Kapitel 2 - Guten Morgen New York

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Das Dröhnen meines Weckers lässt mich aufwachen. Es ist gerade mal 8 Uhr. Vor ungefähr vier Stunden bin ich volltrunken ins Bett gefallen. Aber ich habe den Vorteil, dass mir diese Routine dabei hilft, einen Kater zu umgehen. Mein Körper hat sich mit den Jahren an den Schlafmangel und den Alkoholkonsum gewöhnt.

In fast zwei Stunden muss ich beim Coffeshop sein, dann beginnt meine Schicht. Da ich sehr viel Wert auf einen gutaussehenden Körper und ausreichend Sport lege, schlüpfe ich kurzerhand in meine Trainingsbekleidung. Ich schlendere gemütlich ins Bad, knote meine hüftlange Mähne zu einem Zopf zusammen und putze mir schließlich die Zähne. Ich krame meine Abschminkpads aus der Schublade meines Waschschranks und schminke mich ab, um die letzten Spuren des gestrigen Abends zu entfernen. Eigentlich macht man das vor dem Schlafengehen. Was soll's. Vor dem Spiegel im Flur überprüfe ich noch einmal mein Spiegelbild und den korrekten Sitz meines Sport-BH's bevor ich vor die Tür trete. Mir ist es tatsächlich vor nicht allzu langer Zeit passiert, dass mein Sport-BH nicht alles verdeckt hat und zudem auch noch falsch herum von mir angezogen wurde. Ups. Ich habe bis heute keinen blassen Schimmer, ob das jemand bemerkt hat. Es hat sich zumindest niemand etwas anmerken lassen.
Ich nehme noch einen großen Schluck Wasser aus meiner Trinkflasche, greife nach meinem Schlüssel und verlasse meine Wohnung. Draußen erfüllt mich der New Yorker Sommer mit seiner vollen angestauten Wärme. Großartig. Nein, wirklich. Ich stehe auf diese angestaute Wärme. Auch den Geruch von Autos und Abgasen mag ich echt gerne. Manche Menschen erdet der Duft vom Meer oder von einem Wald, ich fühle mich halt genau hier zu Hause. Möglicherweise rede ich mir das auch nur ein. Das wäre denkbar. Denn ich habe vor gut acht Jahren mal anders empfunden. Da war für mich der Geruch des Meeres auch mein absoluter Lieblingsduft. In Miami, dort wo meine Kindheit begann und mein Leben endete. Dort wo mein Vater verhaftet und für dreizehn Jahre eingesperrt wurde. Jetzt werdet ihr euch fragen, warum ich nach New York geflohen bin, wenn ich den Süden doch so liebe. Das ist einfach. Sie haben meinen Dad vor fast sechs Jahren in das County Gefängnis von New York verlegt. Damit ich ihn regelmäßig besuchen kann, bin ich kurzerhand hinterhergezogen. Mit Josh. Dafür danke ich ihm noch heute.
Ich lasse meinen Wohnungsschlüssel in meinem Sport-BH verschwinden und trete meinen Lauf durch Brooklyn an. Nach nur wenigen Metern werde ich aufgehalten.

»Guten Morgen meine Hübsche! Ich habe Croissants am Start! Wann kommst du zurück?«, grinst mich Josh an.
»Äh ich brauche dreißig Minuten, ok? Geh einfach schon mal rein.«
Josh nickt und ich setze meinen Lauf fort. Er kommt öfters bei mir vorbei. Manchmal habe ich das Gefühl er macht eine tägliche Lebendkontrolle bei mir. Als ob das nötig wäre. Nebenbei verfügt er natürlich über einen Wohnungsschlüssel, sodass er immer nach mir oder der Wohnung schauen kann.

Die letzten Meter beendete ich in einem enormen Sprinttempo. Schweiß läuft mir die Stirn und den Rücken entlang. Jedoch fühle ich mich direkt besser und wieder viel befreiter. Ich nehme die letzten Stufen zu meiner Wohnung genauso schnell und trete ein. Inzwischen ist meine Wohnung gelüftet und es duftet nach Kaffee. Josh ist ein Schatz.
»Bin wieder da. Ich dusche schnell, ja?«, rufe ich in Richtung Küche, wo ich Josh vermute.
»Klar, Lexi«
Das kühle Wasser hilft mir bei einer Abkühlung. Nachdem ich mich eingeseift und meine Haare gewaschen habe, trete ich aus meiner bodentiefen XXL-Dusche und ziehe mich an. Für den Coffeeshop brauche ich zum Glück keine Sonderuniform. Es reicht eine Jeans und ein Shirt des Shops, welches ich aus Protest jedoch erst vor Ort anziehe. Also schlüpfe ich nur in eine hautenge Jeans und ein super enges Top mit tiefem V-Ausschnitt welches meine mittelmäßig großen Möpse betont. Fertig.

»Das duftet super. Schön das du da bist«, begrüße ich Josh in der Küche. Er hat den Tisch bereits gedeckt und für Kaffee und Croissants gesorgt.

»Gern«, sagt er und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
»Gibt es einen besonderen Anlass?«, erkundige ich mich.
»Ja, schon. Ich wollte nochmal mit dir reden, Lexi.«
»Klar. Worum geht's?«
»Was ist dein größter Traum?«, fragt er mich und ich fühle mich direkt provoziert.
»Josh... Was soll das.«
»Na, Lexi. Sag schon«
»Ähm...«, stottere ich. »Ich möchte gerne das Geschäft meines Dad's wieder aufbauen, würde mir wünschen dass er endlich entlassen wird und wir gemeinsam eine erfolgreiche Immobilienfirma führen können. Aber das weißt du doch alles...«, knurre ich.
Ein riesiges Grinsen stielt sich in Josh's Gesicht. Josh sieht übrigens absolut heiß aus. Wenn er nicht schwul wäre, nein selbst dann nicht. Er ist mein bester Freund seitdem Kindergarten und ohne ihn, wäre ich offiziell verloren. Josh ist sehr groß und muskulös, was vor allem in seinem Beruf wichtig ist. Er ist dunkelhäutig aber nicht so dunkel wie 70%ige Schokolade, eher wie Vollmilch. Seine Augen sind dunkel und seine Haare sind kurz aber leicht gekräuselt. Er hat einen typischen Styler-Bart. Solche die unten an dem Kieferknochen entlangführen und das Kinn voll bedecken. Und über dem Mund irgendwie auch. Naja, Leute er ist heiß. Absolut umwerfend und mein bester Freund.
»Lexi, wieso kämpfst du nicht für deine Träume?«, schmettert er mir entgegen. Perplex starre ich ihn an.
»Darauf habe ich keine Antwort. Vermutlich, weil ich mich in Schockstarre befinde?«, entgegne ich unsicher. Josh ist der einzige Mann, neben meinem Dad, der es schafft mich zu verunsichern. Sonst bin ich total tough und lasse mich nicht einschüchtern, aber bei Josh, gibt es sowas nicht.

»Also siehst du den Fehler? Warum baust du euer Geschäft nicht wieder auf? Die Arbeit in der Bar und dem Coffeeshop ist doch nicht erfüllend«
»Weil ich zu wenig Berufserfahrung habe...«, gebe ich resigniert preis. Ich habe zwar damals alles bei Dad mitbekommen und weiß wie man Immobilien bewertet und schätzt, sogar wie man sie an den Mann bringt, aber ich weiß leider einige grundlegende Dinge nicht. Wie man Preise berechnet, also exakt und Fachwissen halt. Wenn es schimmelt, könnte ich dazu nichts sagen.

»Naja, Lexi. Schmiede mal einen Plan! Den will ich morgen Abend, wenn du in der Bar bist, hören. Alles klar?«
»Jawohl, Sir!«, entgegne ich belustigt. Wo er recht hat, hat er recht.

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