Kapitel 4

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Nach und nach verschwinden alle wieder in ihre Klassen. Julian und ich bilden den Schluss. "Ich bin nur noch schnell auf dem Klo" gab ich zu. "Okay", sagte Julian und läuft schon mal in den Raum, wo wir nun Mathe zu scheinen haben. Ich flitze, so schnell es geht noch auf Toilette. Als ich vorm Spiegel stehe, schaut mich ein schlankes, mit Wimpern Tusche verschmiertes Mädchen entgegen. Sofort spülte ich meine Augen wieder sauber und es war mir eh egal, was die anderen von mir denken. Ich bin doch sowieso schon unten durch, dachte ich mit einem Seufzer und laufe zum Klassensaal. Kein Mensch ist weit und breit auf dem Gang zu sehen. Mir fährt ein kurzer Schauer über den Rücken. Doch bevor ich noch einen klaren Gedanken fassen kann, höre ich Schritte und ein Mann mittleren Alters mit Nickelbrille und fettigen Haaren kommt um die Ecke. Das muss mein Lehrer sein, denke ich und gehe die paar Schritte zur Tür. Der Mann bemerkt mich und fragt: "Bist du die neue? Ehm... Lena Hüter?" "Ja, bin ich" sagte ich mit zurück gerafften Schultern. "Dann komm, wir sind schon spät dran", sagte er und öffnet die Tür. "Und ach übrigens, ich bin Herr Schnell", stellt er sich vor. Ich schaue ihn an und denke nur, dass der Name richtig gut zu ihm passt. Während Herr Schnell eine Rede zum Thema "Extremalpunkte" hält, laufe ich zu meinem Platz neben Julian, bleibe aber schockiert stehen. Denn was ich sehe, verschlägt mir die Sprache. Ein Mädchen, was ich nur flüchtig beim untersuchen der Klasse gesehen habe, saß nun auf meinen Platz. Kann das wahr sein? Mein erster Kontakt an dieser Schule und ich werde zurück gewiesen? Ich schaue Julian bittend an, doch er zuckte nur leicht mit den Schultern. Arschloch. "Frau Hüter?", ertönt plötzlich die Stimme vom Herrn Schnell. "Wenn sie Probleme haben, einen Sitzplatz zu ergattern, dann ist ganz hinten noch ein Platz frei", bot er mir großzügig an. Langsam traten mir zum zweiten Mal Tränen in die Augen. Schnell nehme ich meine Tasche, die mitten auf dem Gang steht und lauf ganz nach hinten zu dem noch freien Platz in diesem Saal. Als ich mich setze, rückt ein Junge, ich glaube er heißt Philipp, ein bisschen von mir weg. Naja, dachte ich mir. Wenigstens hab ich hier meine Ruhe. Die ganze Stunde malte ich in mein Heft oder schaue ab und zu aus dem Fenster. Draußen stürmt und regnet es. So ein Mist! Und ausgerechnet heute habe ich kein Regenschirm dabei. Nur eine dünne Jacke. Egal, ich habe es sowieso nicht weit. Wenn ich schnell Laufe, werde ich nicht so arg nass, tendiere ich. Die Klingel, welche laut und schrill klingelt, weckt mich aus meinen Gedanken.

Ich stehe langsam auf, packe mein Buch und meine Hefter in die Tasche ein und Laufe aus dem Raum raus. Ich bin die letzte. Jedoch wartet Julian mit einem großen Regenschirm draußen auf dem Gang. Keine Ahnung woher woher er ihn so schnell her bekommen hat. "Brauchst du jemanden mit einem Schirm?", fragt er mich frech und mit einem Auge zwingernd. Ich werde rot. "J-ja, bitte...". Als ich mit ihm die schwere Haupttür öffne, strömen mir ein paar Tropfen auf mein Gesicht, aber Julian hebt geschickt den Schirm und ich War fürs erste geschützt. "So, wo müssen wir lang?", fragt er mich mit einem fragendem Blick. "Gerade aus und dann rechts Rum Richtung Rewe", gab ich zur Antwort. Ich Laufe neben Julian und dem Schirm die Straße runter. "Nun erzähl. Warum bist du auf unsere Schule gekommen, Lena?". "Wieso willst du das wissen?", frage ich zickig zurück. Er hob kurz die Schultern und macht eine beleidige Miene. " Ich darf doch Fragen, oder? ". "Ja, okay", entschuldige ich mich und fange an zu erzählen.

"Also, meine Eltern sind am 30. August bei einem Autounfall um Leben gekommen. Deshalb leben meine zwei Schwestern und ich bei einer besten Freundin meiner Mutter. Sie hat und sehr herzlich aufgenommen." "Oh, entschuldige. Das wusste ich nicht". " Ist nicht so schlimm", sagte ich. "Wir kommen mit der Sache eigentlich ganz gut zurecht. Manchmal haben wir noch etwas Kummer und vermissen unsere Eltern oft, aber wir wurden soo herzlich aufgenommen, dass wir dachten, wir haben eine neue Zukunft vor uns, die uns nun keiner Weg nehmen kann." "Mhm", macht

Julian nur.

Ich blieb stehen, denn wir sind am Haus angekommen. "Also dann, dass ist das Haus", sage ich und zeige auf ein orangnes, großes Haus. "Schick, schick", lächelt Julian. Ich lächle zurück. Es tat gut, mit ihm geredet zu haben, fällt mir gerade auf. "Nadann, bis morgen", sagt er und schaut mir dabei tief in die Augen. Ich konnte nicht anders und schaue verträumt in seine mit kleinen Sprenkeln besetzen Augen. Langsam beugt er seinen Kopf runter zu meinem. Ich schließe meine Augen und warte, bis sich unsere Lippen berühren. Wir weichen zurück, als eine starke Windbö den Regenschirm mit sich trägt. "Das wars dann wohl. Adieu, Schirm", lacht Julian verlegen. Ich merke, wie ein Paar Regentropfen auf meine Jacke fallen. Dann geschieht etwas, was ich mir niemals hätte zu träumen gewagt. Julian beugt sich runter und gibt mir einen Kuss auf die rechte Wange. "Bis morgen", haucht er in mein rechtes Ohr und bei seinen Worten kitzelt mein Ohr. "Ja, bis morgen", hauche ich ebenfalls zurück und gehe rückwärts die Treppe zur Haustür hoch.

Ein letzter Blick sagt mir, dass Julian schon um die Ecke ist. Ich schließe die Tür auf, knalle meine Tasche und meine Schuhe in die Ecke und laufe halb träumerisch in mein Zimmer. Dort angekommen, lasse ich mich auf mein Bett fallen und schließe meine Augen.

Die AußenseiterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt