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Irgendwann stand ich schließlich auf. Begleitet von Tränen und vereinzelten Schluchzern öffnete ich das rostige Eisentor, das zum Friedhof führte. Der wohl einzige Ort, an dem ich tatsächlich meine Ruhe haben würde.
Die einzigen Geräusche, die zu hören waren, waren das Zwitschern vereinzelter Vögel und mein eigenes Schluchzen. Irgendwie hatte das etwas beruhigendes. Ich kannte den Weg zum Grab meiner Eltern im Schlaf und hatte selbst jetzt, wo ich ziemlich neben der Spur war, war es kein größeres Problem es zu finden.

Wie jedes Mal, wenn ich hier war, hockte ich mich zuerst vor das Grab und zündete die Kerze, die dort stand, mit einer kleinen Flamme aus meinem Zauberstab an. Das Licht flackerte durch den Wind, der auch durch meine Haare fuhr, aber es hielt stand. Für einen Moment beobachtete ich einfach das Spiel von Schatten und Licht, dass die Inschrift des Grabsteines sichtbar werden ließ. Dann stand ich wieder auf und ging zu einer Bank, die in der Nähe stand. Ich fühlte mich einfach nicht danach heute mit meinen Eltern zu reden, sondern brauchte Zeit, um mit mir selbst klar zu kommen.

Jetzt, wo alles um mich herum ruhig war, realisierte ich erst in vollem Ausmaß, was gerade passiert war und, was ich verloren hatte. Obwohl ich anfangs gar nicht die Intention gehabt hatte, die Beziehung wirklich ernst zu nehmen, war genau das in der Zwischenzeit eingetroffen. Ich war zwar nicht immer ehrlich gewesen oder hatte mich von Alec distanziert, wenn mir alles zu viel geworden war, aber ich hatte ihn trotzdem gebraucht und tat es immer noch. Ohne ihn hätte ich das vergangene halbe Jahr sicher nicht überstanden und ich war mir nicht sicher ob ich es in Zukunft schaffen würde. Seine Worte hatte so endgültig geklungen. Ich hatte eine weitere Person die mir wichtig war verloren. Ich war wieder auf mich selbst gestellt.

Zu wissen, dass das, was mir die letzten Monate, eigentlich das gesamte vergangene Jahr, mit am wichtigsten gewesen war, für immer vorbei war, was grauenvoll. Aber noch viel schlimmer war, dass ich niemanden außer mir selbst die Schuld geben konnte. Genau genommen war Alec zwar Derjenige, der die Beziehung beendet hatte, aber er hatte jedes Recht dafür gehabt.

Langsam trockneten meine Tränen. Ich stützte mein Kinn auf die angezogenen Knie und betrachtete den dezent beleuchteten Grabstein. Wie wohl alles gekommen wäre, wenn meine Eltern noch am Leben gewesen wären? Vollkommen anders, da war ich mir sicher. Jedes einzelne Ereignis seit ihrem Todestag ließ sich darauf zurückführen. Ich wäre nie ins Waisenhaus gekommen, ich hätte Lilja nicht kennengelernt, sie hätte mir Alec nicht vorgestellt, ich hätte nie einer Beziehung zugesagt, bloß, weil ich meine Gedanken von Draco wegbekommen wollte, ich wäre überhaupt nie mit Draco zusammengewesen.

Vielleicht wäre ich dann nicht ganz so abhängig von der Aufmerksamkeit anderer. Vielleicht wäre ich ein durchgehend ehrlicher Mensch geblieben, vielleicht würde ich dann nicht jeden verletzen, der mir zu nah kommt. Die Tränen kamen wieder auf, aber diesmal war es wegen viel mehr als nur der Trennung von Alec. Das war nur der Auslöser dafür, dass alles Negative, das ich mit seiner Hilfen verdrängt hatte, auf mich einbrach. Auf einmal war ich wieder alleine mit meinen Problemen, ohne jemanden, der an meiner Seite war und mich so gut wie möglich unterstützte. Niemand, der, nur durch mein Verhalten, erkannte, dass es mir schlecht ging. Niemand, an den ich mich anlehnen konnte, wenn ich mich zu schwach für diese Welt fühlte.

Ich hatte mein Gesicht in meinen Armen vergraben und bekam kaum mit, dass die Dämmerung einbrach. Dafür war ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Ich wusste, dass ich nicht für immer hier sitzen bleiben konnte, aber trotzdem wäre es mir am liebsten. Ich wollte nicht zurück ins Waisenhaus, wo ich so tun musste, als wäre alles in bester Ordnung, ich fand ja nichtmal die Kraft aufzustehen.

Also blieb ich noch eine Weile, völlig in mich gekehrt, sitzen. Ich bekam auch nicht mit, dass sich Schritte näherten. Erst, als sich jemand langsam, und viel zu nahe zu mir auf die Bank gesellte. Mein Kopf schnellte hoch, nur um zu sehen, dass Alec neben mir saß. Sein Anblick brachte mich direkt wieder zum Schluchzen und ich ließ meinen Kopf auf meine Knie sinken.
"Es tut mir leid." Seine Stimme war sanft und ruhig, obwohl ich die Trauer deutlich heraushören konnte. Ihm schien die Trennung wohl ähnlich nahe zu gehen, wie mir, auch, wenn er um einiges gefasster wirkte.

My Destiny in Hogwarts (Draco Malfoy FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt