Die Stadt war in die Tiefe der Nacht getaucht, doch schlief sie nicht. Sie schlief niemals. Leuchtendes Neon erhellte die Straßen und Gassen und ein unterschwelliger Bass, gleich einem Herzschlag, brachte die Menschen dazu, sich in den Clubs und auf den Straßen zu tummeln. Sie alle waren auf der Suche. Sie alle brauchten das Neon. Es war das neue Lebenselixier der Menschheit geworden.
Doch je abhängiger die Menschen wurden, desto mehr vergaßen sie. Vergaßen die alten Wege, die Errungenschaften und gaben ihrem Geist der Glückseligkeit hin, ohne diese jemals wirklich erreichen zu können.
Und als die Menschen alles vergessen hatten, da erwachten die Alten aus ihrem Schlummer. Lange hatten sie gewartet, dass die neuen Götter ihre Plätze wieder verloren und sie abermals an die Macht gelangen würden. Doch waren die Alten, während ihres Schlummers, gefallen. Es gab für sie kein Weg mehr zurück. Stattdessen mussten sie ihre Essenzen auf Sterbliche verteilen, die ihre Macht in sich aufnehmen konnten, wollten sie verhindern, vollends zu zerfallen. Sterbliche, deren Geist noch nicht zerfressen wurde vom Neon.
Diese Sterblichen nannte man fortan Deva. Und die Deva sollten der Menschheit ein neues Zeitalter der Potenziale und Errungenschaften öffnen. Nicht freiwillig, zugegeben.
Die Weltkonzerne suchten nach den Deva, lockten sie mit Versprechungen und dem Erfüllen ihrer Wünsche in ihre Mäuler. Und nachdem sich ihre Zähne um sie geschlossen hatten, gab es für sie kein Entkommen mehr. Grausamen und gewalttätigen Experimenten unterzogen, zog man die göttliche Essenz aus ihren Körpern, um daraus Waffen zu schmieden. Waffen, mit denen sich die Konzerne gegenseitig bekriegen konnten. Der Mensch überlebte dieses Prozedere für gewöhnlich nicht und wurden, wie Abfall, einfach entsorgt. Wichtig war nur die Essenz. Um daraus die Armaments zu schmieden. Waffen, welche gottgleiche Kräfte gaben, ohne dabei die Kontrolle an eben jenen Gott zu verlieren.
Die wenigen verbliebenen Deva mussten sich im Schatten halten und stets auf der Hut sein, nicht entdeckt zu werden. Die Konzerne hatten ihre Spione und Überwachungssysteme überall und wenn man nicht aufpasste, landete man schneller auf ihrem Raster als man niesen konnte.
Unsere Geschichte beginnt im Jahre 2165 und die Welt unterteilt sich nicht mehr in Länder, sondern in Konzerngebiete. Vier Weltkonzerne konnten sich im Laufe der Jahrhunderte etablieren und hatten ihre Macht soweit gefestigt, dass die Menschen keine freien Bürger mehr waren, sondern Angestellte, die im jeweiligen Gebiet ihres Konzerns lebten und arbeiteten.
Richten wir unseren Blick auf jene dunkle Stadt, erhellt vom Neon und seine Bewohner. Diese Stadt war einstmals das stolze Berlin, doch nun stand sie lediglich im Gebiet des River-Range-Konzerns. Einst angefangen als kleines Elektronik-und Handyunternehmen, sind sie heute führend auf dem Gebiet der Robotik, der fühlenden Prothesen und besitzen ein weltweites Energienetzwerk, von welchem selbst die anderen Konzerne profitieren. River-Range zählt in den Schattenkreisen als mächtigster der vier Konzerne, doch würden das die anderen drei niemals zugeben.
Und inmitten dieses Gebiets, stand auf dem Dach eines Megakomplexes, eine junge Frau. An ihrer Seite, ein elegant gekleideter Mann, welcher einen Zylinder auf seinem bleichen Kopf trug. Die junge Frau schien ihn gar nicht zu bemerken und blickte auf das Panorama, welches sich vor ihr erstreckte. Der Mann schnippte rhythmisch mit den Fingern und kicherte leise. Es klang als würde Wind durch das Geäst eines toten Baumes wehen.
„Wenn das so weitergeht, werden wir noch arbeitslos.", konstatierte der Mann mit einer Stimme, die klang, als würde man Sandpapier über einen Grabstein schleifen. Noch immer war keine Reaktion der Frau zu sehen oder zu hören. Ihr Fokus lag auf etwas weit entferntes.
„Und du bist dir sicher, dass du den Auftrag durchführen willst?", versuchte der Mann erneut eine Konversation aufzubauen.
Sie nickte. Er kicherte leise vor sich hin und schüttelte leicht den Kopf. „Du denkst, du würdest dabei sterben. Das du dir noch immer so eine Platte darum machst...", er wollte zwar noch etwas sagen, verstummte aber, als die Frau ihren Blick nun genau auf seinen richtete. Sie konnte sie sehen. Die smaragdenen Flammen in seinen Augenhöhlen, welchen den blanken Schädel in gespenstisches Licht tauchte.
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Götter des Neon #Mirroraward18
Science FictionDie Welt ist düsterer und farbenfroher zugleich geworden. Das Neon brachte den Menschen Glückseligkeit und sanftes Vergessen. Doch mit ihrem Vergessen haben sich die Alten erhoben, darauf erpicht wieder ihren Platz in den Himmeln und Unterwelten ein...