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Felix

[März 2006]

"Du hast sie getötet!"

"Hab' ich nicht! Sie bewegt sich noch, siehst du?"

"Da bewegt sich gar nichts. Sie ist tot, Felix."

Die Lippen des Jungen verzogen sich zu einem tiefen Schmollmund, Arme sich um die kurzen Beine schlängelnd während ihn sein Freund von Oben hinunter anstarrte.
"Das war nicht mit Absicht...", meinte der Sechsjährige, mit dem Zeigefinger vorsichtig an der regungslosen Biene herumstochernd, so als würde ihr so auf magische Weise wieder Leben eingehaucht werden. Langsam spürte Felix, wie sich seine Augenwinkel mit Tränen füllten. Sein Brustkorb fühlte sich plötzlich so ungewohnt schwer an, als würde ihn dieser harmlose Verlust von innen heraus auffressen und ihn völlig übermannen.

Felix und Eric hatten bereits seit Stunden probiert eine Ablenkung für den unbeschreiblich warmen Sommernachmittag zu finden, der die ganze Nachbarschaft zu Grillparties mit den Verwandten und Dauersonnenbädern verleitet hatte. Doch wenn man ein junges Kind war, schien die gesamte Situation bloß wie eine Tragödie. Eine Wasserbombenschlacht im Garten von Felix' Familie schien da eine hervorragende Lösung von Erics Seite, die von beiden breit belächelt wurde und sogleich in freudiger Ekstase verwirklicht wurde. So vergnügten sich die beiden für mehrere Stunden bis Felix plötzlich merkte, wie etwas unter seinen nackten Füßen brach, als sei er auf einen kleinen Ast gestiegen.

"Fängst du gleich an zu weinen?", kam es dann plötzlich von seinem Kumpel, welcher sich über ihn beugte, um sein errötetes Gesicht genauer unter die Lupe nehmen zu können.

Felix, welcher jedoch nicht auf die Fragen seines engsten Freundes auferlegt war, schubste ihn mit der einen Hand ein Stück beiseite, mit dem anderen bekleideten Arm wischte er sich hektisch über die Augen.
"Tu' ich nicht", gab er bissig zurück und erhob sich von dem staubigen Boden. "Lass mich in Ruhe."

Diese rührende reflexartige Reaktion auf - für Andere - unwichtige Dinge war etwas, mit dem Felix oft zu kämpfen hatte. Seine Klassenlehrerin beschrieb ihn bei den Elternabenden gerne als "Hochsensiblen", mit welchem man feinfühlig umgehen sollte; sei es, dass ein Mitschüler ihm den Stift wegnahm, seine Mutter vergaß ihm zum Abschied einen kleinen Kuss zu geben oder auch, dass er eine Folge seines Lieblings-Trickfilms verpasst hatte - alles endete damit, dass Felix zum Schluss schmollend und verletzt in der Ecke saß, bis ihn jemand versuchte zu beruhigen. Seit Felix denken konnte nahm er sich die Dinge immer sehr zu Herzen, war stets feinfühlig.

"Hey, es ist nur ein Insekt. Kein Grund deswegen zu weinen. Mir ist sowas auch schon oft passiert", sagte Eric schließlich sanft, merkend, dass sein bester Freund mal wieder besonders verletzlich war. "Wenn du willst, helfe ich dir sie zu begraben."

"Ich weiß nicht-"

"Doch, das machen wir", Eric blieb standhaft, denn er wusste, dass es Felix in diesem Moment besonders glücklich machen würde, auch wenn er so tat, als sei es ihm egal oder gar eine schlechte Idee, bloß um vor ihm nicht schwach zu wirken und sich lächerlich zu machen. Eric und Felix kannten sich bereits seit der Vorschule, waren seitdem kaum zu trennen. Beste Freunde wie sie im Buche standen. "Komm, wir machen es hier. Siehst du?"
Der junge Erstklässker begann damit, einige von der prallen Sonne vertrockneten Grashalme auszurupfen und sie wie ein Nest neben einen größeren Stein zu drapieren. "Da, leg sie da drauf."

Zögernd bewegte sich Felix langsam, seine Brust immer mehr mit einer Wärme füllend, für die er seinem besten Freund sehr dankbar war. Er wusste selbst nicht genau, wieso ihn der Tod einer Biene, eines Insekts plötzlich so aus dem Konzept brachte - als er beim Abendessen alles seiner Mutter erzählte, schob sie es auf die Scheidung, welche erst einige Wochen zuvor komplett abgewickelt wurde - doch es war ein Impuls, über den er keinerlei Kontrolle hatte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 07, 2019 ⏰

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