The sweetest Touch

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Mein Vater hob den Stapel Blätter vom Küchentisch und zeigte mir das Oberste.

"Deshalb haben wir beschlossen, mit dir nach Darmstadt zu ziehen und dich dort auf eine Schule zu schicken" sagte mein Vater. Das Blatt, was er mir hinhielt, war eine Kündigung für unser Haus. Ich konnte es nicht fassen - hatten sie das etwa ohne mich entschieden?

"Die Schule ist viel besser, als deine jetztige." versprach meine Mutter mir. "In der Stadt soll es auch eine Gang geben, du magst doch Gangs so gerne!"

Mein Vater blätterte eine Seite auf seinem Papierbogen weiter und zeigte mir ein Gruppenfoto von fünf Jungs. In der Mitte standen zwei Jungs, die sich sehr ähnlich sahen - braune, wuschelige Haare, einer hatte einen breiten Hals, aber die meerblauen, strahlenden Augen, die fast so unglaublich waren, wie die von Shayenne, funkelten bedrohlich Richtung Kameramann. Die anderen Jungs beachtete ich nicht, denn ich konnte meinen Blick nicht von den Beiden in der Mitte wenden. Sie sahen sich irgendwie ähnlich. Ob sie wohl Geschwister waren? Badboys waren sie auf jeden Fall.

"Das sind die Lochboys" sagte mein Vater. "Und das sind ihre Anführer" Sein Finger schwebte für einen Moment über den beiden Jungs in der Mitte. "Roman und Heiko Lochmann" Seine Stimme klang beunruhigt, als er den Namen der Beiden flüsterte. Die Art, wie er den Namen der Beiden aussprach, hatte etwas bedrohliches an sich. Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper.

"Sie sind ganz böse Jungs!" pflichtete meine Mutter ihm bei. Sie zwinkerte. "Aber süß sind sie schon!"

Ich merkte, dass sich mein Gesicht rot färbte und ich sprang auf. Mein Stuhl wurde mit einem Schlag zurückgestoßen und landete auf dem Küchenboden. Ich wollte noch etwas Cooles sagen, doch kein Wort kam über meine Lippen. Also stolperte ich zurück und verließ im Stechschritt den Raum. Ich hörte, wie meine Mutter mir nachrief: "Wenn du nach oben gehst kannst du ja schon mal deine Sachen packen, morgen früh geht's schon los!"

Als ich oben in meinem Zimmer ankam, kreisten endlose Gedanken in meinem Kopf. Ich fühlte mich leer und voll zugeleich, als würde ich in einem Schwarzen Loch versinken, dass mich mit öligen Klauen nach unten zog. Ich ließ mich auf mein Bett fallen, versank mein Kopf in meinem Kissen und begann, leise zu weinen.

Das tat ich oft - Weinen, meine ich. Oft ist alles in meinem Leben so wunderschön sinnlos, so bezaubernd verwirrend, dass mir in der Nacht eine leise Träne die Wange hinunterläuft, die ich eilig wegwische. Ich würde es niemals zulassen, dass mich jemand beim Weinen sieht - außer meine beste Freundin Shayenne vielleicht. Schon oft hatte sie mir die Tränen von den Wangen gewischt, mir eine Strähne von der Stirn geschoben und geflüstert, wie frei sie sich fühlte, wenn ihr die Tränen kamen.

Mein klingelndes Handy lenkte mich von meinem Breakdown ab. Ich zog es aus der Hosentasche meiner Hotpans. Neben einigen Nachrichten in unserem Gang-Chat hatte ich zusätzlich etliche Instagram-Notifications. Ich war in einem Post getaggt worden. Ich seuftzte. Wenn der Fame ruft müssen die Depressionen warten. Ich öffnete die App und las mir den Post durch.

Meine Fans waren schon süß

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Meine Fans waren schon süß. Ein Lächeln zog sich über meine Lippen. Die Tränen waren vergessen.

Ihr fragt euch sicher grade "Fans?" Zunächst hatte ich vor, euch anzuschnautzen, wieso ihr denn nicht wisst, warum ich Fans habe, aber dann fällt mir ein, dass ihr das ja noch gar nicht wissen könnt. Ich habe nämlich ganz vergessen, es zu erwähnen, denn ihr wisst ja noch gar nicht, wer ich eigentlich bin. Seit fünf Monaten wohne ich hier in Berlin, und in dieser Zeit habe ich mir nicht nur in der Schule, sondern auch in der gesamten Stadt einen Namen gemacht. Unter dem Namen "Ghettobarbie" war ich die Leiterin einer der baddesten Gangs in Deutschland - denn dank Social Media sind unsere Taten im ganzen Land bekannt. Wir klauten, nahmen harte Drogen und rauchten - und ich war ihr Anführer. Gemeinsam mit Shayenne, Chad und Brad, Chantal aka Chanti und Esmeralda nahmen wir uns die Dinge, die uns gehören. Unter dem Hashtag #neynigang dokumentierten meine Follower, was wir so anstellten.

Meine Clique war meine Familie, mein Leben. Wie würde ich sie einfach zurücklassen können?

Widerwillig stand ich auf und begann, den Inhalt meines Zimmers in Kartons zu packen. Meine komplette Welt war nach einigen Minuten in Pappe verpackt. Wie einfach es doch war, umzuziehen und so vieles zurückzulassen.

Als ich fertig war, textete ich meine Clique und befahl ihnen, das wir uns in zehn Minuten an unserem Standardort zu treffen. Dann öffnete ich mein Fenster und stieg nach draußen.

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Chad und Brad warteten bereits auf mich. Sie waren beide muskulös gebaut, trugen Shorts, die kürzer waren, als mein Geduldsfaden und Tops mit Ausschnitten, an die ich mich nie herantrauen würde (bei mir überlasse ich gerne einiges der Fantasie ;) ) Sie standen wie immer ein wenig eng beeinander, traten aber beide einen Schritt voneinander weg, als sie mich kommen sahen.

"Hey Boys" sagte ich und hielt ihnen eine Ghettofaust hin. Sie schlugen beide ein.

"Was los 'Ney?" fragten sie. "Sonst guckst du mittwochs doch immer deine Seife"

"Das heißt Soap du Affe" sagte ich genervt. Daraufhin schwiegen Beide für einen Moment. Sie schienen zu merken, dass ich leicht gereizt war.

Schnell stießen Esmeralda und Chantal zu uns. Wir stellten uns in einem Kreis auf. Meine Freunde musterten mich interessiert. Keiner sagte etwas. Sie warteten auf meinen Befehl, wie ein Schwarm Bienen, der auf die Worte seiner Königin wartet.

"Leute" begann ich. Ich sah, wie Esmeralda den Atem anhielt und Chad und Brad sich an den Händen fasten. "Ich ziehe weg."

Die Reaktion meiner Freunde fiel heftiger aus, als ich erwartet hatte. Chantal brach sofort in Tränen aus und warf sich auf die Knie. Chad und Brad rissen die Augen auf und flüsterten synchron "Nein".

Esmerlada nahm es am Gefastesten. Sie wiederholte meine Worte laut. "Du ziehst weg?"

Ich hörte, wie hinter uns eine Glasflasche auf den Boden fiel und auf dem Boden zersprang. Als ich mich umdrehte sah ich Shayenne, die zwei Bierflaschen in der Hand gehalten hatte, diese aber aus lauter Schock fallen gelassen hatte. Schnell drehte sie sich um und rannte - weg von uns, weg von mir. Ich sah wie in Slowmotion, wie die Scherben vor uns auf dem Boden zersprangen. Ich spührte, wie ich ihr hinterher rannte. Meine Freunde waren zu geschockt, um zu reagieren.

Ich fand Shayenne auf dem Kopf der Rutsche sitzen. Ich blieb am Ende der Rutsche stehen. Sie betrachtete mich von oben, als würde sie auf mich herabblicken, doch dann stieß sie sich ab. Sie landete wenige Zentimeter vor mir. Unsere Nasenspitzen berührten sich. Ich bewegte mich nicht.

"Es tut mir voll Leid" sagte ich.

Shayenne schüttelte den Kopf. Sie sagte nichts.

"Das war die Idee meiner blöden Eltern."

Wieder schwieg sie. Wenn sie mich doch nur anschreien würde, mit ihren Fäusten um sich werfen würde und mich nicht so Gottverdammt anstarren würde.

"Ich will das doch auch nicht, Mann!" 

"Wann?" fragte sie. Ihre Stimme klang kalt, wie ein Morgen, an dem unerwartet Schnee gefallen war. So hatte ich sie noch nie erlebt.

"Morgen früh um sechs" antwortete ich.

Shayenne nickte wissend, ehe sie den Kopf senkte. Sie wollte ich an mir vorbeizwengen, doch ich hielt sie an den Schultern fest. Ihre Augen trafen meine.

"No Homo" flüsterte ich, ehe ich sie küsste. Für einen Moment standen wir einfach nur da, ehe ich mich löste und weg rannte.

Ich bin froh, dass ich sie gefunden habe, aber ich würde eine neue beste Freundin finden.

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Hey Leuteee!
Die Lochis kommen bald vor, versprochen! ich wollte nur ein bisschen Spannung aufbauen bevors richtig zur sache geht xoxo

Mein Badgirl (Die Lochis FF) #Wattys2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt