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Als ich den Eingangsbereich des Waisenhauses betrat, lag dieser still da. Was hatte ich auch erwartet? Draußen herrschte bereits tiefste Dunkelheit. Natürlich lagen alle Kinder schon in ihren Betten. Ich zog meine Schuhe und den Mantel aus, war aber mit den Gedanken gar nicht anwesend. Wären die Handgriffe nicht so routiniert gewesen, wäre ich wohl selbst davon überfordert gewesen.

Ich hatte kaum die erste Treppe hinter mir gelassen, als mir einfiel, dass ich nicht darum herum kommen würde, meiner Schwester gute Nacht zu sagen. Ansonsten würde sie die ganze Nacht wachliegen und irgendwann völlig übermüdet auf der Suche nach mir durchs Haus tapsen. Das hatte ich schonmal gehabt und brauchte es heute wirklich nicht. Aber ich wusste auch nicht, wie ich auch nur ein Wort sagen sollte, ohne, dass sie merken würde, dass etwas nicht okay war. Sie war erstaunlich gut darin das zu bemerken, selbst dann, wenn ich das Gefühl hatte es gut zu verbergen.

Da ich wusste, dass ich nicht drum herum kommen würde, steuerte ich ihr Zimmer an. Mit jedem Schritt wurde mein Herz noch schwerer, denn eine weitere Hürde, die auf mich zukommen würde, fiel mir ein. Ich würde ihr irgendwann beichten müssen, dass ich nicht mehr mit Alec zusammen war. Ihr fröhliches Lächeln, wenn sie uns zusammen gesehen hatte, drängte sich in mein Gedächtnis. Sie hatte ihn wirklich gemocht. Wie sollte ich ihr erklären, dass nichts mehr zwischen uns war? Sie war noch so jung und hatte keine Ahnung, wie kompliziert die Welt doch war.

Vor der Zimmertür hielt ich inne und versuchte diese Gedanken loszuwerden. Zitternd atmete ich ein und wieder aus. Selbst, wenn ich die nächsten zehn Minuten hier stehen würde, würde sich nichts an meinem Zustand ändern, also drückte ich einfach vorsichtig die Klinke hinunter. Im spärlichen Licht, dass aus dem Flur ins Zimmer drang, sah ich Lottie und Bella in ihren Betten liegen. Ihr Atem ging gleichmäßig und ruhig, also hatte Lottie es wohl doch geschafft einzuschlafen. Trotzdem schlich ich an ihr Bett und drückte ihr einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn. Fast sofort öffnete sie schlaftrunken ihre Augen.
"Wo warst du so lange?" Es war schwer sie zu verstehen, da jedes ihrer Worte von Müdigkeit geprägt war.
"Ich erklär's dir morgen." Meine Stimme war nur ein Hauchen, damit sie nicht zitterte.
"Ist alles okay?" Ihre mittlerweile weit geöffneten Augen musterten mich besorgt und ich hatte das Gefühl unter ihrem Blick einzubrechen.
"Es ist alles gut, mein Schatz." Ich schloss sie in meine Arme, damit sie nicht sah, wie ich mit den Tränen kämpfte. "Es ist alles gut.", wiederholte ich, als wollte ich es mir selbst einreden.

"Isabelle..", begann sie, aber ich schüttelte den Kopf.
"Du solltest jetzt schlafen, wir sehen uns morgen beim Frühstück." Ich gab ihr noch einen Kuss an den Haaransatz, dann richtete ich mich auf, um das Zimmer zu verlassen.
"Isabelle..", wiederholte sie noch einmal, als ich schon beinahe bei der Tür angekommen war. Meine erste Intention war es, einfach so zu tun, als hätte ich sie nicht gehört und das Zimmer zu verlassen, aber das konnte ich ihr nicht antun. Also drehte ich mich um, um wenigstens zu hören, was sie sagen wollte.
"Du würdest mich doch nie verlassen, oder?", fragte sie mit plötzlicher Angst in ihrer Stimme, die mich stutzig machte.
"Niemals.", versprach ich ihr leise, ohne wirklich darüber nachdenken zu können und ohne zu wissen, wieso sie das so plötzlich fragte. Eigentlich war ich nur froh, dass sie mich nicht auf etwas anderes angesprochen hatte und ich so einfach davonkam.

In meinem Zimmer angelangt, konnte ich endlich die gesamte Anstrengung, die ich gebraucht hatte, um meine Tränen zurückzuhalten, loslassen. Ich ließ mich zu Boden sinken und vergrub das Gesicht in meinen Händen. Das war also das Ende. Das Ende von etwas, von dem ich nie erwartet hatte, dass es mir so wichtig werden würde. Ich wünschte, es wäre es nie geworden. Ich wünschte, meine Einstellung wäre immer noch die Selbe gewesen, wie in dem Moment, in dem ich der Beziehung zugesagt hatte, einfach als Zeitvertreib und Ablenkung. Aber natürlich war mir das nicht vergönnt. Eine weitere Welle von Schluchzern rollte über mich hinweg und ich gab mich für eine Weile einfach dem zerfressenden Gefühl hin.

My Destiny in Hogwarts (Draco Malfoy FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt