Kurzgeschichten - BTS

Pünktlichkeit und Karmafragen - J.Hs

Wörter: 4650
Zeichen: 23.790
Absätze: 78
erstellt: 12.07.2018

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Stürmisch riss ich die Tür des vor mir liegenden Glasraumes auf und brüllte: „Joesonghamnida!" bevor ich mich tief verbeugte.

Als ich meinen Kopf wieder anhob, trafen mich etwa fünfzehn Blicke wie Steine und musterten mich von Kopf bis Fuß. Einige Gestalten mussten kichern und ich war aufs Neue überrascht, in wie viele weibliche Gesichter ich schaute, als ich meinen Blick flüchtig über die Gruppe schweifen ließ. Ohne meinen Tanzlehrer anzusehen huschte ich beschämt in die hintere Reihe und stellte mich neben Marina, die ich am Montag kennen gelernt hatte. Sie gab mir einen ‚schon wieder?'-Blick, bevor sie grinsend die Augen verdrehte. Meh. Peinlich berührt wischte ich mir den Schweiß vom Rennen aus dem Gesicht und gab mir mehrere motivierende Schläge auf die Wange. Heute bekomme ich das hin. Ganz sicher!

Während wir alle auf dem Boden saßen und uns zum Aufwärmen dehnten, riskierte ich einen Blick nach vorne zu meinem rostrothaarigen Workshop Leiter. Mit langsamen Schritten umher bewertete er stumm unsere Körperhaltung, korrigierte aber liebevoll den ein oder anderen schiefen Arm. Wie so ein Militärtypi in nett. Als sich unsere Blicke trafen formten sich seine Lippen wie zu einem Herz und er zwinkerte mir zu, jedoch wandte ich mich sofort ab und vergrub mich in meinem Knie. Machte er sich über mich lustig? Vielleicht wurde ich auch ein bisschen rot...denn er war noch recht jung und sah für einen Asiaten wirklich nicht schlecht aus. Einen durchtrainierten Körper hatte er auch. Leider vergesse ich immer wieder seinen Namen, aber es war irgendwas Koreanisches mit H.

Am Montag war es richtig schlimm: ich war zwar auch da zu spät, aber konnte mich locker nochmal 'ne Stunde an die Wand setzen und mit Kopfhörern im Ohr mein Buch weiterlesen, weil viele ihm Löcher in den Bauch gefragt und Selfies mit ihm gemacht haben. Nicole erzählte mir nur, er sei berühmt. Aber wahrscheinlich war er nur irgendein YouTuber oder Influencer, von dem ich mit meinen vier Jahren mehr auf dem Buckel keine Ahnung hatte. Wobei es mir so vor kam, als hätten alle weiblichen Personen bis Montagfrüh noch nie überhaupt nur einen Mann im Leben gesehen, so belagert wie er wurde.

Wie jeden Tag wärmten wir uns für fast eine ganze Stunde auf und gingen einfache HipHop Schritte zur Übung und Koordination durch, bevor wir uns an die eigentliche Choreografie wagten.

Das Lied hieß „Don't wanna fall in Love" von einem Rapper namens Kyle und irgendwie mochte ich den Track recht gerne. Normalerweise hörte ich eher EDM, Charts oder so Dance Mixes beim Abspülen, aber ich hatte mich in den letzten Tagen ein bisschen mehr mit Hip-Hop beschäftigt, sodass ich es lieben lernte. Bei ihm vorne sah das aber alles so einfach aus mit den ganzen schnellen Tanzschritten, aber ich selbst kam einfach nicht auf einen grünen Zweig. Mir war, als würde ich mit drei Gehirnzellen für vier Gliedmaßen arbeiten, denn ich hinkte der ganzen Choreografie – obwohl ich zu Hause geübt hatte - immer etwa eine Sekunde hinterher – wie im Kanon.

(Yoongi is me, lol)

„Kurze Pause!" Rief der gutaussehende Flummi vor uns mit kratziger Stimme und einem leichten Akzent über unsere Köpfe hinweg. Ich fühlte mich, als wäre ich nach ewigem Luft anhalten endlich aufgetaucht, so fertig mit der Welt war ich. Er umrundete unsere kleine Gruppe, bis er am Kühlschrank hinten im Eck neben mir angekommen war. Normalerweise brummte dieser immer relativ laut, jedoch betäubte die vorige Anstrengung meine Ohren. „Möchte noch jemand ein Wasser?" Fragte er in die Runde und ließ am Ende seinen Blick auf mir ruhen. Ich bemerkte sein Lachen nur im Augenwinkel, aber wahrscheinlich sah ich entweder rot wie eine Tomate oder klinisch tot aus. Euphorisch verteilte er einige Wasserflaschen von JA!, stellte eine zu mir auf den Boden und kippte seine eigene fast in einem Zug runter, während er den Weg, den er gekommen war, wieder zurücklief.