Diana River-Range

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Auf dem Weg zu ihrem Büro wurde sie immer wieder gegrüßt und die Angestellten standen Spalier, um sie vorbei ziehen zu lassen. So wie es sein sollte. Umringt von ihrer Security ging sie zielstrebig durch die Flure und als sie schließlich die große schwarze Flügeltür erreichten, zog einer ihrer Sicherheitsleute, eine Magnetkarte durch den Scanner und die Tür öffnete sich lautlos.

Rüttgen stand schon im Büro und war gerade dabei sich eine weitere Nase Neon zu gönnen, als er plötzlich hinter sich Schritte vernahm und versuchte so schnell wie möglich seinen Konsum hinter sich zu bringen. Schniefend und mit den Augen rollend, stellte er sich stramm wie beim Exerzieren hin und wartete.

Die Vorsitzende von River-Range, Diana River-Range, ging wortlos an ihm vorbei und setzte sich auf ihren bequemen Ledersessel. Auf ihrem Schreibtisch erwachte ein großer flacher Bildschirm zum leben und mit kurzen geübten Handgriffen zog die Vorsitzende allerlei Fenster nach oben und ließ sie sich in größerer Auflösung anzeigen. Derweil sie über die letzten Memos und News durchblickte, tippte ihr Finger auf das Mikrofonsymbol und sogleich meldete sich eine junge Männerstimme.

„Frau Vorsitzende?"

„Was macht ein Glimmer in meinem Büro?", fragte sie und wischte eines der Fenster weiter.

„Dies ist Ihr 15:30 Uhr Termin. Rüttgen, Marcel. Er sagte, er hätte wichtige Informationen bezüglich eines Gottes." Damit nahm Diana River-Range ihren Finger vom Symbol und die Verbindung war wieder getrennt. Dennoch dachte die dunkelblonde Frau nicht daran, ihre Aufmerksamkeit, nun ihrem Gast zuzuwenden. Sie überprüfte die Börsennews, während einer ihrer Männer ihr einen frischgebrühten Milchkaffee auf den Tisch stellte. Er hatte ihr sogar einen kleinen Keks auf die Untertasse gelegt. Erst als sie nachdenklich durch die Tasse rührte, da zog sie das große Börsenfenster nach unten, zurück auf den Bildschirm und ihre eisigen Bernsteine erfassten nun Rüttgen. Dieser hatte es nicht gewagt, während all der Zeit auch nur eine Bewegung zu machen. Er wusste nur zu gut, dass man in Gegenwart der Vorsitzenden besser kein falsches Wort und keine falsche Bewegung machte. Unter den Konzernen hatte Diana den Beinamen „Die Schwarze Dahlie", konnte doch ihr Wort allein jemanden vernichten. In vielerlei Hinsicht.

„Also, 15:30 Termin. Informationen über einen Gott und meine Leute wissen davon nichts? Sehr unwahrscheinlich.", ihre melodische Stimme war so kühl wie ein Wintermorgen.

Rüttgen fummelte an seiner fleckigen Westentasche rum und holte schließlich einen kleinen USB-Stick raus. Er wollte schon auf Diana zu kommen, wurde aber sofort von einem ihrer Wachleute gestoppt. Dieser nahm ihm den Stick ab und ging mit diesem zur Vorsitzenden. Er steckte den kleinen Stick in einen der vier Slots auf ihrem Schreibtisch und Diana sah dabei zu, wie die Dateien hochgeladen wurden. Auf dem flachen Bildschirm breiteten sich drei Dateien aus. Sie tippte auf die erste und zog diese hoch, um sie besser betrachten zu können. Darin befanden sich der Auftrag, der ausgemachte Preis, sowie Gebäudepläne und andere Informationen. Sie öffnete die nächste Datei und dort befand sich ein umfangreiches Dossier über einen gewissen Daniel Alexander Backhaus. Dianas Augen bewegten sich hin und her und ihr Gesicht zeigte keinerlei Reaktion.

Schließlich drückte sie abermals aufs Mikrofonsymbol.

„Frau Vorsitzende?", meldete sich sogleich ihr Sekretär.

„Hauser. In mein Büro. Jetzt.", kam es bloß von ihr, ehe sie wieder los ließ.

Rüttgen wurde noch immer ignoriert. Bis er sich räusperte und schon einatme, um etwas zu sagen, da ging die schwarze Flügeltür auf und ein älterer Mann mit gepflegtem Äußerem und einem eleganten Anzug, betrat den Raum.

„Vorsitzende River-Range.", grüßte er und stellte sich etwas vor Rüttgen.

Die Vorsitzende drehte das Dossier so, dass Hauser ihn lesen konnte und fragte, „Wie kann es sein, dass wir davon nichts wissen?" Ihr Ton war um mehrere Grad abgekühlt und Hauser beugte sich etwas vor und las sich aufmerksam durch, was seine Chefin ihm dort zeigte.

„Das ist unmöglich.", kam es nur von diesem und er straffte seine Gestalt wieder.

Die Vorsitzende drehte den transparenten haptischen Bildschirm wieder zu sich und zog eine Augenbraue hoch. Eine Mimik, welche zweierlei bei ihr aussagte: 'Lüg mich nicht an!' und 'Ich hatte eine bessere Antwort erwartet.'

Dann richtete sich der winterliche Blick gegen Rüttgen. Dieser ging sogleich ein, wie ein zartes Pflänzchen in einem Blizzard.

„Ich schwöre, dass alles was auf diesem Stick ist, der Wahrheit entspricht. Mein bester Schatten konnte sich selbst davon ein Bild machen und hat den Jungen momentan in ihrem Gewahrsam.", plapperte er schnell herunter, in der Hoffnung, so endlich dem Blick der Vorsitzenden zu entgehen. Und tatsächlich richtete sich nun ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm vor ihr. Mit einem sanften Fingerdruck öffnete sie die letzte Datei und dort befand sich das Dossier von Annika. Ein Abschnitt schien ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

„Festnehmen.", sagte die Vorsitzende nur, ohne aufzublicken und schon wurde Rüttgen von zwei Wachleuten seitlich umringt und fest an den Armen gepackt. Noch ehe er etwas sagen konnte, wurde er schon aus dem Büro geschliffen und in eine der Verwahrungszellen gebracht.

Derweil las sich River-Range immer wieder den Abschnitt durch und sie spürte wie Wut in ihr aufwallte. Einzig, dass sie tatsächlich den ihr dargebotenen Keks aß, war den Anwesenden ein untrügliches Zeichen, für ihren wachsenden Unmut.

„Ein Halbgott und eine Devi und wir wissen nichts davon?", fragte sie mehr sich selbst, als Hauser, bis sich ihre Bernsteine wieder auf ihn richteten und sie befahl, „Bring sie hierher. Die Devi wird verarbeitet und was den Jungen betrifft...", sie tippte etwas auf der virtuellen Tastatur ein, „Er hat einen wichtigen Termin mit mir. Es wäre schade, wenn er diesen verpassen würde. 24 Stunden, Hauser. Bis dahin will ich beide hier haben. Das sollte für meinen besten Administrator doch nicht allzu schwierig sein, oder?" Mit einer barschen Handbewegung entließ sie Hauser und kurz nachdem dieser verschwunden war, fuhr sie sich mit ihrer Handfläche über ihr rechtes Ohr und ein virtuelles Headset erschien.

„Verbindung herstellen. Schotternagel." Nach nur zweimal leisem Tuten, vernahm sie eine Männerstimme, deren alleiniger Klang bei ihr schon eine Gänsehaut auslöste.

„Ja bitte?", fragte sie in einem widerlichen nasalen und blasierten Ton.

„Ich will deinen besten Jäger.", befahl Diana.

„Na na. Was ist denn das für ein Ton, den du da anschlägst? Wir haben uns so lange nicht gehört. Du schreibst nicht, rufst nicht an... Wie geht es dir, Diana?" Wenn er nicht die besten Kontakte zur Unterwelt hätte und er nicht permanent seinen Standort wechseln würde, hätten sie ihn schon längst umgebracht. Sie hasste diesen aufgeblasenen Arsch und schlimmer noch: Er wusste, dass sie ihn brauchte. Und das machte sie wiederum fuchsteufelswild. Dennoch erwiderte sie mit gelassenem Tonfall, „Mir geht es gut. Danke der Nachfrage. Dennoch habe ich nicht angerufen, um mit dir zu plaudern. Ich brauche deinen besten Mann und ich brauche ihn jetzt."

Sie hörte wie Schotternagel am anderen Ende, dumpf etwas tippte und dann erwiderte, „Meine Beste kostet aber, meine Liebe. Wobei du das bestimmt aus der Kaffeekasse zahlen kannst, nicht wahr?"

„Wie viel?", wollte sie wissen.

„600.000 im Voraus und weitere Zwei Millionen, wenn der Job erledigt ist." Sie konnte sein diebisches Grinsen förmlich vor sich sehen, als er ihr diese horrenden Summen nannte.

„Einverstanden.", sagte sie jedoch nur und leitete sofort die Überweisung ein. Sie konnte ein leises, „Oh.", hören. So viele Jahre und noch immer war er überrascht, wenn sie ohne zu feilschen, auf seine Angebote einging. Doch Geld spielte in diesem besonderen Fall wirklich keine Rolle.


„Ich werde sie sofort informieren. Wir sollten uns mal auf einem Kaff..." Schon legte Diana auf und drehte sich mit ihrem Stuhl und ihrer Kaffeetasse zu ihrem Panoramafenster. Sie ließ ihren Blick über die Spitzen und Türme der Stadt schweifen. In dem Fenster konnte sie ihr ernstes und nachdenkliches Gesicht erkennen, doch schenkte sie dem wenig Beachtung. 

Wenn die anderen Konzerne davon Wind bekamen, würden sie sicherlich bald zu einem Schlag ausholen. Der Krieg war noch lange nicht vorbei. Er war lediglich etwas abgekühlt.

Götter des Neon #Mirroraward18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt