IV. Roxy und Roy

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Als er in den Krankenflügel des Reservats apparierte, waren alle in heller Aufregung. Er war für drei Tage unauffindbar und sie hatten sich schon beinahe damit angefunden, dass er dem Peruanischen Viperzahn als Zwischenmahlzeit diente. Charlie murmelte etwas von Abstürzen und Orientierung verloren und nach einer genauen Untersuchung stellten sie fest, dass ihm nichts fehlte. Er durfte nach Hause und sich ausruhen bis er morgen zum Dienst antreten konnte.
Sein Team besuchte ihn während seiner Untersuchung und er musste ihnen allen mehrmals versichern, dass alles in Ordnung war. Raoul hatte sich große Vorwürfe gemacht, da er derjenige war, der Charlie ohne weitere Erklärung in die Luft geschickt hatte. Der kleine Brasilianer schwor ihm, ihn nie wieder ohne Informationen irgendwohin zu lassen und Charlie befürchtete das Schlimmste. Lidija war außer sich und fiel ihm mehrmals um den Hals, obwohl er dabei jedes Mal aufstöhnte. Sven und Tim klopften ihm nur auf die Schulter und waren froh, dass er in einem Stück zurück war. Sean war der einzige, der ihn fragte, wo er gesteckt hatte. Charlie behauptete, er wäre nicht weit vom Reservat entfernt in einem Waldstück abgestürzt. Warum er seinen Freunden von der seltsamen Rose Graham nicht erzählte, konnte er sich selbst nicht erklären. Doch er hatte das dumpfe Gefühl, dass er die Begegnung für sich behalten sollte.

Es gefiel ihm ganz und gar nicht, einen ganzen Tag lang zu Hause hocken zu müssen und nichts tun zu können, als seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Es wäre viel lieber im Reservat behilflich gewesen. Die Eier des Viperzahns würden bald bereit sein und er wusste, dass sie jede Hilfe brauchen konnten. Es waren zwölf Drachenwärter nötig, um den ausgebüchsten Drachen wieder einzufangen und mit seinen Jungen würden sie ebenfalls alle Hände voll zu tun haben. Doch alles Mucken und Murren half nichts, er wurde mit Nachdruck nach Hause geschickt und man versicherte ihm, dass die Probleme auch morgen noch für ihn da waren.

Seufzend betrat Charlie sein kleines Cottage am Rand des Waldes, in dem sich das Reservat befand. Alle seine Nachbarn waren Drachenwärter, wie er und es schien, als würde er in einer seltsamen Reihenhaussiedlung zu wohnen. Davon abgesehen, dass keiner von ihnen einen wirklichen Garten hatte und alle Häuser starke Schutzzauber um sich hatten. Der Wald grenzte beinahe direkt an ihre Häuser und so benötigten sie sämtlichen Schutz gegen die Drachen, den sie aufbringen konnten. Obwohl man diesen Job ohne eine gewisse Leidenschaft und Zuneigung für Drachen nicht machen konnte, war keiner von ihnen dumm genug zu denken, dass sie nicht angreifen würden, wenn sie die Chance hatten.
Er machte mit einem Schwenker seines Zauberstabes den Kamin an und warmes Feuer erhellte sein kleines Häuschen. Links neben der Eingangstür war die offene Küche, in die er sofort schlenderte. Doch der Kühlschrank offenbarte ihm nur gähnende Leere und seufzend schloss er ihn wieder. Neben der Küche, etwas weiter den kleinen Gang entlang, befand sich die Speisekammer, die er als nächstes aufsuchte. Ein paar Butterbier und Kürbispasteten seiner Mutter, das musste für heute ausreichen. Charlie schlüpfte aus seinen Stiefeln und tappte dann mit dem Essen in der Hand weiter ins Wohnzimmer. Er ließ sich auf das ächzende Sofa plumpsen und legte die Beine auf den hölzernen Beistelltisch. Mit grummelndem Mangen dachte er an den fabelhaften Eintopf und zog sich das zerrissene T-Shirt über den Kopf und die Socken von den Füßen. Er rieb mit den Zehen über den weichen, ausgeblichenen Teppich und begann dann zu essen.

Charlie grübelte den ganzen Tag über das seltsame Erlebnis mit der merkwürdigen Rose Graham. Ihre panische Angst schien sie beinahe gelähmt zu haben. Die Erinnerung daran ließ ihn erschaudern. Ihre entsetzten grünen Augen tauchten immer wieder vor ihm auf, als er ein kleines Schläfchen machen wollte. Charlie wusste, dass er nicht schlafen können würde und setzte sich dann wieder ruckartig auf. Er nahm den kleinen flügellahmen Schnatz vom Tisch und spielte ein wenig damit. Angestrengt dachte er darüber nach, woher sie ihn oder seine Familie kennen konnte. Soweit er wusste, wohnte niemand von den Weasleys in Wiltshire. Er konnte sich auch nicht daran erinnern, in Hogwarts jemanden mit dem Namen Graham gekannt zu haben. Er würde Bill fragen müssen. Vielleicht George. Doch Ron und Ginny waren eindeutig zu jung gewesen, um mit ihr zur Schule zu gehen. Vielleicht war Percy... er schüttelte den Kopf.

Drachenherz & KräuterblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt