Gedanken und Dilemma

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Annika erhob sich mühselig aus dem Sessel und fühlte sich, als wäre sie über Nacht mehrere Jahrzehnte gealtert. Ihr ganzer Körper knackte, als sie aufstand und als sie sich streckte, knackte dabei ihr Brustbein besonders laut. „Ahh~"Sie hielt sich ihre Hand ans Sternum und verzog das Gesicht.

„Ich schlafe nie wieder in dem Ding.", murmelte sie völlig sie fertig und tappte ins Bad. Den Verlockungen der Badewanne nicht mehr widerstehen könnend, ließ sie sich warmes Wasser ein, dazu noch ein paar Badesalze und dann entledigte sie sich ihrer Kleider. Sie war nie der Typ für figurbetonte Klamotten gewesen und erst im nackten Zustand wurde man sich gewahr, dass Annika eine durchaus attraktive Frau war. Kleine handliche Brüste und eine Taille, die zum umschlingen einlud nannte sie ihr eigen. Hinzu kam ein trainierter Po und ein genereller Körperbau, welcher Anzeichen auf ihren Lebensstil zeigte. Überall waren kleine feine Narben zu erkennen. Souvenirs von Wachen, Gangmitgliedern, gefährlicher Fracht und so weiter. Die größeren waren die tödlichen gewesen. Eine große, welche zwischen ihrem Busen entlang ging, als eine Metallplatte sie beinahe in zwei Hälften geschnitten hatte. Die kreisförmige Narbe an ihrem Rücken, von einer Schrotflinte hervorgerufen, als sie unvorsichtigerweise den Alarm ausgelöst hatte. Und nicht zuletzt ihre künstliche Wade und ihr Fuß. Abgerissen von einem Armamentträger. Es war ihre erste Begegnung mit der Elite der Konzerne gewesen und sie hatte es sofort bereut gehabt. Auch an diesem Tag hat sie ihr Leben verloren, als der Bastard ihr ihren Kopf abgetrennt hatte. Sie fuhr sich mit ihrem Zeigefinger über die Narbe am Hals und lächelte schwach. Sie wäre schon so oft krepiert, hätte sie keinen Gott in sich. Doch auch Mic vermochte nicht alles wieder zu richten. Er konnte ihren Tod verhindern, aber nur dann, wenn es wirklich kritisch war. Und ein abgetrenntes Bein, war in jenem Moment nicht kritisch. Und jedes Mal, wenn er sie rettete, laugte ihn das aus. Es mochte vielleicht daran liegen, dass er nur die Essenz von sich war oder aber gewisse Schwächen des menschlichen Körpers auf ihn abfärbten, aber ihr Bein konnte er an diesem Abend nicht mehr retten.

Annika wandte sich zur Badewanne um, fühlte die Temperatur und ließ sich dann ins Wasser gleiten. Sie genoss die Wärme und den Duft, welchen das Wasser, dank der Salze angenommen hatte. Die Augen schließend, spürte sie, wie Mic aus ihrem Körper hervorkam und seinen Schritten folgend, schien er auf dem Klo Platz genommen zu haben. Seit einiger Zeit war Mic der einzige Mann, der sie nackt gesehen hatte und es machte ihr mittlerweile nichts mehr aus.

Sie erinnerte sich an die Anfänge, als sie und der Gott sich kennen lernten und beide erst mal damit klarkommen mussten, sich alles zu teilen. Es war wild, chaotisch und selbst die einfachsten Dinge hatten plötzlich etwas kompliziertes und merkwürdiges an sich. Da war eine Entität in ihr und diese wusste von der modernen Welt so gut wie nichts. Er hinterfragte es nicht offen, aber in seinen Gedanken konnte sie hören, wie er darüber nachdachte. Mehr als das, waren auch solche Dinge wie duschen und schlafen, auch nicht mehr so einfach. Mic beobachtete sie fortwährend. Entweder in seiner Gestalt oder durch ihre Augen. Er war ein Teil von ihr und immer anwesend. Auch schien er nie zu schlafen. In den ersten Monaten konnte Annika nicht zwischen Traum und Erinnerungen unterscheiden. Fürchterliche Bilder, Echos vergangener Gespräche und Schreie und das Gefühl, wenn sie in warme Leiber griff, um dort die widerwärtigsten Dinge heraus zu holen.

Von anderen Dingen ganz zu schweigen. Eine junge Frau in ihrem Alter hatte Bedürfnisse und diese wirklich ausleben zu können, war ebenfalls etwas, wo sie sich beide erst herantasten mussten. Ihr 'Erstes Mal' war eine intensive Erfahrung gewesen. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass Mic dabei zusehen sollte und so saß der Gott hinter ihr, während sie an seine knöchernde Brust gelehnt, in seinem Schoß saß und sich befriedigte. Es war ebenfalls eine Art Test, um zu sehen, wie tief die Verbindung reichte. Und tief war sie. Mic empfand dabei ebenfalls so etwas wie Lust und konnte sich irgendwann nicht mehr zurückhalten. Es war nur eine Umarmung gewesen, aber darin lag soviel mehr. Sie sah das Licht seiner Flammen über sich, wie sie die Farbe von tiefem Violett angenommen hatten. Die Farbe seiner Sehnsucht, wie sie später erfahren hatte. Erst da wurde sie sich wirklich bewusst, dass dieses Wesen, dieser Gott, ebenso zu Gefühlen fähig war, wie sie selbst. Er erzählte ihr von seiner verschwundene Frau und wie er sie vermisste. Nicht zu wissen wo sie war, ob es ihr gut ging, machte ihn verrückt. Er sehnte sich nach ihr und auch wenn es eher dem Zufall geschuldet war, dass er Annika gefunden hatte, so war Mic froh, dennoch eine Frau wieder an seiner Seite zu wissen.

Götter des Neon #Mirroraward18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt