Kapitel 7 - It's a good day to have a good day

24 2 2
                                    


Ein sanfter Schauer durchfährt mich und ich schüttle mich kurz. So nervös wie heute, war ich die letzten 20 Jahre nicht. Prüfend mustere ich mein Spiegelbild zum gefühlten hunderten Mal. Meine dunklen langen Haare sind zu einem hohen Zopf gebunden, meine blau weiß gestreifte Bluse ist glatt und sitzt wie eine eins. Ich habe mich heute extra für eine weitere schwarze Hose mit Bügelfalte entschieden und trage dazu moderne Mokkasins. Ein rundum perfektes Outfit für mein Bewerbungsgespräch. Langsam atme ich ein und wieder aus und versuche dabei mich zu beruhigen. Ein letztes Mal blicke in den Spiegel
»Du schaffst das Lexi. Denk an deinen Vater und an deine Träume!«, pflichte ich mir bei, ehe ich mich umdrehe und das Haus verlasse.
Bis zur U-Bahn Haltestelle ist es nicht weit, jedoch muss ich insgesamt zweimal umsteigen und der Weg von Brooklyn bis nach Manhattan dauert fast fünfzig Minuten mit der Bahn. Kein Vergleich zum Arbeitsweg zu Harper's Coffeeshop. Die Fahrt mit der U-Bahn lenkt mich etwas von meiner Nervosität ab. Wie gebannt beobachte ich die anderen Menschen und überlege mir, wohin sie wohl unterwegs sind. Um diese Zeit wohl nicht zur Arbeit. Als ich schließlich die Endhaltestelle erreiche, steigt mein Puls wieder in die Höhe. Von der Haltestelle sind es nur zwei Minuten zu Fuß, allerdings fühlt sich der Fußmarsch eher wie drei Kilometer an. Die Mittagshitze staut sich in den Straßen und es ist absolut heiß. Ich überprüfe alle zwei Sekunden meine Bluse und hoffe auf ausbleibende Schweißflecken. Das wäre absolut oberpeinlich. Bis jetzt scheint aber noch alles im Lot zu sein. »Geschafft... 11.45 Uhr«, murmle ich vor mich hin als ich vor dem imposanten Wolkenkratzer stehen bleibe. Ein riesiger Schriftzug "Paul Hendricks" schmückt das Gebäude. Ich blicke an dem Gebäude hinauf und versuche die Stockwerke zu schätzen. Absolut keine Idee! Vor dem Eingang herrscht reges treiben. Männer mit Anzügen und Frauen in ihren Kostümen rennen sich fast über den Weg. Einige wollen, wie ich, in das Gebäude andere wiederum genau in die entgegengesetzte Richtung. Mein Mund öffnet sich noch einmal um die angestaute Luft vom vielen Stauen langsam wieder loszulassen, ehe ich in das Gebäude trete. Der Boden ist so sauber geputzt, dass mich der Glanz fast blendet. Hier vom Foyer kann man direkt nach oben durch das Glasdach in den Himmel schauen. Gleich vier gläserne Fahrstühle gehen von hier unten in die verschiedenen Etagen. Allein architektonisch ist das Gebäude schon ein absoluter Renner. Ich klappe meinen Mund erneut zu und nehme kurs auf den Empfangstresen. Geschniegelte, perfekte Frauen sitzen dort zu dritt aufgereiht. Eine telefoniert hektisch, eine berät ebenfalls einen Gast und eine lächelt mich zuvorkommend an. »Miss, kommen Sie doch zu mir. Herzlich Willkommen bei Paul Hendricks. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«, fragt sie ohne dabei wie ein Roboter zu klingen. Das nehme ich ihr tatsächlich ab. »Alexa Wellington. Ich habe einen Termin bei Miss Michelson«, erwidere ich ebenfalls mit einem Grinsen im Gesicht. »Ja, ich habe Sie gefunden. Perfekt. Fahren Sie doch bitte mit einem der Fahrstühle in die einundzwanzigste Etage. Dort wird Sie Miss Michelson abholen« Die Dame erhebt sich, immer noch grinsend, und deutet ebenso professionell wie eine Flugbegleiterin mit ihrer Hand zum Fahrstuhl. Ich nicke und mache mich auf den Weg zum gläsernen Auzug. Das macht hier alles einen verdammt professionellen Eindruck. Und zwar jedes verdammte Detail. »Nach Ihnen«, grinst mich ein älterer Herr an, als sich die Türen des Fahrstuhls öffnen. »Danke«, sage ich und trete ein.

»Schön, dass Sie da sind. Miss Wellingtion?«, erkundigt sich Miss Michelson. Sie ist genauso wie ich sie mir vorgestellt habe. Jung, schlank – nein dürr, blond und blauäugig. Aber äußerst professionell. Arbeiten hier eigentlich nur schöne Menschen? Schnell schüttle ich den Gedanken ab und ergreife die ausgestreckte Hand. »Alexa Wellington. Vielen Dank für den freundlichen Empfang«, entgegene ich.
»Das ist unseren beiden Geschäftsführern ganz wichtig«, grinst sie und ich folge ihr in den nahegelegenen Besprechungsraum.
»Darf ich Ihnen ein Glas Wasser anbieten?«, erkundigt sie sich weiter. Ich nicke, woraufhin sie ohne weiteres zögern mein Glas füllt. Durch die Hitze und die Aufregung fühlt sich meine Kehle ganz trocken an, sodass ich dankbar einen Schluck nehme.
»So... Miss Wellington«, beginnt sie und sortiert ihre ausgedruckten Unterlagen über mich. »Sie haben Sie für die Assistenz der Abteilungsleitung unserer Geschäftskunden beworben. Nun im ersten Schritt ist es unser Anliegen Ihre Fähigkeiten und Ihre Vorstellungen mit unseren Wünschen abzugleichen. Ich möchte sehen, ob Sie zu uns und zu unserer Philosophie passen. Wenn das für uns passt, wird es ein weiteres Gespräch mit einem Teil der Geschäftsführung geben. Die Abteilungsleitung ist der Geschäftsführung direkt unterstellt. Wir leben hier flache Hierarchien. Nur damit Sie sich nicht wundern« sagt sie sanft. Am Ende gelingt ihr sogar ein Lächeln, welches mich nochmal bestärkt, dass ich hier absolut richtig bin.
»Das klingt super für mich«
»Gut, Miss Wellington. Sie interessieren sich für einen Job hier bei uns. Warum gerade wir?«
»Mein Vater kommt aus dem Immobiliengeschäft. Ich bin damit aufgewachsen und würde gerne in die Branche zurück. Paul Hendricks ist sehr renommiert und das ist mir für meine Karriere sehr wichtig« Miss Michelson grinst mich bestärkend an und fährt mit ihren Notizen fort. »Was machen Sie derzeit? Ich habe in den Unterlagen entnehmen können, dass Sie nicht im Immobielien-Bereich arbeiten?«
»Derzeit arbeite ich in einem Coffeeshop. Ich habe längere Zeit gebraucht, um mich zu finden und herauszufinden was ich wirklich will«, sage ich ehrlich und hoffe damit nicht in ein Fettnäpfchen zu treten.
»Und was genau macht Sie da so sicher?«
»Nun, wie gesagt, mein Vater kommt aus der Branche. Und ich würde gerne wieder dort arbeiten. Ich kenne das Geschäft und es fehlt mir«
»Was ist mit dem Geschäft ihres Vaters passiert und wieso arbeiten Sie nicht mehr dort?«, hakt sie nach.
»Er hat es verkaufen müssen, da er leider erkrankt ist. Leider war ich zu jung, um das Unternehmen zu übernehmen«, schwindle ich. Tatsächlich hätte ich nicht damit gerechnet, dass sie so tief bohren wird. Aber was bleibt mir anderes übrig? Wir haben wegen Betrugs unser Unternehmen verloren und mein Dad sitzt nun im Knast? Seit fast 14 Jahren? Niemals.
»Das tut mir leid. Sagen Sie, was macht Sie so sicher, dass Sie bei uns richtig sind? Außer unserem Namen«
»Mir ist es wichtig, dass es im Immobiliengeschäft fair zu geht und das man sich nicht verkauft. Das sind nur einige Ihrer Werte und damit kann ich mich sehr gut identifizieren« Ein Grinsen stiehlt sich auf ihr Gesicht. Vermutlich genau das, was sie hören wollte. Die restlichen Frage meistere ich, nach meiner Meinung, auch mit Bravur. Es macht richtig Spaß mich zu erklären und in so einen Arbeitsmodus einzusteigen.

»Sehr gut. Eine letzte Sache gibt es da noch. Ich habe das Gespräch auch genutzt, um Sie für eine weitere, offene Stelle zu überprüfen. Ich bin der Meinung, dass dies wunderbar passen würde. Wären Sie auch an einer Vollzeitstelle interessiert?«, erkundigt sie sich. Ich kann gar nicht glauben, was hier passiert. Wieso im Himmel traut sie mir das zu? »Äh... ja, was wäre das für eine Stelle?«, höre ich aufgeregt nach.
»Die Assistenz der Geschäftsführung. Dort ist gerade jemand in Mutterschutz gewechselt und Sie würden super passen!«

Wow.

UntamedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt