[01# trick or treat]

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„Come to me
In the night hours
I will wait for you
And I can't sleep
'Cause thoughts devour
Thoughts of you consume"

Die helle Nachmittagssonne brach durch die stählernen Wolken und strahlte das auf den Straßen liegende Herbstlaub an. Der frische Wind fuhr durch die vertrockneten Blätter, wirbelte sie auf, warf sie hoch in den grauen Himmel und ließ sie sanft zurückgleiten.

Während die Sonne sich immer noch hinter einer grauen Wand versteckte, hörte man schon das freudige Kinderlachen, was durch die Straßen von Willowcreek hallte. In kuriosen Kostümen zogen sie durch die Straßen und klopften an geschmückten Fassaden an.
Falsche Spinnenweben umhüllten die Häuser der Kleinstadt und überall wo man hinsah, blickte man auf ein Meer aus Kürbissen. Plastikgrabsteine und Skelette dominierten die sonst so gepflegten Vorgärten. Eine in Vorfreude getauchte Atmosphäre waberte wie zäher Nebel durch die Stadt, hinterließ eine verheißungsvolle Erwartung, die am nächsten morgen bereits in der Melancholie der Alltäglichkeit vergessen sein würde.

Für einen Tag im Jahr wurde die Routine durchbrochen und die Menschen unterlagen plöztlich dem Glauben dieser Tag sei besonders, mysteriös und aufregend. Doch bereits in den frühen Morgenstunden würde die Stadt wieder in ihrer natürlichen Homogenität verschwimmen.

Für Foster Wheterby sah alles wie immer aus, als er mit seinem Fahhrad durch die Othis Lane fuhr und das Herbstlaub hinter sich aufwirbelte wie alten Staub. Mit quitschenden Bremsen bog er in die Einfahrt seines Hauses ein und überfuhr dabei auch noch einen kleineren Kürbis, den seine Mutter in der Sorge es wären zu wenige davon in ihrem Vorgarten in der vorherigen Nacht noch geschnitzt hatte.

Schnell stieg er von seinem klapprigen Fahrrad ab und warf es achtlos in das braune mit Laub bedeckte Gras und ignorierte das Krachen, was er dabei verursachte. Mit einem beiläufigen Kick beförderte er die Überreste des ermordeten Gemüses hinter eine weitere Armada von Kürbissen und hielt auf die Veranda zu.

Seine Mutter hatte es dieses Jahr wieder einmal übertrieben, stellte er seufzend fest, als er sich unter einer Furche von Spinnenweben hindurch kämpfen musste, um an die Haustür zu gelangen. Seit dem Tod seines Vater vor drei Jahren hatte sie sich voll und ganz in die Rolle als perfekte Hausfrau, Mutter und Immobilienmaklerin geworfen und dafür hatte er sie immer respektiert. Doch gelegentlich ging sie einen Schritt zu weit. Und den war sie offensichtlich in einen Kostümverhleih gegangen. Denn anstatt seiner Mutter begrüßte ihn in der hellen Küche ein überdimensional großer Marshmallow und wank ihm fröhlich zu.

„Was zur Hölle, Mom?"

Sie ließ den flauschigen weißen Arm sinken und er vermutete, dass sie ihn leicht säuerlich ansah. Er konnte es nicht genau sagen, da ihm nur zwei riesige schwarze Glubschaugen entgegenblickten.

„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht fluchen sollst?"

Foster schnappte sich einen grünen Apfel von der Theke und biss hinein. Immer noch kauend antwortete er: „Genauso lange wie ich nach Verwandten suchen muss die normal sind."

„Da kannst du lange suchen", meinte seine kleine Schwester Mabel, die gerade in die Küche gelaufen kam. Sie ließ beim durchqueren des Raumes ihre dünnen Finger über die kühle Kunsttsoffplatte der Kochinsel streichen und stoppte als sie bei der neuen Packung Cornflakes angelangt war. Lucky Charms. Wie immer.

„Da hast du wohl recht, Schwesterherz." Er strich ihr über die Haare, welche einige Nuancen dunkler waren als seine eigenen und setzte sich auf den Barhocker neben sie. Ein beiläufiges Grinsen huschte über ihre Lippen als sie versuchte die Geste zuerwidern, doch Foster war einen Kopf größer als sie und so ließ sie ihre Hand wieder sinken und widmete sich stattdessen wieder ihren Cornflakes, die sie mit der bloßen Hand in sich hinein schaufelte, ohne das auch nur ein Krümel ihren hungrigen Augen entlang.

Samhain [A HALLOWEEN TALE]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt