Ruby führte ihn durch die schlimmsten Gassen. Dorthin, wo die meisten Straßenkinder saßen, die meisten Obdachlosen bettelten und manchmal auch hin und wieder jemand regungslos auf der Straße lag.
Fast eine Stunde lang sagte sie kein Wort und ließ die Gegend einfach auf ihn wirken. Manuél gab den Bettlern und Waisen fast das ganze Geld, das er dabei hatte. Bei einem Mann ohne Puls wollte er sogar Erste Hilfe leisten, aber Ruby legte ihm nach zwei Minuten ergebnisloser Reanimation eine Hand auf die Schulter.
Schließlich kamen sie zum Strand, wo sich Betrunkene ein Plätzchen für die Nacht gesucht hatten. Sie ließ sich auf einen leeren Fleck im Sand fallen und wartete, bis Manuél es ihr nachtat.
"Stiehlst du deshalb?", fragte er, als sich die ersten Sonnenstrahlen über dem Meer erhoben. "Du gibst es denen, die es brauchen. Darum findet ihr auch nichts Falsches daran."
Sie zuckte mit den Schultern. "Ist es denn falsch? Du hast keine Ahnung, wie man von den anderen behandelt wird, wenn man von hier ist. Vor nicht mal einem halben Jahr wurde ich in dem Restaurant, in dem ich gearbeitet habe, unberechtigt des Diebstahls beschuldigt."
"Warte! Sag bloß du bist die Ruby, die ihrem Boss einen Drink ins Gesicht gekippt hat." Sie grinste. "Was denkst du denn?"
Er seufzte. "Ich setz es auf die Liste." "Welche Liste?"
"Gründe, warum ich dich sofort verhaften könnte." "Wow, okay. Aber du tust es nicht. Wenn du mich wirklich für die schlimmste Verbrecherin Kubas halten würdest, hättest du mich schon längst festgenommen."
"Kann sein. Aber was soll ich machen? Wenn mein Vorgesetzter alles erfährt bin ich doch sowieso gefeuert." "Du könntest dich uns anschließen."
Er stand auf und klopfte sich den Sand ab. "Ich verstehe, warum ihr tut, was ihr tut. Es gibt tausende Taschendiebe hier. Ihr seid keine Ausnahme. Aber das Stehlen wird für mich nie eine Option sein."
Sie stand ebenfalls auf. "Na schön, hier ein Deal. Du hast mein Leben gerettet, also rette ich in gewisser Weise deins. Wir geben vor, dich als Geisel genommen zu haben und gegen sagen wir 1.000 lassen wir dich frei, okay?"
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"Das war keine gute Idee, Ruby.", jammerte Manuél. Sie hatte ihn doch mit zur ihrer Familie genommen, die ihn misstrauisch beäugte, während Ruby gelassen die Nummer des Polizeireviers wählte.
"Entspann dich.", sagte sie und wartete, bis jemand abhob. Nach dem vierten Klingeln war es so weit.
"Wir haben ihren Comisario Manuél Sanchez. In drei Stunden bringen sie 1.000 Dollar zum verlassen Café im östlichen Hafen. Und unterschätzen Sie uns bloß nicht!"
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Robin Hood (Storyadaption)
ActionDie 19-jährige Ruby ist in einem der ärmsten Viertel von Kuba aufgewachsen. Nachdem ihre Freunde und Familie nur durch die Hand in den Mund überlebt, und Reiche und Touristen sie währenddessen wie den letzten Dreck behandelt haben, beschließt sie, d...