Kapitel 1 ~Anna

107 12 3
                                    

"Guten Morgen!" Ich blinzelte verschlafen und sah auf den Wecker. Es war erst 8:24 Uhr. Wütend sah ich meine Mutter an. "Kannst du mich nicht mal am Wochenende ausschlafen lassen?!" Sie lächelte. "Na komm schon, oder hast du etwa vergessen, dass wir heute den Segelausflug machen?" Ich schlug mir an dir Stirn. Den Segelausflug hatte ich ja total vergessen! Wir waren vor kurzem erst umgezogen und wohnten nun direkt an der Nordsee und dieses Wochenende wollte unser Stiefvater uns zeigen, wie man segelte. Ich freute mich schon seit Monaten darauf! Ich rollte mich aus dem Bett und verschwand in meinem Bad. Seit wir vor 3 Wochen umgezogen waren, hatte ich zwar nur noch ein kleines Zimmer, dafür jedoch ein eigenes Bad, damit ich mich nicht immer mit meiner Schwester stritt.

Ich duschte und zog mich an. Dann lief ich nach unten um mit den anderen zu frühstücken. Während dem Frühstück sprachen meine Schwester und ich über nichts anderes als über den Segelausflug. Wir würden direkt nach dem Frühstück aufbrechen.

Als wir um kurz nach zehn Uhr endlich alle fertig waren und im Auto saßen, hatte sich meine Begeisterung gelegt. Es hatte begonnen zu regnen und meine Schwester nörgelte die ganze Zeit herum. Sie war vier Jahre älter als ich, also 17 Jahre alt. Wir hatten das gleiche schwarze Haar, dass wir von unserem Vater geerbt hatten, an den ich mich kaum noch erinnern konnte. Ich war gerade einmal 5 Jahre alt gewesen, als er starb. Außerdem hatten wir die gleiche große Statur von unserer Mutter, wobei ich jedoch die schmächtigere Version war. Damit möchte ich jetzt aber nicht behaupten, dass meine Schwester dick war. Ihr BMI war normal, während mein BMI schon an Untergewichtigkeit grenzte. Ich mochte meine Schwester, sie war für mich eine Art Vorbild. Wir stritten uns zwar oft, doch das waren meist nur Kleinigkeiten, nach denen wir uns schnell wieder vertrugen. Meine Schwester sah mich wütend an. "Musste das sein", sagte sie und warf mir einen noch wütenderen Blick zu, bei dem wahrscheinlich alle tot umgefallen wären, doch ich kannte diesen Blick und wusste, dass sie in zwei Minuten wieder normal war und alles vergessen hatte. Jetzt jedoch starrte sich mich mit diesem wütenden Blick an und meckerte mit mir, weil ich aus Versehen ihre Zeitschrift ein wenig geknickt hatte, als ich versuchte, mich gemütlich hinzusetzen. Meine Mutter drehte sich genervt zu uns um. "Könnt ihr euch nicht einmal zusammenreißen?!" Meine Schwester rollte mit den Augen und sah hinaus in den Regen. "Dieses Mistwetter! Warum muss es ausgerechnet heute regnen?", sie blickte genervt nach vorne, wo die Scheibenwischer gerade auf höchster Stufe arbeiteten. Unser Stiefvater räusperte sich, als er auf dem Parkplatz vor seinem Laden für Boote und Zubehör stehen blieb. Wir stiegen aus. Im Schaufenster seines Ladens war ein großes, dunkelbraun lackiertes Motorboot zu sehen. Der Laden war sehr groß, doch außer dem Motorboot stand kein anderes Boot darin. Albert, unser Stiefvater, führte uns zu einem riesigen Schuppen hinter dem Laden, neben dem ein Anlegesteg auf das Meer hinausging. An dem Anlegesteg schaukelten mehrere kleine Segelboote auf den Wellen. Ob wir wohl auf diesen Segelbooten fahren würden? Albert öffnete das große Tor des Schuppens und verschwand dahinter. Wir folgten ihm, und als ich im Schuppen war, blieb mir der Mund offen stehen. Im Schuppen standen so viele große und kleine Boote, dass man die gegenüberliegende Wand nicht mehr sehen konnte. Ganz vorne stand ein großes Segelboot. Es war um die 20 Meter lang und 5 Meter breit. Ich blieb stehen und sah mir das Boot genauer an. Es war aus dunkel gestrichenem Holz, wodurch es irgendwie bedrohlich aussah. Es hatte drei Segel. Als ich einmal um das Boot herumging, merkte ich auch, dass es einen Motor hatte. Es war vermutlich für größere Reisen gedacht. Albert rief uns. Er hatte anscheinend das Boot gefunden, auf dem wir fahren würden, denn als ich zu ihm kam, fragte er mich, wie mir das Boot gefallen würde. Er klopfte mit einem Finger auf das Holz eines kleinen Segelbootes hinter ihm. Das Boot war hellblau gestrichen und viel kleiner als das große Segelboot ganz vorne im Schuppen. Außerdem hatte es nur zwei Segel. Es war etwa acht Meter lang und drei Meter breit. "Ja, das Boot ist super", sagte ich.

~Albert

Das Boot hatte schon meinem Vater gehört, er hatte mir darauf schon Segeln beigebracht. Ich hatte es vor ein paar Jahren zwar noch einmal neu gestrichen doch wenn ich das Boot ansah, erinnerte ich mich immer wieder an die Zeiten, in denen er mir das Segeln beigebracht hatte. "Ein richtiger Mann muss Segeln können", hatte er immer gesagt. Ich seufzte. Anna sah mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf und rief ihre Mutter. Diese war vor einem kleinen Ruderboot stehen geblieben und betrachtete es eingehend. Als sie mich rufen hörte, hob sie den Kopf und kam in unsere Richtung. Als sie das Segelboot sah, lachte sie. "Das Boot heißt Amira? Dann kann es ja noch nicht so alt sein." Ich sah sie lächelnd an. "Doch. Ich wusste damals schon, dass ich dir begegnen würde und habe mein Lieblingsboot nach dir benannt", ich küsste sie. Sie erwiderte meinen Kuss. Jule, die auch dazu gekommen war, räusperte sich. "Mama, Albert, so leid es mir tut, ich muss euch leider kurz unterbrechen. Es hat nämlich aufgehört zu regnen und vielleicht wäre es gut, wenn wir dann jetzt endlich los könnten?!" Anna lachte. Jule schien ihr ein Vorbild zu sein, auch wenn die beiden oft stritten. "Dann mal los", sagte ich und öffnete das große Tor, das direkt aufs Meer hinausging. Ich fuhr die Rampe aus, über die wir das Boot ins Wasser schieben müssten. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Anna staunend auf das Meer sah. Die Sonne schien inzwischen und das Meer glitzerte in der Sonne. Ich ging wieder zu den anderen und hörte, wie Anna und Jule sich über das Tor unterhielten. Ich öffnete das Schloss, mit dem das Boot am Boden befestigt war, damit es nicht gestohlen werden konnte, und bat die anderen, mir zu helfen. Gemeinsam schoben wir das Boot ins Wasser.

MysteriouslyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt