•6•

478 29 2
                                    

"Hey, Ari, alles gut bei dir?"
Das besorgte Gesicht von Alec schob sich vor meines, während Aylin, Paige und Jaxon mich ebenfalls mit gerunzelter Stirn musterten. Zusammen saßen wir an unserem üblichen Tisch in der Cafeteria, ziemlich in der Mitte des überfüllten Raumes.
Abwesend nickte ich und stützte mein Kinn in meine linke Händfläche, dann stocherte ich weiter in dem Kartoffelsalat herum, der als Beilage zu dem köstlichen Putenschnitzel diente. Unsere Schulkantine lies sich echt nicht lumpen und brachte jeden Tag etwas neues, leckeres hervor, doch heute verspürte ich nicht einmal ansatzweise Hunger. Eher wurde mir bei dem Anblick des Essen übel.
Zu sehr beschäftigte mich die ganze Situation mit meinem Mate, gepaart mit den anderen Sorgen.
Ich hatte meine Freunde um Verschwiegenheit gebeten, ich wollte nicht, dass mein Vater oder andere aus meinem Rudel von Lucian erfuhren. Ich selbst wollte meinen Mate immer bei mir haben, habe mir als kleines Mädchen jede einzelne Nacht ausgemalt, wie er wojl sein würde. Aber das war vor ... vor dem Vorfall. Es hatte sich seitdem viel geändert, und zwar nicht ins Gute.

"Alsoo...isst du das nicht mehr?"
Der hoffnungsvolle Blick von Aylin begegnete dem meinen, huschte dann jedoch schnell wieder gierig zu dem Teller vor mir. Jaxon rammte ihr mit einem mahnenden Blick den Ellbogen in die Seite.
"Was denn, das war doch nur eine harmlose Frage! Es soll ja nichts verkommen von dem guten Essen!"
Empört schnaubte Aylin und ich schob ihr schwach lächelnd mein Essen entgegen, bevor die beiden sich noch gegenseitig die Kehlen heraus rissen.
Freudig stürzte sie sich darüber, die anderen sahen mich aber weiterhin besorgt an. Unter ihren Blicken wurde ich unruhig und spielte mit dem unbenutztem Besteck neben mir herum.
"Kleine, soll ich dich vielleicht nach Hause bringen? Du bist bleicher als die Wand, und die hat echt eine ungesunde Farbe!"
Jaxon fuhr sich kurz durch die blonden Haare und verschränkte dann die Arme vor der breiten Brust, sein Blick strahlte pure Besorgnis aus. Sie waren alle so nett zu mir.

"Wenn sie jemand Kleine nennt und nach Hause bringt, dann bin das noch immer ich, und sonst keiner. Haben wir uns verstanden?"
Beim Klang der mir nur allzu bekannten Stimme zuckte ich augenblicklich zusammen und schlug mir somit das Knie an der Unterseite des Tisches an. Leise zischte ich auf und rieb mir die betroffene Stelle, schon zog Lucian sich einen Stuhl heran und setzte sich, wie sollte es anders sein, neben mich.
Ich rutschte mit meinem Stuhl zur Seite und starrte stur Alec an, der mir gegenüber sitzend Lucian etwas abwertend mustert, dann jedoch leicht seinen Kopf neigte, ebenso wie Aylin und Paige. So verlangte es die Rangordnung.
Jaxon hingegen starrte meinem Mate unverholen ins Gesicht und kräuselte kaum merklich die Lippen. Es schien ihm nicht unbedingt zu behagen, dass er hier bei uns saß, genauso wenig wie mir.

Lucian zog leicht seine Oberlippe nach oben und entblößte seine beachtlichen Fangzähne, ein Zeichen, dass Jaxon sich nicht gegen ihn stellen sollte.
Dieser warf mir kurz einen Blick zu, senkte dann jedoch nach ein paar langen Sekunden und sehr widerwillig seinen Kopf. Er als Beta unseres Rudels war fast so hoch gestellt wie Lucian, da dieser aber dann auch noch Sohn eines Alphas war, verfügte er über ein wenig mehr Stärke. Es wäre naiv, sich gegen ihn zu wenden.
Mein Mate schloss seinen Mund wieder und sah dann kurz über meine Truppe, bis er seinen Blick auf mich fixierte. Ein Grinsen breitete sich über seinen Lippen aus und lies kleine Grübchen zum Vorschein kommen.
Heilige Maria Mutter Gottes sah das gut aus...
"Hey, Kamaria."
Das Lächeln auf seinem scharfkantigen Gesicht wurde breiter, auch wenn er den Abstand zwischen uns skeptisch beäugte.
Ich presste die Lippen schmerzhaft aufeinander, ignorierte ihn unbeholfen und erhob mich, wobei der Stuhl einen unangenehmen Laut von sich gab, als die Stuhlbeine so schnell über den Boden geschoben wurden.
Während ich meinen Schulrucksack schulterte lächelte ich meinen Freunden zu, blickte Lucian weiter nicht an und schlängelte mich dann durch die Schülermassen hindurch, nach draussen. Auf meinem Weg kam mir Tara entgegen, die mich freundlich grüßte und dann hinter mir verschwand, direkt zu Lucian.

Moonlight - Das Schweigen der Wölfin | #Pessi - Award2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt