Kapitel 3

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Später am Nachmittag beginne ich endlich meine lang ersehnten neuen Einrichtungsgegenstände in meine Wohnung zu räumen. Einige Zimmerpflanzen machen das Ganze viel angenehmer und auch ein Perserteppich in Rot ziert nun den Boden vor meinem improvisierten Bett. Der Wasserhahn tropft zwar immer noch, doch jetzt habe ich einen meiner neuen Küchenschwämme daruntergelegt und es nervt nicht mehr schlimm. Als ich die Biotope in Kühlschrank und Anrichte entsorgt habe, räume ich die schwarzen Teller mit dem goldenen Besteck in die Schubladen und beziehe die neue Bettdecke mit dem grauen Betttuch. So langsam gefällt es mir hier. Ich bestelle einen Techniker, der sich morgen die Klimaanlage ansehen soll und lege mich mit einem Buch in mein Bett. Es war ein anstrengender Vormittag und ich bin immer noch von den Folgen meines Jetlags geplagt.

Meine Augenlieder werden immer schwerer im gemütlich warmen Licht des staubigen Kronleuchters an der hohen Decke und mir fallen rasch die Augen zu. Als ich wieder erwache, ist es draußen schon dunkel.

Später, ich bin gerade am Kartoffeln schneiden, klingelt es an der Tür. Als ich öffne, steht mir eine hübsche Blondine gegenüber, Hand in Hand mit Kento. Sie lächelt und streckt mir die Hand entgegen: „Hi, Ich bin Bella! Kento hat mir schon von dir und deinen Heldentaten erzählt." Ich lache schallend auf und bitte sie und Kento hinein. Er zieht verwundert die Augenbrauen hoch: „Wow, hier ist ja ziemlich viel passiert seit vorhin.", sagt er, und deutet auf die hellblauen Vorhänge und die passende Tischdecke dazu, die den verschrammten Eichentisch verdeckt. Ich lächle und nicke zufrieden. Bella meldet sich zu Wort: „Kann ich dir eigentlich noch was helfen?", ich verneine und bitte die beiden, sich zu setzen.

Nachdem wir alle mit einem Glas Wein vor unseren Salattellern sitzen, spricht sie mich auch schon auf den Job in der Bar an: „Kento hat mir erzählt, du bist auf der Suche nach einer Arbeitsstelle. Ich habe vorher mal meine Chefin gefragt, sie meinte du könntest mal zum Probearbeiten vorbeikommen, wenn du möchtest. Dann kann ich dich morgen Abend dorthin mitnehmen!". Ich bin begeistert und mache mit ihr einen Termin um 20:00 aus. „Was macht man denn eigentlich so als echter New Yorker abends hier so? Habt ihr irgendwelche Tipps?", ich bin glücklich darüber, so schnell Leute gefunden zu haben, mit denen sich eventuell sogar eine Freundschaft entwickeln könnte und möchte die Beiden wirklich gerne wiedersehen. Kento runzelt die Stirn: „Hm, eigentlich gehen wir abends nicht so oft aus, Bella arbeitet meistens, aber manchmal gehen wir in einen kleinen Jazzclub um die Ecke des Juicy Lucies, also dem Strip-Lokal." Ich nicke, Jazzmusik ist jetzt nicht ganz so mein Geschmack: „Und kulturelle Angebote? Gibts hier empfehlenswerte kleine Galerien, die man sich ansehen könnte? Also vom Museum of Modern Art habe ich zwar schon gehört, aber ich finde kleine, familiäre Galerien eigentlich schöner." Bella zuckt nur die Schultern, sie scheint wenig für Kunst übrig zu haben. „Ich glaube, zwei Straßen weiter gibt es einen ganz kleinen Showroom, in dem seit einigen Tagen eine hawaiianische Künstlerin ihre Bilder und Fotografien ausstellt. Da könntest du mal hingehen, die sah ganz nett aus." Meine Stimmung hebt sich bei dem Gedanken, dass ich vielleicht hier ganz in der Nähe doch noch die Chance auf ein kleines Studio haben könnte, wenn die Ausstellung dort vorbei ist. Ich spiele mit der Idee, morgen Mittag einmal dort vorbei zu schauen, als der Herd zu piepsen beginnt. Der Kartoffelauflauf ist fertig und ich springe auf.

Nach dem Essen setzen wir uns alle aufs Bett, eine Couch besitze ich noch nicht, und Bella erzählt ein bisschen von ihrem Job. Bekanntschaften mit Stripperinnen sind wirklich Neuland für mich und so beginne ich, sie auszufragen. „Machst du deinen Job eigentlich gerne, oder ist das doch manchmal unangenehm?", frage ich, ein wenig zurückhaltend, ich will sie auf keinen Fall verletzten oder ihr zu nahe treten mit meinen Fragen einer Außenstehenden, die Strippen eher abstoßend findet. Daraufhin lacht Bella und zeigt mir ihre perfekt geraden, schneeweißen Zähne. „Nein ach was, ich liebe meinen Job. Tanzen hat mir schon immer gefallen und in so einem Club ist die Stimmung nochmal viel gereizter und wilder, als irgendwo anders. Ich war früher, als Kind, auch mal am Broadway und habe die Wendy in Peter Pan gespielt, aber das war mir immer alles zu groß und irgendwie nicht so aufregend. Dann habe ich mit Singen begonnen und wurde von Lucies angeworben, als ich noch in einem kleinen Karaoke-Schuppen hin und wieder ausgeholfen habe, wenn jemand krank war. Eigentlich bin ich froh darüber, am Broadway sitzen doch hauptsächlich Touristen im Publikum, die brav klatschen, wenn alle klatschen, am Ende bekommt der Regisseur noch einen Blumenstrauß und um elf Uhr abends liegen dann alle daheim im Bett." Ich bin überrascht, dass so viel Elan und Überzeugung hinter diesem Job steckt, hätte ich nicht erwartet, muss ich gestehen. Bella erzählt mir noch, dass sie dank ihrem Gehalt dort, in ein kleines Häuschen ziehen konnten, und planen, eine Familie zu gründen. Kento sieht Kindern zwar noch etwas kritisch entgegen, doch seine Bella lächelt ihn gewinnend an und er begräbt seine Zweifel, zumindest für den Rest des Tages. Auch sonst hält er sich heute Abend eher zurück und nimmt kaum am Gespräch teil, er scheint mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Seltsam, heute Mittag haben wir uns noch so gut verstanden. Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns auf einer Wellenlänge befinden. Seine Stimmungswechsel sind sprunghaft und ich werde nicht schlau aus ihm. Doch ich schiebe die Zweifel schnell beiseite, als Bella mich gewinnend anlächelt.

Als ich Bella und Kento von meinen Plänenerzähle, eine kleine Ausstellung zu eröffnen, und in meinem Atelier einige neueWerke zu malen, schaut sie mich nur mitleidig an: „Ach Süße, das ist ein wunderschöner Traum, und ichhoffe, dass das etwas wird, aber das haben hier schon so viele versucht. Genausolche Mädels wie du, mit glänzenden Augen bei dem Gedanken an diesewundervolle Großstadt, mit dem amerikanischen Traum im Hintergrund. Und fastalle sind am Ende dann doch gescheitert. Aber vielleicht bist du ja die Eine,die den Durchbruch schafft. Auf jeden Fall darfst du nicht als Kellnerin imJuicy Lucies hängen bleiben, merk' dir das!" Ich runzle die Stirn und schauezerknirscht zu Boden. Einerseits hat Bella wohl recht, aber andererseits istdas schon hart, das alles nochmal genau vors Gesicht gehalten zu bekommen. Mirgefällt er nicht, wie sie mich mitleidig wie ein kleines Kind behandelt. Kentoscheint das zu bemerken. Er legt Bella die Hand auf die Schulter: „Sag doch nicht so etwas, soweit ich weiß war sie eineaufstrebende, sehr passionierte Künstlerin in Berlin. Warum sollte das auchhier nicht so sein? Und ich denke so als Finanzspritze taugt ja das Lucies amAnfang auch, so kann sie nebenher ja noch malen und sich etwas aufbauen. Dasgeht auch, ohne dort zu tanzen. Da verdient sie genug für das Zimmer und esbleibt auch noch was übrig." Mir wird ein wenig mulmig zu Mute, Bella hat eventuellschon Recht. Schweigend sitzen wir da, bis sie wieder das Wort ergreift: „Aber vielleicht gehst du dir einige Galerien anschauenund machst dich mit den Leuten bekannt, da gibt es bestimmt jemanden mit gutenConnections, der dir weiterhelfen kann.", sie versucht die unangenehme Stimmunglässig zu überspielen. Ich nicke. Wir unterhalten uns noch ein wenig über diesund das, bis Kento und Bella später am Abend wieder durch den Regen nach Hause laufenund ich alleine bin. Es ist erst zehn Uhr abends, aber ich bin schon sohundemüde, dass ich nur noch schnell ins Bad husche und dann schnurstracks insBett falle. Heute war ein langer Tag und das verspricht die erste erholsameNacht nach der langen Reise zu werden. Kaum dass mein Kopf das Kissen berührt,fallen mir die Augen zu und die Straßengeräusche verschwimmen. Ruhig wird eshier nie in New York.

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