Kapitel 3

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Lissy rannte ohne zu wissen wohin ihre Füße sie trugen. Sie rannte einfach weiter. Tränen liefen über ihre Wangen. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was eben passiert war, also rannte sie. Als sie irgendwann anhielt, weil sie Seitenstechen hatte und keine Luft mehr bekam, stand sie im Wäldchen hinter dem Garten, direkt vor dem Zaun. Schwer atmend ließ sie sich auf den Boden fallen und lehnte sich gegen einen Baumstumpf. Sie konnte nicht mehr weiterrennen. Also musste sie wohl doch nachdenken.
Wie hatte ihr so etwas nur passieren können? Wegen ihr waren ihre Mitschüler verletzt. Sogar Sophia. Lissy hoffte, dass ihre Klassenkameraden bald wieder sehen könnten. Aber selbst wenn, würde ihre beste Freundin ihr verzeihen? Lissy fragte sich, wie sie nur ohne ihre beste Freundin auf dieser Schule klarkommen sollte. Vielleicht würde Frau Gelbstein sie auch einfach von der Schule verweisen. Und Lissy hätte es verdient.
Sie wusste nicht, wie lange sie einfach nur dasaß und weinte. Vielleicht waren es nur Minuten gewesen, vielleicht aber auch Stunden.

Als Lissy keine Tränen mehr übrig hatte, wurde sie wütend. Auf Dea, auf sich selbst... Eigentlich war sie wütend auf die ganze Welt. Sie sprang auf und trat gegen den Baumstumpf, gegen den sie sich zuvor gelehnt hatte. Das tote Holz zersplitterte. Lissy trat nochmal zu. Passend zu ihrer Stimmung zogen dunkle Gewitterwolken über den Himmel. Lissy schrie wütend auf. In diesem Moment hasste sie sich selbst. Ein violetter Blitz zuckte über den Himmel, gleichzeitig ertönte ein lautes Donnern. Wenn Lissy Pech hatte, würde es bald anfangen zu regnen. Aber das war ihr egal. Ehrlich gesagt war es sogar gut, dass es  gewitterte, denn der Donner übertönte ihre wütenden Schreie. Das Gewitter stand im Moment genau über ihr. Irgendwie kam es ihr so vor, als würde das Gewitter ihrer Wut Ausdruck verleihen.
Lissy trat ein drittes Mal gegen den Baumstumpf. Es war nicht fair! Eigentlich war das alles Deas Schuld! Hätte Dea sie nicht so wütend gemacht, wäre auch niemanden etwas passiert! Es blitzte und donnerte erneut. Ein heftiger Regen setzte ein. Hätte Lissy sich besser kontrollieren können, wäre auch niemanden etwas passiert. Frustriert ließ Lissy sich wieder gegen den nun ziemlich mitgenommenen  Baumstumpf sinken. Sie versuchte sich zu beruhigen und atmete langsam ein und aus. Vielleicht war es ja doch nicht so schlimm wie Lissy befürchtete. Vielleicht konnten alle ihre Klassenkameraden schon längst wieder sehen. Aber Lissy konnte sich nicht dazu durchringen zum Schulgebäude zurückzulaufen und es herauszufinden. Also blieb sie einfach sitzen.

Irgendwann hörte es auf zu regnen. Lissy war zwar vollkommen durchnässt, aber das machte ihr nichts aus. Nach dem, was heute im Unterricht passiert war, war ihr ein bisschen Regen auch egal. Sie wollte nur, dass alles wieder so wurde wie vorher. Aber dieser Wunsch würde natürlich niemals in Erfüllung gehen.
Plötzlich bekam Lissy ein seltsames Gefühl. So als würde jemand sie beobachten. Nervös sah sie sich um. Sie konnte niemanden in ihrer Nähe entdecken. Aber trotzdem war da dieses komische Gefühl. Erst jetzt wurde Lissy bewusst wie nah sie sich am Dunkelwald befand. Sie schauderte. Eigentlich kam sie ja oft hierher um alleine zu sein und normalerweise hatte sie auch keine Angst. Schließlich lagen zwischen ihr und dem Dunkelwald noch zwei hohe Zäune. Aber heute, mit diesem Gefühl beobachtet zu werden, war es irgendwie anders. Lissy seufzte. Das bildete sie sich  bestimmt nur ein. Heute war einfach zu viel passiert...
Plötzlich hörte sie ein rascheln. Und das kam nicht aus dem Dunkelwald oder von der Wiese zwischen den beiden Zäunen, sondern von ihrer Seite des Zauns. Ängstlich schaute Lissy sich um. Das seltsame Gefühl war wohl doch keine Einbildung gewesen. Nur ein paar Meter neben ihr wackelte ein Graublattstrauch verdächtig. Lissy wich zurück bis sie mit dem Rücken gegen einen Baum stieß. Lissy hatte Panik. Der Strauch wackelte erneut. Lissy kniff ängstlich die Augen zusammen. Das war bestimmt ein Monster aus dem Dunkelwald! Jetzt hörte sie, wie etwas auf sie zukam. Kurz vor ihr hielt es an. Aber es passierte gar nichts. Also machte Lissy ihre Augen zögerlich wieder auf. Vor ihr stand... Ein Flauschling?! Im Ernst? Lissy lachte laut los. Sie hatte sich vor einem Flauschling gefürchtet? Wieso war sie überhaupt so ängstlich gewesen? So war sie doch sonst nicht. Lissy bückte sich und streichelte den Flauschling. Wie war der überhaupt hier her gekommen? Naja, eigentlich war das ja egal. Aber dass sie diesen Flauschling für ein Ungeheuer gehalten hatte... Im Nachhinein war es einfach nur komisch. Lissy musste lächeln. Doch beim Gedanken daran, was im Magieunterricht passiert war verblasste ihr Lächeln wieder. Selbst wenn der Klasse nichts passiert war, konnte sie immernoch von der Schule verwiesen werden. Aber sie konnte sich ja nicht ewig hier verstecken. Sie machte sich auf den Rückweg zum Schulgebäude. Vielleicht war ja alles nur halb so schlimm...

Die orange-roten Augen, die ihr aus dem Dunkelwald heraus hinterherblickten, bemerkte sie nicht.

Hey Leute,
tut mir leid, dass dieses Kapitel so kurz war, ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen. Danke fürs Lesen!

Der DunkelwaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt