01; insomnia

110 9 0
                                    

Chan

[November 2016]

Es war wieder einmal der Traum, der ihn aus einem unruhigen Schlaf aufweckte.
Als er sich aufrichtete - das Haar an der feuchten Stirn klebend und die Bettlaken wild um seine Hüften kräuselnd - atmete er tief ein und aus, Blick durch den dunklen Raum schweifend auf der Suche nach etwas.

"Schon wieder?"

Er schreckte leicht auf als eine körperlose Stimme zu ihm sprach, der Puls immernoch rasend in seinen Ohrmuscheln hallend. Dann wurde ein Licht angeknipst und ein Gesicht eingerahmt von einem dunklen Haarschopf beugte sich vom oberen Bett zu ihm herunter.
"Ja", antwortete Chan außer Atem, peinlich berührt angesichts der Tatsache, dass es nun schon das zweite Mal in der Woche war, dass er einen der Jungs mit seinen lauten Eskapaden aus dem Schlaf gerissen hatte. Er führte eine Hand zu seinem Gesicht, wischte mit seiner verschwitzten Handinnenfläche über Augen und Wangen. Die Stellen, an denen er seine Haut berührte, glühten. "Tut mir leid. Ich wollte dich nicht wecken."

"Das ist schon das fünfte Mal diesen Monat."

"Ich weiß."

"Langsam mache ich mir Sorgen um dich."
Dies war das erste Mal, dass Changbin - geschweige denn überhaupt einer seiner engen Freunde - seine Sorge offenkundig mitteilte.

Chan seufzte und schloss seine Augen. Natürlich war ihm bewusst, dass sein Zustand jedem eine Last war, insbesondere seinen Zimmergenossen, die sich letztendlich mit dem Schlafmangel abfinden mussten. Gewaltige Schuldgefühle brodelten in seinem Innersten, die Ratlosigkeit sich in seinem Verstand manifestierend. Auch er war verwirrt und sichtlich verängstigt. Aber was sollte er nur machen? Immerhin war dies etwas, über das er keinerlei Macht verfügte.
"Tut mir leid", wiederholte er erneut und von Oben hörte er ein Rascheln gefolgt von dem Knarzen des Bettgestells. "Ich weiß auch nicht, wieso mir das passiert."

Chan spürte, wie die Matratze neben ihm einsank und blickte auf; Changbin hatte es sich nun dort neben ihm bequem gemacht, das Gesicht geprägt von einer intensiven Besorgnis, die mit einer Müdigkeit verschmolz. "Was hast du denn gesehen?"
Chan plusterte die Backen, tief ausatmend und mit jeder Sekunde die Erschöpfung verlierend, die er noch gespürt hatte als er erwacht war. Wo sollte er bloß anfangen?
Seine Kehle fühlte sich wie ausgetrocknet an und er verspürte das Bedürfnis nach etwas Wasser.

"Es ist als würde mich jemand - oder etwas - verfolgen, ich weiß auch nicht...", erklärte er. Wenige Sekunden zuvor waren die Bilder noch so klar gewesen und jetzt war es so, als würden sie immer unschärfer werden, bis die Konturen letztendlich ganz in Schall und Rauch verdampften. "...Es wollte mich partout nicht loslassen, es war als wollte es mich umbringen und ich könnte nichts dagegen machen. Du und Jisung waren auch da und..."
Er fuhr sich aufgebracht mit den Fingern durch das Haar, zog daran, um seine Nerven zu beruhigen.
"Es ist als wollte mir der Traum etwas sagen... aber wie kann das sein? Es ist doch alles nicht echt. Ich weiß auch nicht... es fühlte sich nur alles so real an."

Für einen Augenblick wurden zwischen den beiden keine weiteren Worte ausgetauscht. Bloß Chans schweres Atmen und die beruhigenden Kreise auf seinem Oberarm, die Changbin mit seinem Daumen zog, waren es, die den Moment erfüllten. Chan fühlte sich bloßgestellt und erniedrigt anhand der Tatsache, dass er seinem engsten Freund gerade von seinen Spinnereien erzählte. Chan war immer ein offener Mensch gewesen, doch gab es auch Sachen, die er gerne für sich behielt - dies jedenfalls gerne wollte. Und der Fakt, dass er sich einbildete, dass seine Träumereien Wirklichkeit wären, sich diese jedenfalls als diese anfühlten, ließ ihn an seiner Vernunft zweifeln.

The Kids Of Olympus | Stray KidsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt