Als ich an diesem Abend in den Speisewaggon ging, war mir schlecht. Ich hatte das Gefühl, Peeta nicht mehr anschauen zu können, ohne gleich loszuweinen. Ich hatte mich nochmal umgezogen, trug ein einfaches schwarzes Top und eine schwarze Hose. Denn irgendwie war das ja auch eine Trauerfeier. Die roten Ringe unter meinen Augen verrieten, dass ich den ganzen Nachmittag nichts anderes getan hatte als zu weinen. Wenn ich zuhause geweint hatte, hatten meine Freunde immer versucht, mich wieder aufzuheitern. Aber ich war nicht zuhause und diese Leute waren auch nicht meine Freunde. Deswegen war es mir ziemlich egal.
Ohne ein Wort setzte ich mich an den Tisch, auf dem sich Fleisch, Fisch, Salate und viele andere Beilagen stapelten. Ich nahm etwas Brot, Kartoffelsalat und etwas Schweinefleisch. Ich wollte sofort wieder aufstehen, aber Effie meinte, ich solle noch auf den Nachtisch warten. Also setzte ich mich mit gesenktem Blick wieder. Als ich kurz zu Peeta schaute, sah ich, dass er anscheinend auch geweint hatte. Sein trauriger Blick stach mir in die Seele, aber ich versuchte dieses Gefühl zu verdrängen. Ich mochte Peeta. Und genau da lag das Problem.
Ich aß keinen Bissen Nachtisch, obwohl Effie kurz davor war, mich dazu zu zwingen. Als der Nachtisch auch wieder abgeräumt war, wollte ich ein zweites Mal gehen, aber Haymitch packte mich am Ärmel.
„Lass los!“, fuhr ich ihn an. „Willst du nicht sehen, mit wem du es in den Spielen zu tun bekommst?“, antwortete er ganz ruhig. Anscheinend hatte er das von vorhin schon wieder vergessen. „Die Wiederholung der Ernten läuft.“, meinte Peeta monoton. Also ließ ich mich zwischen Sofalehne und Effie auf der Couch nieder.
Caesar kündigte gerade Distrikt 1 an. Dann schaltete der Bildschirm zu deren Ernte. Auf der Bühne standen ein großes blondes Mädchen namens Glimmer und ein Junge namens Marvel. Beide waren siebzehn. „Karrieros. Tödlich.“, war alles, was Haymitch dazu sagte. In Distrikt 2 waren die diesjährigen Tribute Cato, ein starker blonder Junge und Clove, ein junges Mädchen, fünfzehn. „Beide Karrieros. Cato ist sehr tödlich, aber auch sehr arrogant. Das könnte seine einzige Schwachstelle sein. Und Clove sieht niedlich aus, aber hat dich schneller umgebracht als du denkst.“, erzählte Haymitch. Die restlichen Distrikte waren wie immer wenig spektakulär. Manche Tribute sahen abgemagert und dünn aus, andere hatte vielleicht ganz gute Chancen. Als einzige blieb mir der weibliche Tribut aus 11 im Gedächtnis. Rue. Sie war auch erst 12 und hatte dunkle Haut und dunkle Locken. Man sah, wie sie auf die Bühne kam, und versuchte stark zu wirken. Doch innerlich zerbrach sie. Sie erinnerte mich an... mich.
Und zuletzt kam unsere Ernte. Wie ich, das kleine 12 jährige Mädchen auf die Bühne komme. Erst jetzt sehe ich, dass ich zittere wie bei Eiseskälte und mich die ganze Zeit hektisch umschaue. Peeta wird aufgerufen, und als er auf die Bühne kommt, sehe ich, wie erschrocken und ängstlich er aussieht. Ich werfe vorsichtig einen Blick zu ihm, aber er hat seinen Kopf auf seine Hand gestützt und starrt auf den Bildschirm. Als wieder Ceaser und Claudius Templesmith erscheinen, schaltet Haymitch den Fernseher aus.
„Also gut... habt ihr irgendjemanden in Aussicht? Ich meine, als Verbündete?“, fragt Haymitch. „Denn ihr wisst ja, ohne Verbündete ist es unwahrscheinlich, dass ihr überle-, ähm, wieder zurück kommt.
Er versucht uns zu beruhigen. Mich zu beruhigen. Aber ich weiß doch ganz genau, was er meint.
„Ich will Rue.“, sagte ich. Effie machte einen säuerlichen Gesichtsausdruck und Haymitch murmelte: „Na, das kann ja was werden...“, aber ich sagte nochmal laut. „Ich will Rue.“ Ich glaubte, ihr kann man trauen, sie machte auf mich diesen Eindruck. Und wenn man überlegte: Sie hatte dieselben Voraussetzungen wie ich, war in meinem Alter und bestimmt hatte sie eine Fähigkeit, die ich nicht hatte. Was nicht so schwer sein konnte, denn ich hatte ja keine nützlichen Fähigkeiten.
Haymitch nickte widerwillig, dann schaute er Peeta an. „Und du?“ Peeta schüttelte den Kopf. „Naja, beim Training könnt ihr die anderen Tribute ja anschauen und dann entscheiden, wen ihr wollt. Gut, dann könnt ihr jetzt in eure Abteile gehen. Versucht, so viel wie möglich zu schlafen, morgen wird ein langer Tag!“, erklärte Haymitch. Am Ende klang er fast wie Effie. Die erhob sich jetzt und verließ den Raum, ich stand ebenfalls auf. Als ich mich umdrehte, sagte Peeta etwas zu Haymitch. „Ich weiß doch jemanden, den ich als Verbündeten will.“ Haymitch seufzte. „Ach ja?“ Ich spürte, wie Peeta nickte. „Ja, ich will Prim.“
Ich wollte grade zur Tür hinaus. Als er das sagte blieb ich wie angewurzelt stehen. Ich spürte Haymitchs und Peetas Blick in meinem Rücken.
„Ähm... ich kann nicht.“, sagte ich leise, dann verließ ich den Raum.
In meinem Abteil fühlte ich mich schrecklich, grauenvoll, total miserabel und müde. Ich schlüpfte in einen Schlafanzug, kroch unter die dicke Bettdecke und wollte mich verstecken.
Vor den Albträumen, von denen ich wusste, dass sie mich heute Nacht verfolgen würden.
Ich habe Angst.
Und langsam schlief ich ein.
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Safe&sound *on hold*
FanfictionWas, wenn Katniss sich nicht für Prim gemeldet hätte? Was, wenn Prim in die Hungerspiele müsste? Wie lange würde sie überleben? Würde sie überleben?