9. Kapitel

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Ein bedrücktes Schweigen hing über den Wieslingen, man hörte nur das schnelle Atmen der Überlebenden. Als Tyler nach einer Weile des Schweigens die Tür aufbrach und sie die Bruchbude verließen, hörte man leises Gemurmel. Was war mit Toni passiert? Sie hatten beobachtet, wie er weggeschleppt wurde. Fragen an die fünf Anwesenden wurden abgeblockt. Jeder hing seinen Gedanken nach, jeder blieb für sich allein.

"Sophie!" rief Chris, als er sie im Tumult der Jugendlichen sah. Sie drehte sich um und lief strahlend auf ihn zu doch er wich zurück: "Wo warst du? Ich hab dich gesucht!" Sie musterte ihn verwirrt: "Die meiste Zeit oben bei Tyl-" "Natürlich! Immer er, was? Erst in der Küche und jetzt die Nacht zusammen verbracht! Ist das eigentlich dein Ernst? Erst Toni, dann Tyler. Wer kommt als nächstes? Hast mich wohl ziemlich satt!" Sophie starrte ihn entsetzt an: "Ich hätte letzte Nacht sterben können und das ist dein einziges Problem? Was ist dein Problem? Aber du hast Recht, ich habe dich und deine Eifersucht langsam echt satt! Du bist hier nun mal nicht der einzige Junge, ich verbringe auch Zeit mit anderen, und wenn dich das so stört, dann verbiete es mir doch!" Alle starrten sie an doch Sophie ignorierte es und auch Chris war es vollkommen egal: "Ja? Gut, gerne! Ich verbiete es dir, du bist meine Freundin!" Sie starrte ihn an: "Es ist vorbei! Du willst mich vollkommen verarschen! Du verbietest mir gar nichts!" Sie drehte sich auf der Stelle um und verschwand in Richtung Gärten, Maddy ihr direkt hinterher. Chris schrie wutentbrannt auf und lief in Richtung Wald, ihm folgte keiner, er würde sich erstmal beruhigen müssen. Die Wieslinge tauschten verwirrte Blicke um dann mit gesenkten Köpfen ihrer Arbeit zu folgen.

"Das sind die Karten, je 42 pro Abschnitt. Wir suchen ein Muster, einen Code. Irgendwas, dass uns helfen kann", Jas erklärte den Versammelten das vorgehen. Liam, Nick, Izzy, Tyler, Jacob und Ethan waren mit der Chefin der Sucher im Kartenraum. Die Anwesenden nickten und nahmen sich Karten vor, um sie zu studieren. Es herrschten auch hier keine Unterhaltungen, man hört nur das Rascheln der Blätter und ab und an das Stöhnen der Wieslinge. Es war eine zähe und schier unendliche Arbeit. Nach ein Paar Stunden der Stille legte Jacob seine Karten beiseite und sprach das erste Mal seit Stunden: "Ähm, ihr, ihr wart doch letzte Nach alle dabei? Was... Also, was ist passiert?" Auch Ethan blickte nun gespannt in die Runde doch keiner gab eine direkte Antwort. Erst als Jacob und Ethan nach mehreren Minuten keinen Anschein machten, die Arbeit wieder aufzunehmen antwortete Jas ihnen leise: "Sie... Sie haben T-... Ihn mitgenommen." "Ja, das wissen wir, aber-" Jacob brach seine Frage ab, als Jas, die bis eben nur die Karten angestarrt hatte ihn nun direkt anblickte. Ihr Blick zeugte von tiefer Trauer und verdeutlichte nur zu gut, dass sie nicht mehr sagen würde. Jacob blickte nun zu Nick, doch dieser schüttelte nur schwach den Kopf: "Nicht jetzt, nicht heute." Liam atmete tief aus und nahm wieder seinen Stapel zur Hand, Izzy und Tyler warfen sich einen schmerzerfüllten Blick zu und begannen ebenfalls erneut, sich die verschiedenen Muster anzuschauen.

Es klopfte an der Tür, Sophie betrat den Raum mit zwei Körben in der Hand: "Wir dachten uns schon, dass ihr nicht zum Mittag kommen würdet. Ich hab hier Sandwiches und Obst. Ah, und was zu trinken!" Sie versuchte zu lächeln, doch niemand nahm es ihr wirklich ab. "Danke, ich hätte es ja selbst gemacht-" "Nein, Izzy, alles gut. Das hier ist wichtiger... Also, ich gehe dann mal wieder." Und damit ließ Sophie die Gruppe wieder allein. Liam stand auf, streckte sich und ging dann zur anderen Seite des Raumes, um etwas zu essen. Auf dem Weg, kam er an Ethan vorbei und blickte auf seine Karten: "Ethan, nein! Die sollen doch nach Abschnitten getrennt bleiben!" Er hob einen kleinen Stapel vom Boden auf, und hielt ihn hoch: "Hast du das immer so gemacht? Hier, das ist-" Er schnappte nach Luft. "Was ist denn? Liam?" hakte Nick nach doch Tyler war es, der antwortete: "S" Vier verständnislose Blicke folgten, denn keiner konnte sehen, was die beiden sahen.

Als Liam die acht Abschnitte eines Tages gegen das Licht gehalten hatte, legten sich die Linien des Labyrinthes an einigen Stellen perfekt übereinander, sodass sich ein Buchstabe in der Mitte abbildete. Der Rest der Gruppe versammelte sich hinter Liam und Tyler und gemeinsam starrten sie das "S" an.

"Was steht ihr hier noch rum? Alle machen es genau so. Acht Abschnitte von einem Tag! LOS!" Jas lief zurück zum Tisch und begann alles neu zu sortieren. Die anderen Wieslinge, nun ebenso motiviert, bedienten sich am Essen und begannen dann ebenfalls von neuem.

"Du musst was essen, Jas", Izzy setzte sich neben ihre Freundin und reichte ihre Essen: "Nimm, du brauchst das. Ich hab eine Liste angelegt. Tag und Buchstabe. Ich lege sie auf den Tisch, ja?" Jas nickte zustimmen und aß etwas, doch ihre Konzentration lag bei den Mustern.

Nach anderthalb weiteren Stunden war es soweit, jeder Tag hatte einen Buchstaben.

"Suchen", las Jas.

"Laufen", sagte Liam.

"Kämpfen", folgte Tyler.

"Springen", flüsterte Izzy.

"Tippen", ergänzte Jacob.

"Drücken", schloss Nick.

"Und was soll das uns jetzt sagen?", fragte Ethan. Alle starrten ihn an und seufzten dann resigniert auf. Er hatte recht.

"Vielleicht", überlegte Liam: "Ist es eine Art Anleitung? Wir haben gesucht, wir sind gelaufen." "Möglich", fuhr Jas den Gedankengang fort: "Wahrscheinlich willst du als nächstes in das Loch in der Klippe springen? Aber anscheinend müssen wir vorher noch einen Kampf durchstehen... Und dann 'tippen'? Vielleicht raten? Die eine letzte Antwort?" "Ich denke nicht, ich denke, wir werden einen Code, oder ein Passwort eintippen müssen" korrigierte Izzy und Tyler beendete: "Und dann drücken. Vielleicht ja nur die Tür aufdrücken." Man hörte aus ihren Stimmen die aufkeimende Hoffnung, die diese Wörter ihnen brachte. Sechs simple Wörter, die vielleicht ihr Ticket in die Freiheit bedeuteten.

Es war an der Zeit, den Kartenraum zu verlassen und die Wieslinge zu informieren.

"Hört mal alle her!" Liam betrat den Vorraum der Küche, in welchem die Wieslinge versammelt saßen und aßen. Sofort trat Ruhe ein und alle starrten gespannt die Neuankömmlinge an. "Wir haben in den letzten Stunden die Karten des Labyrinths studiert und tatsächlich das Muster geknackt!", Nick hatte kaum seinen Satz beendet, da brach Jubel aus. Alle Lasten und Sorgen der letzten Tage waren für einen Moment verflogen, als hätte sie nie existiert. "Eigentlich war es Ethan, der den letzten Schritt gemacht hat. Das Labyrinth hat uns folgende Worte buchstabiert: Suchen, Laufen, Kämpfen, Springen, Tippen und Drücken" erklärte Liam, als wieder Ruhe eingekehrt war. Er warf Jas einen Blick zu, die nun ihr weiteres Vorgehen beschrieb: "Wir gaben neun Monate lang gesucht. Jetzt werden wir laufen. Ins Labyrinth! Die Griver werden heute Nacht kommen, kommen wir ihnen zuvor! Wir werden kämpfen und dann aus dem Labyrinth in die Freiheit springen!" Wieder jubelten die Anwesenden. 

"Wo genau, werden wir in die Freiheit springen?" rief Bratt über den Tumult hinweg, der sofort verstummte. "Im Labyrinth befindet sich eine Art Klippe, ihr habt alle schon davon gehört. Gestern haben Jas und ich ein Loch gefunden. Wenn man Steine hinein wirft, verschwinden sie, sie verlassen das Labyrinth und das Labyrinth bestätigt, wir müssen da durch!" Auf Liam Worte folgten zustimmende und freudige Rufe. Alle waren in bester und optimistischer Stimmung.

"Heute Nacht werden wir das Labyrinth verlassen!"

C-21 Der Restbestand || Maze RunnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt