02; broken compass

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Kleine Triggerwarnung: Dieses Kapitel beinhaltet einige sensible Themen wie u.a. häusliche Gewalt und Suizid (keine detaillierten Beschreibungen!). Wir wollen niemandem schaden.

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Jisung

[Oktober 2011]

Jisung war 11 Jahre alt, als er zum ersten Mal sein neues Zuhause betrat.

"Und hier ist dein Zimmer", die Frau, die ihm zu jenem Raum geführt hatte, drückte behutsam die Türklinke herunter und spähte in das Zimmer hinein. Neugierig, aber dennoch zurückhaltend im Türrahmen stehend, beäugte Jisung die kühlen, weißen Wände, sowie die beiden Etagenbetten, ebenfalls von weißer Bettwäsche bedeckt. Auf einem der oberen Betten entdeckte er zwei Gestalten, die gegenüber voneinander hockten und irgendetwas taten - womöglich spielten sie Karten oder so etwas, dachte Jisung.

"Chan, Changbin, ich hab euch wen mitgebracht", sprach die Frau, woraufhin die zwei Jungs von ihrem Spiel aufschauten. Ihre Blicke fielen direkt auf Jisung, welcher fast schon reflexartig einen Schritt zurück trat und zu Boden blickte. "Das ist Jisung. Er wird bei euch im Zimmer schlafen."

Aus dem Augenwinkel bekam er mit, wie einer der beiden heruntergeklettert kam, während die Frau sich gleichzeitig von ihm entfernte - nun war er auf sich gestellt.

Mit jedem Schritt, den der fremde Junge ihm näher kam, zog Jisung seine Ärmel weiter über seine Hände, senkte den Kopf tiefer, sodass seine Haare sein Gesicht verdeckten, und spürte immer mehr und mehr, wie sich die Unsicherheit in seinem Inneren ausbreitete wie Milch im Kaffee. Er hatte Angst - Angst davor, dass er die Narben, blauen Flecken und Blutergüsse auf seinem zierlichen Körper erspähen würde.

"Hey... Jisung...?"

Zörgernd, als würde er bei dem Anblick gleich erblinden, linste Jisung - stets mit gesenktem Kopf - durch seinen Pony und machte ein fragendes, schiefgelegtes Gesicht aus. Es wirkte so aufrichtig und vertrauenswürdig, dass der Neuankömmling es wagte, langsam ebenfalls seinen Kopf anzuheben, um den braunhaarigen Jungen besser betrachten zu können. Hinter ihm schien die Sonne durch ein großes Fenster hinein und ließ ihn wie einen Engel höchstpersönlich erscheinen.

Ein ermutigendes Lächeln, so rein wie das Wasser des Poseidon selbst, offenbarte die kleinen Grübchen auf dem Gesicht seines Gegenübers. "Ich heiße Chan!", seine Hand flog grüßend in die Luft.

Wie vom Blitz getroffen zuckte Jisung plötzlich zurück, stolperte zwei Schritte nach hinten und hob schützend die Arme, das Gesicht weggedreht, die Augen zusammengekniffen - sein ängstlich bebender Herzschlag war das einzige, das ihn in diesem Moment erfüllte.

Sekunden der Stille vergingen, in denen sich kaum einer rührte, bis Jisung schließlich realisierte, dass der erwartete Schlag nicht kommen würde.

"Spinner", hörte er eine andere Stimme - vermutlich die des anderen Jungen - sagen.

Zögerlich öffnete Jisung seine Augen wieder. Na super, dachte er, jetzt denken die, ich sei völlig bescheuert.

"Man Changbin, sei doch nicht so!", erwiderte Chan eingeschnappt.

Daraufhin ließ Jisung seine Arme wieder sinken und blickte nach wie vor unsicher drein.

"Hör nicht auf den", wandte Chan sich an den schüchternen Jungen. "Keine Angst, wir tun dir nicht weh", lächelte er erneut mit einer Unschuld und einem Optimismus, der Jisung überzeugte. Er fasste seinen ganzen Mut zusammen und trat endlich ins Zimmer, die Tür hinter sich schließend. Nervös fuhr er sich durch die Haare, jedoch stets darauf bedacht, nicht zu viel von seinem Gesicht zu zeigen.

The Kids Of Olympus | Stray KidsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt