IV

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Kapitel 4

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Ich räusperte mich. Vielleicht etwas zu ausführlich, wenn ich mir seinen kurz belustigten Blick so ansah.
Etwas Angst, dass meine Stimme zu hoch oder meine Worte zu unglaubwürdig klangen, hatte ich schon. Aber Schweigen war keine Option, also versuchte ich mich aus der Situation raus- und gleichzeigtig in die Gruppe der zukünftigen Soldaten reinzureden.

„Es tut mit leid, Sir. Ich habe gesucht, habe mich aber während der Suche an einer außergewöhnlichen Pflanze verletzt. Natürlich hätte ich auch weiter gesucht, wäre es nicht so schlimm gewesen, aber ich dachte, da sollte lieber jemand einen Blick drauf werfen." Innerlich klopfte ich mir selbst auf die Schulter und wischte mir den imaginären kalten Schweiss von der Stirn, dass sich mein Bein in eben diesem Moment erneut schmerzvoll gemeldet und mir somit diese Ausrede geboten hatte.

Er schaute mich abschätzend an und zog misstrauisch die Augen zusammen. Er versuchte in meinem Blick zu erkennen, ob ich die Wahrheit sagte oder versuchte ihm eine Lüge aufzutischen.
„So so, du bist also schwer verletzt? Dann wirst du sicher nichts dagegen haben mir dein Bein auch zu zeigen? Wir ich sehe ist es ja noch dran und da wir sowieso keine Ärzte dabei haben, passt das ja gut."
Das Tuch um seinen Mund war beim Reden um ein gutes Stück hinuntergerutscht, sodass sich mir sein hinterhältiges Lächeln offenbarte. Er hatte geschwungene, volle Lippen, eine kleine Narbe zierte Ober- und Oberlippe in einer Senkrechten, doch die verlieh seinem Lächeln nur noch mehr Ausdruck, sei es noch so böse. Was dachte ich denn eigentlich da? Ich war nicht hier um -Gott weiss wessen- Lippen anzuhimmeln oder mir über blaue Augen Gedanken zu machen. Ich hatte besseres zu tun und sollte ich damit erfolgreich sein, würde dieser Mann nichtmehr lange unter uns sein. Also riss ich mich mit einem leichten Kopfschütteln los und nickte.
„Natürlich, Sir. Ich wäre ihnen für ihre Hilfe sehr verbunden"

Er lachte harsch. „Hilfe?" Ein spöttisches Spucken auf den Boden folgte seiner Frage. „Hilfe kannst du dir woanders erbitten, in der Hauptstadt vielleicht noch erkaufen. Hier schlagt ihr euch selber durch. Wenn ihr nichtmal in der Lage seid den Weg in die Stadt zu überstehen, ich bitte dich, wie hast du vor die Ausbildung zu absolvieren, Junge? Mit welcher Einstellung?"

Ich schluckte. Okay, Brom hatte mir bereits gesagt, dass es Gute und Böse unter ihnen gab. Hier hätten wir wohl jemanden, der zweites nur allzu deutlich verkörperte. Aber ich hatte doch nichts falsch gemacht, oder etwa doch? Ahnungslos, wie ich auf seine Art reagieren sollte, nickte ich nur betreten.
Er ging nicht weiter auf das Thema ein, sondern zog mich grob am Arm hinter sich her zum Lager, wo er sich auf einen Baumstamm fallen lies. Durch seine Achtlosigkeit zischte ich wütend vor Schmerzen und setzte mich neben ihn. Etwas unsicher krempelte ich meine zerissene Leinenhose nach oben, was sich als äußerst schmerzhaft herausstellte, da diese schon an der Wunde klebte. Es fiel mir schwer, die Tränen zurückzuhalten. Du bist ein Mann, die weinen nicht, redete ich mir im Stillen immer wieder ein. Schließlich warf der fremde Mann einen Blick auf den langen Schnitt an meinem Unterschenkel. Die Adern um die Verletzung herum bilderen sich deutlich in einem beängstigenden Lila ab, dass sich langsam, aber sicher, ausbreitete. Blut quoll nicht hinaus, es war etwas anderes, eher eine dickflüssige Masse.
Entsetzt schlug ich mir die Hand vor den Mund und unterdrückte ein Würgen. In den Augen des Mannes erschien... moment, das konnte nicht sein. Aber doch: er sah belustigt auf mich herab. Schwein. „Du hast den Dorn einer Mondblüte berührt. Hochgiftige Pflanzen."
Ich sah ihn entsetzt an. „Gibt es ein Gegenmittel? Ich brauche ein Gegenmittel! Ich werde doch nicht etwa sterben oder?"
Er verdrehte die Augen. „Natürlich gibt es ein Gegenmittel", beruhigte er mich, zerstörte diese Ruhe jedoch im nächsten Moment auch schon wieder. „Aber das haben wir nicht mit. Weder einen Arzt, noch Medikamente. Also liegts wohl bei dir, Bürschchen, ob du überlebst."
Die Situation überforderte mich, ganz klar. Es war unverstellbar, dass ich daran sterben könnte. Ich spürte keinen Schmerz, nichtmal das Anzeichen von aufkommender Müdigkeit. Aber ich sah das Gift bereits meinen Körper durchströmen.

Die Stimme des ätzend arroganten Typen, der sich über meinen eventuellen Tod auch noch lustig zu machen schien, riss mich aus meinen Gedanken. „Aber wenn ich mich dir mal so ansehe... Schwacher Körper, wo sind deine Muskeln hin? Hast du sie wie das Holz beim Suchen auf dem Weg verloren oder hat Mamilein dich bis heute noch im Kinderwagen umhergeschoben? Sieh dir doch deine Beine an, da ist ja nix dran."

Ich schnaubte nur und ging nicht weiter auf ihn ein. Das konnte man sich ja nicht anhören. Woher hatte der sein Ego?
Erneut sah ich mit vor Verzweiflung zusammengezogenen Augenbrauen auf mein Bein, bevor ich seuzte.
Ein lautes, schallendes Lachen zog mich aus meinen Gedanken. Hätte ich nicht gewusst, wer der Besitzer war, hätte ich es womöglich als schön bezeichnet. Schön? Was eine Untertreibung! Es klang wie ein wundervolles Lied in meinen Ohren. Ein Lied, von dem ich mich nicht einlullen lassen würde.
Ich ließ meinen Blick von Links nach Rechts wandern, suchte die Lichtung nach dem Grund seines Lachens ab, fand jedoch nichts ungewöhnlich.
„Du -", begann er, musste aber weiterhin lachen und holte japsend Luft. „Du hast mir geglaubt". Erklärte er. Und es dauerte auch nur wenige Sekunden, bis mir dämmerte, was er damit meinte.
„Ich werde nicht daran sterben?", hakte ich nach um mich zu versichern.
„Natürlich nicht! Du wirst für einen oder zwei Tage Fieber kriegen, aber kein hohes. Dachtest du echt das würde dich schon umbringen? Also wenn du jetzt schon Angst hast, wart erstmal ab, bis wir an der Akademie sind."
Und da war es wieder. Sein spöttisches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.
Ich kommentierte das lediglich indem ich die Augen verdrehte. So ein Schwachkopf. Aber ein interessanter Schwachkopf... Was? Nein, nein, nein. Ich durfte nicht vergessen, dass er mich immernoch für einen Bauersjungen hielt. Schnell verdrängte ich den Gedanken in die hinterste Ecke meines Hirns und war nun etwas unschlüssig, ob ich mich freuen sollte, dass er auch mal Lachen konnte oder ob ich verärgert über sein arrogantes Auftreten sein sollte. Ich entschied mich für letzteres, da mir das vielleicht auch half, hier alle auf Abstand zu halten. Ich wollte keine engeren Kontakte schließen, davor war ich nicht hergekommen und die würden mir lediglich mein Vorhaben erschweren.
Also rief ich patzig: „Achso, wir dienen zu deiner Belustigung? Okay, amüsier dich nur. Aber vergiss lieber nicht, dass wir nach unserer Ausbildung einige Ränge über dir stehen werden, Kutscher." Das letzte Wort ließ ich dabei wie ein Schimpfwort klingen. Dass ich gar nicht wirklich vor hatte, einer von ihnen zu werden, musste er ja nicht direkt wissen.
Bemüht, meine hochnäsige Maske aufrecht zu erhalten, drehte ich mich auf dem Absatz um und humpelte zu einem der Wagen, um beim Aufbau eines der für uns bestimmten Zelte zu helfen. Schließlich brauchte ich einen Schlafplatz.

Was ich dabei nicht bedachte hatte war, wie ich nach schätzungsweise zwei Stunden erfuhr, dass es keine Einzelzelte waren. Schon beim Gedanken als einzige Frau mit  fünf weiteren Männern in einem Zelt zu schlafen, breitete sich ein unwohles Gefühl in meiner Magengegend aus.
Das konnte ja eine tolle Nacht werden. -Man beachte den Sarkasmus.

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Einen wunderschönen Abend euch!
-Marie

Dark Love -Die Chroniken der Drachenreiter (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt