Drehtage und Schnittmomente - J.Jk

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Wörter: 3765
Zeichen: 19.652
Absätze: 93
erstellt: 23.11.2018

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Letzte Woche Montag:

„Nein."

Mit leicht zusammen gekniffenen Augen beobachtete ich, wie das Lächeln aus seinem Gesicht wich. Seine breiten Schultern sackten nach unten und die Hand, in der er die Zigarette hielt, ließ er neben seiner schmalen Taille fallen. Der rauchige Atem über unseren Köpfen vermischte sich mit der frischen Luft und verlor seine Dichte. Ich konnte ehrlich gesagt immer noch nicht glauben, ihn rauchen zu sehen, aber ein Blick auf die Kippe in meiner eigenen Hand holte mich wieder auf den Boden zurück. Bin ja nicht besser.

„Warum nicht?" Hakte er nach, obwohl ich gehofft hatte, er würde es nicht tun. Er sollte es genauso gut wissen, wie ich. „Naja, praktisch gesehen sind wir Arbeitskollegen. Und so lange wir zusammen arbeiten, machen wir das nicht – also nein." Ich hatte das Gefühl, seine tiefschwarzen Kulleraugen würden ein Loch in meine Stirn stechen, so intensiv war sein Blick. Welche Gefühle lagen darin?

„Also ist das dein einziger Grund?"

Kein Plan. War das der einzige Grund? Wahrscheinlich. Während der letzten zwei Wochen hatte ich nicht wirklich etwas Anderes als Arbeit und den erhobenen Zeigefinger vom Produktionsleiter im Kopf. Auch wurden von mir zuvor noch nie so viele Überstunden erwartet und ich glaube, ich hatte meinen Kopf einfach auf Autopilot geschaltet. Meine Beine waren Mus. Mein Gehirn ein einziger Gedankensalat. Lediglich die zwei, drei Zigaretten, die ich mir täglich gönnte, halfen mir, in kleine (Denk-)pausen zu flüchten und auf alles, was sich in den letzten Tagen abspielte, klarzukommen.

Es war fast wahnsinnig, dass er in all diesem Wirbel aus Kameras, Anweisungen und herumkommandierenden Menschen an etwas Anderes als Choreographie, früh aufstehen und Szenenwechsel denken konnte. Ich wusste nicht, ob ich begeistert oder verstört darauf reagieren sollte, aber vielleicht wäre es besser, vor ihm mir erst einmal Zeit für mich selbst nehmen, wenn das hier vorüber ist.

„Momentan ist es sehr stressig", durchbrach ich die Stille, in der er mir erwartungsvoll gegenüber stand. Klar, er ist mir aufgefallen - und Blicke haben wir auch getauscht - aber wir hatten in den Tagen zuvor kaum Worte gewechselt, weshalb ich nicht wirklich wusste, warum er auf die Idee kam, mit mir auszugehen. Was würde er überhaupt mit mir anfangen wollen.

„Dann..." nach einem letzten Zug warf er die Zigarette gleichgültig auf den Boden und gab ihr mit der Unterseite seines Schuhs den Rest, „muss ich ja nur warten, bis wir hier fertig sind."

Der kalte Rauch streifte mein Ohr und ließ mich erstarrt zurück, bevor ich die schwere Brandschutztür neben mir zufallen hörte.


Heute:

Ehe ich mich versah, fiel heute die letzte Klappe. Das letzte „CUT" wurde gerufen und ein letztes Mal verstummte die Musik am Set.

Besiegt vom Stress ließ ich mich in den nächstbesten Stuhl fallen und gab einen lauten Seufzer von mir. Wenn das nicht der anstrengendste Tag in der Geschichte aller Arbeitstage war, dann will ich den Richtigen gar nicht erst erleben. Mit so wenig Kraftaufwand wie möglich wedelte ich nach der nächsten Person in meiner Nähe.

„Hey Mimi...kannst du-" ich verstummte. Diese Augenringe. Ich wollte die Frage gar nicht ausformulieren, denn meiner blonden Kollegin stand die Erschöpfung ebenfalls ins Gesicht geschrieben. „Ist schon gut. Wenn jemand fragt, ich bin tot."

„Richte ich aus", hauchte sie mir entgegen und geisterte seelenlos weiter. Hinter sich schien sie eine kalte, dunkle Spur her zu ziehen.

Die Arme. Mir wurde für nach dem Studium zwar eine Festanstellung angeboten, jedoch weiß ich nicht, ob ich diese Qualen weiterhin auf mich nehmen sollte. In drei Jahren seh' ich sicher aus wie vierzig.

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