Ich öffnete die Augen, nur einen Spalt breit, sah nichts ausser dieser verschluckenden Dunkelheit, mittlerweile vertraut und doch noch so beängstigend wie am ersten Tag.
Mein ganzer Körper schmerzte, als ich meine Hand tastend nach vorne gleiten ließ, wissend, was dort war, und dennoch in der Hoffnung es wäre alles nur ein Traum.
Nach nur wenigen Zentimetern stießen meine Fingerkuppen auf kaltes Eisen.
Ich atmete aus, zittrig.
Meine Hand fuhr an einem der Stäbe nach oben.
Ich atmete ein.
Eine Träne rollte aus meinem Augenwinkel, kämpfte damit, sich durch den Dreck und das Blut auf meinem Gesicht einen Weg zu bahnen.
Ich atmete aus.
Und hatte das Gefühl, es wäre das letzte mal.》Kamaria?《
Die sanfte Stimme meines Vaters ließ mich zusammenzucken. Ich ließ das Kräuterbündel, das ich bis jetzt in meinem Maul getragen hatte, fallen und schluckte hart. Ein bitterer Geschmack lag auf meiner Zunge, mein Mund fühlte sich ausgetrocknet und pelzig an.》Kleine, alles ok?《
Das braune Wolfsgesicht meines Vaters tauchte vor mir auf. In seinen gelben Augen lag Besorgnis und ich konnte das aufmerksame Zucken seiner Ohren wahrnehmen. Ich jedoch nickte nur steif, beugte den Hals und nahm das Bündel wieder vorsichtig zwischen mein scharfkantiges Gebiss. Dann drehte ich mich um und lief los, Richtung Rudel.
Richtung Heimat.
Ein Wort, das mich immer hoffen hatte lassen. Auch in meinen dunkelsten Zeiten.Hinter mir hörte ich die schweren Schritte meines Vaters, unter dessen Pranken kleine Zweige zerbrachen. Ich lief einfach weiter, den ausgetrampelten Pfad entlang, dabei den stechend unangenehmen Geruch der Kräuter in der Nase. Schon jetzt konnte ich die spielerisch kämpfenden Jungwölfe hören, wie sie ungeachtet von Feinde über den Boden kugelten. Sogar einige Gesprächsfetzen drangen zu mir hindurch, die ich jedoch gekonnt ignorierte.
Leise lies ich mich am Rand des regen Treibens nieder, mein Vater trat an mir vorbei, zu unserem Alpha hin. Desinteressiert wand ich den Blick ab, es ging mich nichts an was die beiden zu bereden hatten. Während ich die Kräuter aus meinem Maul ordentlich zu den restlichen gesammelten legte, lies ich meinen Blick flüchtig über das versammelte Rudel schweifen. Alle waren sie da.
So wie jeden Monat, wie es unser Alpha verlangte.
Er fand, es würde zur Stärkung unseres Rudelsinnes beitragen und uns alle näher zusammenbringen. Sowas wäre wichtig.Ich rümpfte die Nase, unbemerkt grub ich meine Krallen in den weichen Waldboden. Naja, mir sollte es recht kommen, solange ich auf diesen Ausflügen meine Kräuter zusammenfand war es erträglich.
》Hey Ari《
Jemand schweres lies sich, mit gemäßigtem Abstand, neben mir nieder, ich hatte ihn jedoch schon gerochen bevor ich ihn gehört hatte. Es war Jaxon, unser Beta. Er war jung, zwei Jahre älter als ich, und hatte schon früh den Posten des zweitmächtigsten Rudelmitglieds eingenommen.Ich zuckte mit den Ohren, um ihm zu zeigen, dass ich ihn bemerkt hatte und ihm zuhörte.
》Und, habt ihr die Kräuter gefunden die ihr gesucht habt?《
Smalltalk also. Nicht unbedingt das liebste was ich tat.Dennoch drehte ich meinen Kopf zu ihm, ich wollte nicht unhöflich sein. Also neigte ich meinen Kopf, zum einen als Geste des Respekts, zum anderen um ihm ein 'Ja' zu verständigen. Er nickte etwas unbeholfen.
Normalerweise antworteten ihm seine Gesprächspartner mit Worten, aber ich war wohl alles andere als normal.Trotzdem gesellte er sich immer wieder zu mir um mit mir zu reden, wobei eher er redete und ich nur nickte oder den Kopf schüttelte. Aber es war nett, jemand zu haben, der wenigstens Interesse heuchelte.
》Was ist das überhaupt für ein Kraut? Nesselblüte?《Doch noch bevor ich ihm deuten konnte, dass er damit falsch lag, erklang das Zeichen zum Aufbruch. Etwas verwundert, dass wir schon nach so kurzer Zeit wieder zu unserem Rudelhaus gingen, stupste ich Jaxon kurz mit der Schnauze an die schwarze Schulter und nahm dann so viele Kräuter in den Mund wie möglich.
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Moonlight - Das Schweigen der Wölfin | #Pessi - Award2019
Werewolf▪Never understimate mute People. They notice more than you think, think more than they say and say more with their Silence than Words ever could▪ Kamaria. Eine Lycanthropin und zugleich Tochter des Rudelarztes. Sie war stumm. Sie war stumm und hatt...