dein Job beim Handwerker?" "Reicht nicht mehr lange."
Sie seufzten beide und starrten zu den Häusern der Stadt hinüber. Léon lachte leise.
"Kannst du dich noch erinnern, wie wir als Kinder davon geträumt haben, mal ganz oben in einem der Hochhäuser zu leben? Mit Klamotten aus Samt, die nicht nach Erde und Schweiß müffeln."
Ruby lächelte. "Und wie wir uns vorgestellt haben, wir könnten morgens frisch gepressten Orangensaft und gebackene Brötchen anstatt kaltes Wasser und hartes Brot bekommen."
"Und könnten mal in einem der teuren Sportwagen sitzen."
"Oder an einer Bar am Strand Cocktails schlürfen."
Erst da fiel Ruby auf, wie traurig dieser Gedanke sie und Léon machte. Wie traurig diesen Gedanken jeden in ihrem Viertel machen würde. Ganz einfach, weil die meisten hier sich am Leben praktisch festkrallen mussten, während andere Geld zum Fenster rauswarfen.
Vier einfache Wort spukten ihr noch Stunden später im Kopf herum.
Das
Ist
Nicht
Fair
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Robin Hood (Storyadaption)
ActionDie 19-jährige Ruby ist in einem der ärmsten Viertel von Kuba aufgewachsen. Nachdem ihre Freunde und Familie nur durch die Hand in den Mund überlebt, und Reiche und Touristen sie währenddessen wie den letzten Dreck behandelt haben, beschließt sie, d...