Mit wehenden Haaren rannte ich zwischen den Bäumen durch, immer tiefer in den Wald hinein. Seit der Sache auf dem Markt vor drei Tagen hatte mein Vater mich im Haus gehalten und mich von meinem Cousin Ruben beaufsichtigen lassen. Natürlich hatte ich überhaupt nichts dazu zu sagen und nach einem eher belanglosen Streit mit meinem Vater heute morgen war ich explodiert und einfach drauf los gelaufen.
Ich hatte es so satt in dieser vergoldeten Festung zu sitzen! Bevormundet zu werden und dennoch nichts zu wissen! Ich hielt das nicht aus!
Vor lauter Zorn merkte ich gar nicht richtig wo ich hinlief, bis ich irgendwann am Rand einer Klippe zum stehen kam. Der salzige Wind blies mir entgegen, ich reckte den Kopf zur Sonne und schloss die Augen, sodass die warmen Strahlen auf meiner Haut kitzelten. Ein Teil meines Frustes verblasste augenblicklich und ich lächelte stumm. Unter mir rauschte das Meer an den Steilhang und fiel dann schäumend und spritzend zurück, in einem stetigen, gleichmäßigen Rhythmus.
Meine negativen Gedanken waren wie weggeblasen und ich entspannte mich, stumm lächelnd. Wie gerne würde ich das jeden Tag so erleben. Die unbändigen Wellen unter mir, den Wind im Gesicht. Frei da draußen in der Welt, die Sterne zum Ziel. Doch das würde wohl nie so passieren. Seufzend setzte ich mich in das weiche Gras und sah gedankenverloren zum Horizont. Ich liebte meine Familie, daran gab es keinen Zweifel, doch gaben sie mir ein Leben vor, dass ich nicht haben wollte. Aber was sollte ich tun? Niemals würde ich es auch nur in Erwägung ziehen meine Familie zu hintergehen, gar aufzugeben, also konnte ich nur hoffen und träumen. Hoffen, dass sich etwas änderte und davon träumen, wie es wäre.
Nach einer Weile schlug ich wieder die Augen auf, als sich eine Wolke vor die Sonne schob und sich ein Schatten über mich legte. Schlagartig wurde es kühler und ich erhob mich vom Klippenrand. Die Luft trug den Geruch von Regen mit sich und ich bemerkte die schwarze Unwetterfront am Horizont. Vielleicht sollte ich zu Lydia gehen? Schließlich hatte ich keine Lust meine kurzfristige Freiheit wieder gegen die Gefangenschaft in meinen Zimmern einzutauschen. Außerdem hatte ich meine beste Freundin seit Tagen nicht mehr gesehen, da war ich ihr zumindest einen Besuch schuldig. Also strich ich das Gras von meinem Kleid und lief zurück durch den Wald. Was ich allerdings nicht mehr sah, war die Gruppe der Schiffe, die sich der Anlegestelle näherten - stolz prangte die weiße Nelke auf den flatternden Segeln der Gäste.
Schnellen Schrittes eilte ich erneut über den bemoosten Waldboden. Und obwohl ich diese Insel in und auswendig kannte, auch wenn man das vielleicht nicht erwarten würde, erkannte ich erst nach einer Weile wo ich war. Ich musste wohl vorhin nicht bemerkt haben wie weit ich eigentlich gelaufen war, zumindest brauchte ich lange, um endlich den kleinen See zu erreichen, den Lydia und ich manchmal im Sommer besuchten.
Es war ein kleines Staubecken mit klarem Wasser, das an jedem anderen Tag in der Sonne gefunkelt hätte, doch nicht heute. Die Wolken zogen sich nämlich immer weiter über mir zusammen und ich sah nervös zum inzwischen grauen Himmel. Ich würde die Siedlung sicher noch rechtzeitig erreichen, aber ich wollte nicht, dass meine Cousins sich im Regen auf die Suche nach mir machten. Allerdings hatte ich kaum eine andere Möglichkeit, da wir am höchsten Punkt der Insel lebten und ich es wohl nicht mehr schaffen würde dort anzukommen...
So lief ich weiter Richtung Siedlung, verlangsamte jedoch meine Schritte, da der Boden uneben wurde. Wo vorhin noch unberührter, von Moos und Gras überzogener Boden gewesen war, schlängelten sich nun Wurzeln und niedrige Pflanzen über die nackte Erde. Irgendwann achtete ich kaum mehr auf die Umgebung, bis es plötzlich hinter mir raschelte.
Vögel stoben auf und ich fuhr berrascht herum, wobei mir ein spitzer Schrei entwischte. Doch da war nichts. Unruhig wanderte mein Blick über die schweigsamen Bäume vor mir. Vermutlich war es nur der Wind, der mich erschrocken hatte. Ich verharrte noch kurz, bevor ich mich wieder meinem größeren Problem zu wand.
DU LIEST GERADE
Der Stolz der Familie Grimborn
Fiksi Penggemar"Einst gab es einen König, der drei Söhne hatte. Diese drei Söhne sollten sein Reich in drei Bereiche teilen, als der König starb. [...] So zogen die drei Brüder durch das Land um die beste Aufteilung für ihr zukünftiges Herrschaftsgebiet zu finden...