Kapitel 5

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Als Lissy in den Garten zurückkam, war Sophia immernoch dort. Sie hatte die ganze Zeit über auf Lissy gewartet. Lissy erzählte ihrer besten Freundin von ihrem Gespräch mit Frau Gelbstein, aber sowohl den Teil mit Dea als auch den seltsamen Schatten, den sie sich wahrscheinlich sowieso nur eingebildet hatte, ließ sie bei ihrem Bericht aus. Sophia freute sich, dass ihre Freundin keine Strafe bekommen hatte, beinahe noch mehr als Lissy.
„Ich weiß schon, was wir heute noch machen“, sagte Sophia grinsend. „Was denn?“, wollte Lissy wissen. Sie hatte keine Ahnung was Sophia meinte. „Ach Lissy, hast du das etwa schon vergessen? Wir wollten doch heute nach Sonneck gehen. Du hast es sogar selber vorgeschlagen.“ Ach das meinte sie. „Man kann sich doch nicht immer alles merken“, verteidigte Lissy sich.

Auf dem Weg nach Sonneck liefen sie an einigen Flauschlingsweiden vorbei. Jetzt war der Nachmittagsunterricht für alle Schüler vorbei und entsprechend viele Schüler befanden sich auf der Straße.
In Sonneck angekommen kaufte Lissy sich die neue Schreibfeder, wegen der sie nach Sonneck gekommen war. Danach wollte sie eigentlich wieder gehen, aber Sophia bestand darauf vorher noch im Café Himmelskuchen essen zu gehen. Lissy konnte ihr diesen Wunsch aus zwei Gründen nicht abschlagen, erstens weil Sophia ihre beste Freundin war und sie ihr sowieso nichts abschlagen konnte, zweitens weil der Kuchen im Café so lecker war. Es gab ausschließlich blaue Kuchen und Torten. Und die schmeckten wirklich himmlisch.

Im Café bestellte Lissy sich eine blaue Buttercremetorte und einen blauen Kakao. Obwohl Sophia sehr viel länger überlegte als Lissy bestellte sie am Ende das Gleiche.
Als der Kuchen da war, stürzte Lissy ihr Stück sofort herunter und klaute danach noch die Reste von Sophia. „Hey!“, beschwerte sich diese, „Das ist mein Kuchen“ Das stimmte so nicht ganz, also musste Lissy sie natürlich sofort verbessern: „Das war dein Kuchen. Jetzt ist es meiner.“ „Wenn du so viel essen willst kauf dir doch einfach zwei Stücke und lass meinen Kuchen in Frieden.“ „So viel Geld habe ich nicht.“ Sophia schüttelte nur resigniert den Kopf. Aus irgendeinem Grund tat sie das in letzter Zeit ziemlich oft, Lissy wusste auch nicht wieso.

Auch wenn der Kuchen schon längst aufgegessen war, blieben die Mädchen noch lange im Café sitzen und redeten und lachten.
Heute war zwar viel passiert, aber am Ende war ja alles gut gegangen und Lissy hatte die beste Freundin, die man sich vorstellen konnte.

Als sie schließlich zurück beim Internat waren, dämmerte es bereits. Man merkte, dass der Sommer bald zu Ende war.
„Sollen wir auf unser Zimmer gehen?“, fragte Sophia. Lissy zögerte kurz. „Nein“, sagte sie dann. Sie musste jetzt einfach mal ein bisschen allein sein und nachdenken. „Ich werde noch kurz in den Garten gehen.“ Sophia guckte sie streng an. „Aber sei in einer Stunde zum Abendessen wieder da. Wenn du dann immer noch nicht zurück bist, komme ich dich suchen. Du glaubst gar nicht wie viele Sorgen ich mir gemacht habe, als du heute Mittag verschwunden warst.“ Lissy nickte schuldbewusst. Im Nachhinein kam ihr ihr Verhalten wirklich kindisch vor. Aber da hatte sie auch noch nicht gewusst, dass niemandem etwas passiert war.

Der Garten war wie immer wunderschön. Die Blüten begannen langsam sich zu schließen. Die Feuerelfen leuchteten im Dämmerlicht wie Glühwürmchen.
Aber in diesem Teil des Gartens konnte Lissy nicht allein sein und in Ruhe nachdenken. Einige Schüler befanden sich noch im Garten und redeten.
Also ging Lissy weiter nach hinten in das kleine Wäldchen.  Sie lief zu der selben Stelle, wo sie auch schon heute Mittag gewesen war.

Dort, wo Lissy gegen den Baumstumpf getreten hatte, war Holz abgesplittert. Sie seufzte. Sie hatte sich wirklich zu sehr aufgeregt. Und auch schon als Dea sie im Unterricht provoziert hatte, hatte Lissy total überreagiert. Sie sollte sich morgen einfach einen ruhigen Tag machen. Sie war viel zu leicht reizbar.
Die nächsten Minuten verbrachte Lissy damit einfach an nichts zu denken und den Sonnenuntergang zu betrachten.

Das tat sie solange, bis sich plötzlich von hinten eine Hand über ihren Mund legte. Dann ging alles ganz schnell. Lissy versuchte die Hand wegzuschlagen, aber sie war zu schwach. Sie hätte ja gerne um Hilfe geschrien, aber das ging ziemlich schlecht, wenn ihr gerade der Mund zugehalten wurde.
Lissy war sich sicher, dass die Person hinter ihr kein Schüler war, der ihr einen Streich spielen wollte, da die meisten Schüler sich in diesem Teil des Gartens nicht freiwillig aufhielten. Aber wer dann? Sicherlich niemand, der ihr freundlich gesinnt war.
Lissy schlug und trat um sich, langsam wurde sie panisch.
Da sprach die Person hinter ihr: „ Ich werde dich jetzt loslassen, aber schrei nicht!“ Lissy erkannte die Stimme nicht, aber es war eindeutig eine männliche Stimme.
Tatsächlich wurde die Hand weggenommen. Aber natürlich tat Lissy ihm nicht den Gefallen leise zu sein, sie war ja nicht dumm. Sie holte Luft um zu schreien, aber vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen. Denn sobald sie anfing zu schreien, spürte sie einen harten Schlag gegen den Kopf. Das letzte, was sie sah, bevor sie das Bewusstsein verlor, waren orange-rote Augen.

Der DunkelwaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt