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Sie lief. Immer weiter und weiter. Ihre Füße schienen sie beinahe von selbst zu tragen, von dem Moment an, in dem sie zum ersten Mal die Silhouette der Stadt am Horizont erblickt hatte. Der Gedanke an etwas Richtiges zu Essen, andere Menschen und womöglich ein richtiges Bett ließ sie immer schneller werden. Ab dem Augenblick, in dem sie die einzelnen Häuser unterscheiden konnte, rannte sie.
Ihr Gepäck schien mit jedem Schritt leichter zu werden, obwohl es schon lange Zeit nicht mehr allzu schwer war. Anfangs hatte sie so vieles dabeigehabt: ein Buch, Wechselklamotten, eine wiederauffüllbare Flasche, Proviant, einen Schlafsack, etwas Geld und einen kleinen Kuscheltierlöwen, aber das meiste davon war auf ihrem Weg verloren gegangen. Ihre nützliche Flasche hatte ein Loch bekommen, als sie einen Hang heruntergekullert ist, nachdem sie auf dem nassen Gras ausgerutscht war. Proviant und Wechselkleidung waren längst aufgebraucht, nur ein einziges, kleines, vertrocknetes Brot war noch übrig. Das Geld war auch beinahe aufgebraucht, und das Buch, nur ein kleines Heftchen, hatte sie eines Morgens vergessen, nachdem sie es schon zum hundertsten Mal gelesen hatte.
Das einzig Erwähnenswerte, das ihr noch blieb, waren ihr zerfleddertes kleines Kuscheltier und der durchlöcherte Schlafsack, der sie lange nicht mehr warmhielt, aber besser als gar nichts war.
Sie starrte die Stadt an, die ihr immer greifbarer schien. Anfangs hatte sie gedacht, es wäre vielleicht eine Fata Morgana, eine Lichtspiegelung, nichts weiter als ihre Fantasie, die ihr einen fiesen Streich spielte. Aber sie war echt. Echter als das meiste, das sie in letzter Zeit gesehen hatte.
Das Mädchen erreichte das Stadttor und konnte ihr Glück kaum fassen. Sie starrte in die Stadt hinein. Sie war riesig. Eine gewaltige Villa reihte sich neben der nächsten. Aber das, was sie wirklich so faszinierte, war die Architektur an diesem Ort: Rundfenster, deren Ränder aussahen wie aufeinandergestapelte Bücher; gigantische Gärten mit hohen Trauerweiden, unglaublich grünen Wiesen, ungewöhnlich vielen Blumen und kleinen, stumm vor sich hinplätschernden Teichen; Balkone, mit unglaublichen Verzierungen, die aus jeder der Villen ragten, teilweise mit den unglaublichsten Malereien dekoriert.
Sie konnte nicht aufhören zu staunen, während sie tiefer und tiefer in die fremde Stadt hineinlief. Ein Haus sah aus, als wäre es eine Seite aus einem Buch: Jede seiner Wände war mit künstlerischen Buchstaben übersät, die sie nicht entziffern konnte. Zu gerne hätte sie die Geschichte gekannt, die darauf geschrieben war, zu gern hätte sie mehr über diesen Ort gewusst. Nachdem sie einen letzten, resignierten Blick auf diese, für sie ungreifbare, Geschichte geworfen hatte, lief sie weiter. Sie wollte mehr sehen, wollte alles von dieser Stadt sehen, die aus ihren Träumen wahr geworden zu sein schien. Überall um sie herum waren Bücher jeder Art. Überwiegend alte, in Leder gebundene Exemplare, aber auch neuere Taschenbücher. Sie verbargen sich in der gepflasterten Straße, über die sie lief, genauso wie in dem Springbrunnen, der inmitten des Platzes stand, den sie gerade passierte.
Das Mädchen war so fasziniert von alldem, so gefangen in ihrer Betrachtung dieses zauberhaften Ortes, dass sie das seltsamste, aber auch beunruhigendste an diesem Ort lange Zeit nicht bemerkte: Die Stille. Die Leere. Niemand war in dieser Stadt, nicht einmal eine Ameise bahnte sich ihren Weg durch das Buchpflaster der Straßen. Es war eine Geisterstadt.
Sobald ihr diese unheimliche, leblose Stilleerst einmal aufgefallen war, konnte sie sie nicht mehr ausblenden. Drückend lag sie auf der ganzen Stadt und auch auf ihr. Hatte sie noch vor wenigen Minuten noch überhaupt nicht darauf geachtet, wie laut sie war, wurde sie sich plötzlich nur allzu sehr ihres lauten Herzschlages und Atems bewusst. Ihre Schritte hallten wegen ihrer schweren Lederstiefel laut durch die ganze Stadt, verursachten ein Echo, das seine Bahnen durch den ganzen Ort zog.
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Buchzauber
Short StoryHier kommt alles Mögliche rein. Bis jetzt ein paar Kurzgeschichten, Weihnachtsgeschichten, Gedichte... Alles, was ich so schreibe und mit euch teilen möchte. Ich hoffe, es gefällt euch!