Die Lösung

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Mit einem Schlag war ich wieder hellwach und spürte einen schalen Nachgeschmack in meiner Kehle. Als ich versuchte, ihn herunterzuschlucken, bemerkte ich jedoch, dass er von einem Knebel kam, den man mir tief in den Mund gestopft hatte, und dass mein ganzer Körper gefesselt war! Die Hände hatte man mir auf den Rücken gebunden, die Füße an den Knöcheln aneinander und so straff, dass ich sie erst keinen Millimeter von der Stelle bewegen konnte. Sofort setzte meine Panik wieder ein, ich versuchte zu schreien und um mich zu schlagen, aber neben kläglichem Gezappel ohne nennenswerte Erfolge verließ nur ein dumpfer Ton meinen Körper, so leise, dass niemand in der Nähe ihn je hätte hören können. Nur einer war jetzt wieder auf mich aufmerksam geworden: "Ardy! Ardy, hör zu, das mag jetzt total seltsam erscheinen, aber du musst unbedingt ruhig bleiben und mir zuhören, verstehst du?!"

Diese Stimme...! Ich schrie lauter, zappelte aus Leibeskräften und drohte vor Panik durchzudrehen, als Herr Tjarks sich plötzlich in mein Blickfeld schob und mit seinen Händen vor mir gestikulierte. Ich verstand gar nicht, was er mir nebenbei zu erklären versuchte. Es war eh unwichtig! Gleich würde er mich umbringen! Er spielte nur noch mit mir, bevor er es tat! Ich hatte verloren! Ich hatte verloren und hatte Angst vor den Schmerzen, die folgen würden, sobald er sich an mir zu schaffen machte. Meine abgedämpften Schreie wurden tatsächlich lauter. "Ardy, hey, ganz ruhig! Es ist alles gut! Ich tu dir nichts, aber du musst aufhören zu schreien, sonst werden sie uns hören! Ardy, bitte! Du musst mir vertrauen!"

Ich hörte nicht zu. Ich schrie weiter. Irgendjemand musste mich doch außer meinem Entführer noch hören können! Egal wer! Ich brauchte Hilfe!! Glänzende Perlen erschienen in meinen Augenwinkeln und ich musste mein Rufen immer wieder kurz für Schluchzer unterbrechen. Warum musste es sich jetzt so grausig lange hinauszögern...? Wie lange wollte der Typ mich bitte noch foltern?! "Ardy, bitte! Bitte hör auf! Was soll ich tun? Ardy...! Ardy, du musst mir zuhören, bitte!"

Kurz schaffte er es tatsächlich, mich zum Stillschweigen zu bringen. Ich blinzelte. Täuschte ich mich...? Oder waren das da auch Tränen in seinen hellblauen Augen...?

"Bitte vertrau mir...! Wir sind hier nicht sicher! Ich kann dir helfen! Ich kann dir helfen und dir wird nichts passieren, aber dafür musst du versprechen, ganz leise zu sein! Die suchen noch nach uns!"

W-was...? Endlich drang das, was der Typ sagte auch zu mir durch, aber meine Furcht war stärker als das Vertrauen in seine Worte! Also schrie ich aus Leibeskräften weiter. Er wollte mich immer noch umbringen! Und damit niemand uns hörte, wollte er mich austricksen! Nein, wenn ich schon drauf ging, dann sollte uns wenigstens jemand finden, der die Polizei rufen und helfen konnte! Umso geschockter war ich, als Herr Tjarks plötzlich schluchzte und mir um den Hals fiel. Mein Herz setzte mehrere Takte aus. Was jetzt...? Hatte er ein Messer bei sich...? Würde es schnell gehen? "Es tut mir so leid Ardy, dass ich dir so viel Angst gemacht habe, aber es ging nicht anders! Sie waren mir auf den Fersen und wenn ich dich anders kontaktiert hätte, dann hätten sie dich mitgenommen! Wir hätten niemals hierher kommen sollen, sie sind uns einfach gefolgt und... und...!" Er schniefte laut und begann zu zittern. "Ich weiß, du hast dein Gedächtnis verloren, aber bitte glaube mir wenn ich dir sage, dass ich nicht derjenige bin, der dir wehtun möchte! Ich will dir helfen! Bitte Ardy, lass mich dir helfen! Ich binde die Fesseln auf wenn du mir versprichst, dass du nicht vor mir wegläufst und mir zuhörst, ja? Ich will dich nicht so leiden sehen...!"

Ich war völlig regungslos. Was sollte das...? Was war los mit ihm? Und das, was er mir so bruchstückhaft zu erklären versuchte, machte absolut keinen Sinn! W-wie sollte ich darauf reagieren? Weiter schreien? Oder... Diesem Verrückten wirklich zuhören?

Er wertete mein Schweigen wohl als Zustimmung, denn er machte sich sofort daran, mir den ekligen Knebel aus dem Mund zu ziehen. Verblüfft ließ ich ihn machen. Seine Wangen waren wie ich richtig gesehen hatte tatsächlich tränenüberströmt und trotzdem machte er sich zuerst daran, vorsichtig mit seinen Daumen meine trocken zu wischen und mich anschließend erneut zu umarmen. Ich schwieg noch immer, zu geschockt um irgendetwas zu sagen oder zu tun. Würde er mich wirklich wieder losbinden, wenn ich nur leise war? Ein kleiner Teil in mir empfand es mittlerweile als glaubwürdig, nachdem er mich trotz reichlicher Möglichkeiten noch nicht einmal verletzt hatte... Währenddessen schluchzte mein Entführer noch immer und stammelte sein wirres Zeug: "Als wir getrennt wurden vor einem Jahr, da hatte ich gedacht, dass ich dich nie wiedersehen würde! Irgendetwas war schief gelaufen, aber ich habe dich immer weiter gesucht und gehofft, dass du das gleiche tust! I-ich konnte ja nicht wissen, dass du wirklich alles vergisst!"

Never Forget (#Tardy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt