Maneater

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Diana River-Range stand in ihrem Büro vor ihrem Fenster und betrachtete das abendliche Panorama. Die Stadt wurde in blutrotes Licht getaucht und je länger die Schatten desto wurde auch der Schatten auf ihrem Gesicht. Eine Woche war es nun her, dass sie Hauser und Schottternagel dazu angewiesen hatte, die Devi und den Halbgott ranzuholen und noch immer lagen keine Ergebnisse vor. Zu behaupten sie wäre unzufrieden, wäre eine gewaltige Untertreibung gewesen. Nicht zuletzt, weil die anderen Konzerne anscheinend Wind davon bekommen hatten, was in ihrem Gebiet vor sich ging. Insidergeschäfte und Maulwürfe waren an der Tagesordnung, dennoch hasste sie dieses Machtgehabe unter den anderen Konzernen. Wenn sie nicht aufpasste und vorsichtig war, konnte das zu einem Krieg führen. Noch waren die Fronten nur erkaltet und nicht abgebaut. Es brauchte nur ein einziges Streichholz und das Pulverfass würde abermals explodieren.

Die schwarzen Flügeltüren wurden geöffnet und Hauser betrat ihr Büro. Zwar aufrecht, aber dennoch vorsichtig, positionierte er sich vor ihrem Schreibtisch und wartet, bis die Vorsitzende das Wort an ihn richtete.

Und warten musste er. Bis die Sonne untergegangen war. Dann erst erhob Diana ihre Stimme und fragte, „Wie kann es sein, dass wir sie noch nicht gefunden haben?" Ihre Stimme wirkte seltsam erschöpft.

„Wir tun unser Bestes, Frau Vorsitzende.", bekam sie bloß als Antwort. Hauser konnte es nicht sehen, aber für einen kurzen Moment hatte sie ihre Augen geschlossen. Langsam drehte sie sich um und fixierte ihren Administrator mit einem Blick, der dem Herzen des Winters entsprungen zu sein schien.

„Ihr Bestes ist nicht gut genug.", erwiderte sie kalter Grausamkeit. Hauser wusste, dass sein Leben gerade auf der Kippe stand. Ein falsches Wort, eine falsche Bewegung und sie würde ihn umbringen lassen. Der ältere Administrator verneigte sich entschuldigend und schwieg. Mehr konnte er nicht tun. Nicht mehr sagen.

Es war ja nicht so, als ob er nur Däumchen gedreht hätte. Fieberhaft hatte er nach den Beiden gesucht, hatte die Wohnung des Schattens komplett auf den Kopf gestellt und doch nichts gefunden. Hatte versucht sie mithilfe der Straßenüberwachung zu lokalisieren oder ihren jetzigen Aufenthaltsort mithilfe von Satelliten zu finden, doch war es vergeblich. Es war, als ob sie nie auch nur existiert hätten.

„Ich verstehe.", sprach sie auf seine Geste und trat an ihren Schreibtisch. Dort aktivierte sie ihren Bildschirm und rief eine verschlüsselte Datei auf. Darin befanden sich Namen, Daten, Ursprünge.

„Aktivieren sie Maneater." Sie tippte etwas auf die virtuelle Tastatur und Hauser hob seinen Kopf mit einem Blick, welchen man nur als erschrocken bezeichnen konnte.

„Den Maneater? Ist... ist das wirklich nötig?" Es lag mehr als nur Überraschung und Schock in seiner Stimme. Sie wirkte... gequält.

„Betrachten Sie es als Strafe und Sie sollten beten, dass er Erfolg hat." Mit einer barschen Handbewegung entließ ihren Administrator.


„Subjekt 28-2-GJ „Maneater", bitte melde dich in der Waffenkammer bei Administrator Hauser.", ertönte es durch die Lautsprecher.

Die Elite bewohnte ihren ganz eigenen Teil im Firmengebäude, der mehr an ein Hotel, denn an ein Büro erinnerte. Im langezogenen Flur, welcher mit etlichen Türen gesäumt war, hingen in regelmäßigen Abständen Lautsprecher an der Decke. Sie verkündeten der Elite, wenn sie zur Tat gerufen wurden.

Die Ansage wurde abermals durchgegeben und im vorletzten Raum auf der rechten Seite, rückte ein junger Mann von gerade 14 oder 15 Jahren seine Brille zurecht und klappte seinen Roman zu. Auf dem Cover sah man rote Haare und den Ansatz eines Gesichts. 'Haremsreigen' stand in goldenen Lettern darauf. Es zählte zu seinen Lieblingsbüchern, da er die Prämisse der Heldin so sehr mochte und ihren beschwerlichen Weg von einer Dienerin zur Herrscherin über ein ganzes Land. Das Buch war über hundert Jahre alt und war durch viele Hände gegangen, ehe es seinen Weg zu ihm fand. Die Widmung der Autoren war schon lange verblasst, dennoch bildete er sich ein, dass Wort 'Funkelelfe' gelesen zu haben.

Erstellte das Buch zu den anderen Schätzen in sein Regal und betrachtete nachdenklich seine Sammlung. Es gab nicht wirklich viel zu tun, wenn man nicht gerufen wurde. Seine Bücher umfassten Texte von Autoren, welche schon lange verstorben waren, dennoch war er der Meinung, dass diese Romane mit den heutigen nicht mehr zu vergleichen waren. Er griff nach einem anderen Buch und legte es sorgfältig auf den gläsernen Couchtisch. Dies würde er lesen, wenn wieder zurück kehren würde. Dazu ein Tässchen Tee und köstliche Makronen, wären der ideale Ausklang, nach einem Abend voller Gewalt und Blutvergießen.

Der Junge trat an die Sprechanlage und drückte auf den gelben Knopf, dann sprach er mit fröhlicher Stimme, „Gib mir eine halbe Stunde, dann bin ich da."


Nachdem er sich geduscht, eingecremt und angezogen hatte, begab sich der Junge in die Waffenkammer. Hier wurden die Armaments gelagert, welche nur von der Elite benutzt werden durften. Dies hatte etwas mit einem speziellen Faktor in ihren Genen zu tun. Menschen, ohne diesen Faktor, gingen an der schieren Macht dieser Waffen zugrunde. Einzig die Elite, war geistig und körperlich so überragend, dass sie sie verwenden konnten. Als die Konzernkriege ausbrachen, züchtete man diese Menschen extra heran, um so viele Armaments ins Feld schicken zu können, wie nur irgend möglich.

Auch der Junge zählte zu diesen Züchtungen.

„Hey Papa.", begrüßte er den Administrator und lächelte ihm freundlich entgegen. Hauser zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln und erwiderte, „Hallo Chris. Entschuldige, dass ich dir in letzter Zeit, so wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe. Und jetzt müssen wir uns ausgerechnet unter derartigen Umständen wiedersehen." Der Administrator legte einen dünnen Metallreifen auf den langen Stahltisch, welcher die gesamte Mitte der Waffenkammer einnahm.

Chris setzte sich auf den Tisch und rutschte rüber auf die andere Seite. Als er wieder auf dem Boden stand, umarmte er seinen Vater und sprach, „Ich weiß ja, dass du viel zu tun hast. Alles gut." Er ließ ihn los und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Chris verzog ein wenig das Gesicht und Hauser lächelte etwas verlegen. „Tut mir leid. Ich bin nicht wirklich zu einer Rasur gekommen."

„Wenn ich fertig bin, kannst du ja heute Abend zu mir kommen. Dann kannst du dich wieder her richten und wir könnten uns vielleicht einen Film oder so angucken. Oder du liest mir wieder vor.", fügte er etwas leiser, aber vorfreudiger hinzu.

Hauser nickte und ließ ihn los. Dann gab er ihm eine kleine Datendisc, welche Chris in sein Smartphone einsteckte und auf dem Display erschienen die Informationen, die er für eine erfolgreiche Jagd brauchte.

„Darauf findest du alles, was du brauchst. Sei vorsichtig, mein Junge. Wir wissen recht wenig über die Devi und ihren Halbgottfreund." Ehrliche Sorge spiegelte sich auf Hausers Gesicht wieder.

„Keine Sorge Papa. Das sind nicht die ersten, die ich töte und es werden ganz sicher nicht die letzten sein. Solange ich Congo Savanne an meiner Seite habe, müssen sie sich eher Sorgen machen.", gab der Junge mit einem sorgenfreiem Grinsen und ausgelassener Stimme zurück.

„Verlass dich nicht zu sehr auf dein Armament. Wenn es zu gefährlich wird, dann läufst du weg und kommst hierher zurück. Hast du mich verstanden?" Sein Vater umfasste seine Schultern und sah ihn eindringlich an.

Chris nickte und lächelte beruhigend. „Verstanden. Ich hab dich lieb.", sprach dies, gab seinem Vater noch einen Abschiedskuss und griff sich den Reifen. Dann wanderte der Junge summend zum Ausgang und verschwand hinter der schweren Feuertür.

Hauser blickte seinem Sohn nach und konnte nur hoffen, dass er, vielleicht nicht zwingend gesund, aber dennoch lebendig zu ihm zurück kam.


„Ich liebe dich auch.", flüsterte er und schloss seine Augen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 26, 2018 ⏰

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