Vier

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Im Restaurant war es brechend voll. 

Abends hatte man von der Terrasse aus einen wunderschönen Blick auf die untergehende Sonne über dem Meer.

Weshalb natürlich auch jeder dort einen Tisch wollte. Und genau an diesem Abend musste Peréz Ruby für die Platzzuweisung einteilen.

Das Restaurant öffnete um 17 Uhr und sie konnte schon gar nicht mehr die giftigen Blicke zählen, die ihr die Leute zuwarfen, nur, weil sie ihnen keinen Platz geben konnte.

Die meisten Touristen waren einfach verwöhnt. Wenn sie nicht vorhatten, auf dem Boden zu essen, dann mussten sie entweder warten, bis dort etwas frei wurde oder sich einen anderen Platz suchen.

Das sagte sie auch jedem einzelnen. Und als ob die Katastrophe nicht schon groß genug gewesen wäre, musste sich ausgerechnet an diesem Abend jemand einen riesigen Tisch reservieren.

Die Gästen kamen, sahen den freien Tisch und pöbelten drauf los, warum Ruby sie nicht dort sitzen lassen konnte.

Besonders schlimm wurde es, als ein Kerl im Anzug daherkam. Falsche Bräune, gebleichte Zähne und goldene Rolex am Handgelenk. An seiner Seite war eine mindestens 10 Jahre jüngere Blondine in einem knappen Kleid und halsbrecherisch hohen Absätzen.

Nachdem Ruby auch ihm mit viel, sehr viel, Geduld erklärt hatte, dass der Tisch reserviert war, zog er einen 100-Dollar-Schein heraus und hielt ihn ihr vor die Nase.

"Darüber lässt sich doch reden, oder?" 100 Dollar. Verdammt viel Geld. Aber wenn sie sich darauf einließ, war sie ihren Job los.

"Sir, wir sind nicht bestechlich.", brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er seufzte.

"Kommen Sie, ein Mädchen aus ihren Verhältnissen hat wahrscheinlich noch nie so viel Geld auf einmal gesehen. So eine Chance bekommen Sie doch nie wieder."

Ihr Kopf fuhr hoch. Am liebsten hätte sie ihm die Faust ins Gesicht gerammt und geschrien: Was für Verhältnisse meinen Sie denn?

Aber sie musste sich beherrschen. Sie musste einfach.

"Bitte warten Sie auf einen anderen Platz oder gehen Sie, Sir.", sagte sie mit bebender Stimme und senkte den Blick, da sie sich ziemlich sicher war, in inzwischen schon nur mit ihrem Blick zu töten, wenn sie ihn weiter ansah.

Er stöhnte. "Gegen schlechten Service kann man wohl nichts machen, oder, Chérie?" Die Blondine zog einen Schmollmund, sagte aber nichts.

Als Ruby endlich am Empfang abgelöst wurde musste sie natürlich genau die beiden bedienen.

Als sie dem Pärchen die Getränke brachte, fegte der Kerl rein zufällig mit dem Ellbogen seine Gabel vom Tisch.

Sehr erwachsen

Genervt hob Ruby sie wieder auf. Sie wollte zum nächsten Tisch, als seine Begleitung plötzlich kreischte: "Diebin! Diese Kellnerin ist eine Diebin!"

Verwirrt drehte Ruby sich um. Der Sohn des Besitzers, Peréz, war sofort da und fragte sie was los sei.

Sie antwortete daraufhin, dass, als Ruby die Gabel aufgehoben hatte, angeblich dabei ihr goldenes Fußkettchen geklaut hatte.

"Ist das wahr, Ruby?", fragte Peréz. Entgeistert sah Ruby die drei an. "Was!? Natürlich nicht, ich habe noch nie einen Kunden bestohlen!"

Peréz machte ein paar Schritte auf sie zu. "Dann leer deine Taschen!", rief er. "Oder willst du, dass ich dich abtaste?", fragte er nur für sie hörbar mit einem schmutzigen Grinsen.

Ruby verzog angewidert das Gesicht. "Elender Perversling murmelte sie. Und holte lediglich ein Taschentuch und den Hausschlüssel heraus.

Mehr hatte sie auch nicht bei sich.

"Du hast es doch geklaut! Gib es gefälligst wieder her, du Kanalratte!", schrie die Frau weiter.

Rubys Kollegen dachten gar nicht daran, sie zu verteidigen. Den meisten ging ihre Anwesenheit sowieso gegen den Strich. Es wollte eben niemand ein Mädchen aus den kubanischen Slums in seiner Nähe.

"Ich hole die Polizei.", bestimmte Peréz. "Und du bist natürlich entlassen, Ruby."

Was genug war, war genug.

Sie nahm ihre Schürze ab und schritt mit einem zuckersüßen Lächeln an Peréz heran.

"Weißt du was, mein Hübscher.", säuselte sie, während ihre Hand unauffällig zu dem Tisch des Pärchens wanderte.

"Du musst mich gar nicht feuern. DENN ICH KÜNDIGE!!!", stellte sie klar und kippte ihm einen der Drinks ins Gesicht.

Eher sie auch nur irgendjemand aufhielt, rannte sie in die Nacht davon.

Robin Hood (Storyadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt