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Unter uns kann man langsam die ersten Anzeichen einer Großstadt erkennen.
Ich weiß immer noch nicht so richtig was genau ich hier mache, oder wie ich in diese Situation gekommen bin.
Doch als ich einen Blick neben mich werfe, sehe ich dort den offensichtlichen Grund tief und fest (und etwas sabbernd) schlafen.
Meine Freundin Marie ist ein riesen K-Pop Fan und hat mich und Lina, die jetzt auf der anderen Seite von Marie sitzt und Musik hört, dazu überredet, nach unserem Schulabschluss nach Südkorea zu fliegen und verschiedene Konzerte zu besuchen.

Sagen wir es so, Marie ist äußerst überzeugend, deshalb bin ich hier.

Die Lautsprecherstimme verkündet, dass wir uns im Landeanflug befinden und uns anschnallen sollen.
Lina und ich schauen uns an, dann lehnen wir uns zu jeweils einem Ohr des schlafenden Drachen in unserer Mitte und schreien gleichzeitig: "MARIE!"
Mit einem Ruck sitzt sie Kerzengerade da und wir lachen uns kaputt.
"Boah ey. Ich hatte gerade einen voll schönen Traum. Wollt ihr wissen worum es ging?", fragt sie und scheint ihren Ärger über das ungewollte Aufwecken auch schon wieder vergessen zu haben.
Lina und ich schütteln gleichzeitig die Köpfe.
"Ihr wisst schon, dass ich es euch trotzdem erzählen werde?"
Wir nicken.
"Na dann. Also ich war irgendwie so eine Figur aus einem Manga und wurde von den anderen Mangacharakteren immer so richtig fies gemobbt, aber irgendwann kam dann Mingyu und hat alle die mich jemals beleidigt haben dazu gezwungen, ihre eigenen Socken zu essen und dann war da auf einmal ein Pferd und Mingyu und ich sind aufgestiegen und waren plötzlich an einem Strand und sind voll romantisch in den Sonnenuntergang geritten und..." Sie unterbricht sich und schaut zu Lina hinüber, die erneut die Augen geschlossen hat und so tut, als würde sie schnarchen.
"Okay, okay. Ich erspare euch die nicht jugendfreien Szenen!", ruft Marie enttäuscht und lehnt sich zurück.
Ich grinse sie an, bevor ich mich wieder dem Fenster zuwende.
Ich kann nicht glauben, dass ich gleich in Korea sein werde, am anderen Ende der Welt, weit weg von meinem gewohnten Umfeld.

"Ey, Kartoffel!", schreit Marie quer über den Flughafen.
Wir sind vor einer knappen Stunde gelandet und Marie und Lina sind losgegangen, um auf unser Gepäck zu warten, während ich mit meinen Eltern telefoniert habe und ihnen versichern musste, dass wir alle heil angekommen sind.
"Kartoffel?", frage ich ungläubig und Lina kann ihr Lachen nicht unterdrücken.
Marie macht ein gequältes Gesicht.
"Ich hab mich versprochen", murrt sie und boxt Lina in die Seite, um diese vom Lachen abzuhalten.
"Charlie ist eine heiße Kartoffel", sagt Lina und muss daraufhin noch mehr lachen. Schließlich fangen Marie und ich auch an zu grinsen.
"Kommt jetzt, ihr Schnuggis, das Taxi wartet schon auf dem Parkplatz", erinnere ich die beiden und gemeinsam verlassen wir das Flughafengebäude.

Kaum haben wir unsere Sachen in der kleinen Wohnung verstaut, die wir für sechs Monate gemietet haben, fallen wir erschöpft auf die Couch. Keiner von uns will aufstehen und einkaufen gehen, allerdings haben wir alle Hunger und keine Lebensmittel im Haus.
Mit einem lauten Stöhnen kämpfe ich mich auf die Beine.
"Na gut, ich gehe, aber nicht allein", sage ich und schaue abwartend zwischen meinen beiden Freundinnen hin und her.
Marie erkennt ihre Chance und streckt sich komplett auf dem Sofa aus, was Lina schlussendlich dazu zwingt, aufzustehen.
"Arsch", murrt sie, streicht sich kurz die Haare glatt und greift dann nach dem Wohnungsschlüssel.
"Na dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig", sagt sie an mich gewandt und ich nicke.
"Dann bis später, Sleeping Beauty", rufe ich Marie noch zum Abschied zu.
"Wohl eher Ugly Duckling", verbessert Lina.
Marie hebt den Kopf aus den Tiefen des Kissens und schaut uns vorwurfsvoll hinterher, während wir die Wohnung verlassen.
"Ey", ist das letzte was wir von ihr hören bevor die Tür ins Schloss fällt.

Auf dem Weg zu dem Supermarkt, den wir auf unserer Fahrt hierher entdeckt haben, unterhalten wir uns etwas.
Als wir dann endlich im Laden sind, teilen Lina und ich die Einkaufsliste durch, also zerreißen sie in der Mitte, und gehen jeweils die Sachen auf unserer Hälfte holen, damit es schneller geht.
Weil Lina diejenige gewesen ist, die den Zettel zerrissen hat, habe ich die längere Hälfte abbekommen.
Die Suche nach Milch führt mich in eine ziemlich abgelegene, hintere Ecke, wo ich schließlich endlich die Kühlregale finde. Während ich die Packung zu den anderen Lebensmitteln in den Korb lege, fallen mir auf einmal zwei Mädchen auf, die in der Nähe stehen und leise miteinander reden. Ab und zu schauen sie zu mir herüber und nennt mich verrückt, aber die eine der beiden sieht aus, als würde sie gerade Mordpläne schmieden. Als ich an ihnen vorbei gehe, schnappe ich die Worte "Ist doch egal, lass uns jetzt Swag sein" auf. Dann verschwinden die beiden in die andere Richtung.
Noch immer dezent verwirrt, gehe ich dann nach vorne und finde Lina, die bereits an der Kasse wartet.

Auf dem Nachhauseweg kommen wir an einem Starbucks Café vorbei. Lina bleibt abrupt stehen.
"Charlie, ich will Kaffee."
"Meinst du das ernst? Es ist schon dunkel draußen und du willst um die Uhrzeit noch Kaffee?"
"Ja."
Ich seufze und lasse mich von ihr in den Laden schleifen. Ehrlich gesagt bin ich einfach nur müde und will ins Bett.
Während Lina ihren personalisierten (mit Namen versehenen) Becher Wach-Macher holt, laufe ich etwas benebelt herum und suche nach einem kleinen Tisch, an den wir uns für einen Moment setzen können, doch plötzlich stehe ich nicht länger auf meinen Beinen, sondern sitze auf meinem Hintern, auf dem Boden.
Okay... Streng dich bitte einmal in deinem Leben an, mein liebes Gehirn. Wie genau, bin ich hier her gekommen?
"Oh, entschuldige bitte, ich habe dich nicht gesehen", höre ich eine männliche Stimme über mir sagen.
Ich blinzle und schaue dann nach oben, in das Gesicht eines extrem süßen Typen, der mir seltsam bekannt vorkommt.
"Hast du dich verletzt?", fragt er weiter und stört sich nicht an meiner Sprachlosigkeit.
Ich räuspere mich. "Nein, alles gut."
Der Typ reicht mir seine Hand, welche ich ergreife und mich von ihm zurück auf meine Füße ziehen lasse.
"Darf ich dir als Entschädigung einen Kaffee spendieren?", bietet er höflich an und lächelt mir zu.
Erst jetzt realisiere ich, dass er eine Maske trägt, genau wie all die Idole, die Marie so mag.
Wie in Trance nicke ich und lächle schüchtern.
"Ich bin übrigens Charlotte, aber du kannst mich auch Charlie nennen", stelle ich mich schnell vor, um die Klicheéhaftigkeit der Situation perfekt zu machen.
Der Typ grinst mich an und verbeugt sich zur Vorstellung einmal leicht.
"Ich heiße Hansol, aber alle nennen mich Vernon."

.-. 2 Kartoffeln auf der Suche nach Liebe .-. friendxsvt ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt