Gedankenleserin

55 6 1
                                    

Wir stehen uns in einer Distanz von ungefähr 5 Metern gegenüber. Sie sieht mich fragend an, während ich sie mustere; ich frage mich warum so viele sagen sie wäre hübsch. Sie ist klein, hat keinen schmalen Körperbau und die Stupsnase und die großen Augen wecken den Eindruck von einem von einem Kleinkind. Da fängt sie an leicht zu nicken, als ob sie meine Gedanken gelesen hätte und ihre Mundwinkel ziehen sich zu einem Lächeln herauf. Normalerweise hätte jeder, auch ich, ihr dieses Lächeln abgekauft; es sah sanft und fast schon schüchtern aus, aber heute beobachtete ich es genauer: es sah fast schon gruselig echt aus. Wie eine perfekte Maske, aber irgendetwas störte das Bild. Ich schaute ihr in die Augen und sie erschrak, als könnte sie meine Gedanken hören. Anscheinend ging sie davon aus ich hätte mich wie alle anderen von ihrem Lächeln täuschen lassen, als hätte ich nur auf das oberflächliche Mundwinkelhochziehen geachtet. Ihre Augen weiten sich geschockt, bis sie sich fängt, ihr Lächeln beendet und meinen Augenkontalt entschlossen hält. Was ich sehe kann man eigentlich nur als verwirrend bezeichnen. Erstmal sehe ich Farben; blau, grau, grün und ein bisschen braun, so als könnten sich ihre Augen nicht auf eine Farbe einigen können, aber das Erschreckendste in ihnen ist das ich keine Emotionen sehen kann. Sie sehen so unglaublich leer aus. Das Lächeln von vorhin verliert nun Endgültig die Bedeutung, ich habe das Gefühl alle ihre Emotionen zu sehen, als ob ich tief in ihre Seele schauen könnte. Ich sehe Narben. Ich sehe Schwäche. Ich sehe ihre Geschichte. Und Tränen, ihre Augen füllen sich mit Tränen, lautlos laufen sie über ihre Wangen.

Jetzt schauen mich die Leute um mich herum seltsam an, aber ich kann es verstehen: Wer fängt schon an zu weinen wenn man sein Spiegelbild sieht?


Und mein Name war...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt