Relativ müde betrat ich meine Wohnung, Tobi dicht hinter mir. Ich schloss hinter ihm ab und setzte mich in die Küche. Er kam auch rein und setzte sich mir gegenüber. "Siehst echt fertig aus, man", sagte er. "Ich weiß. Hab in der letzten Zeit wenig geschlafen. Musste wirklich viel schneiden und so weiter." Das stimmte nur zum Teil. Es stimmte, dass ich wenig schlief und schneiden musste ich ja auch, aber er raubte mir auch den Schlaf. Ich musste ständig an ihn denken und dass er nun hier war machte es auch nicht besser. "Ja das ist natürlich doof, aber ändern kann ich nichts." "Nein das stimmt. Ich glaub ich leg mich ein wenig hin und versuch zu schlafen", sagte ich, gähnte kurz darauf und ging in mein Schlafzimmer. Doch schlafen konnte ich nicht. Stattdessen starrte ich aus dem Fenster und dachte nach. Nach einer Weile seufzte ich und legte mich wirklich hin. Schon bald schlief ich ein. Vielleicht hatte Tobis Anwesenheit auch zur Folge, dass ich mich beruhigte und schlafen konnte, selbst wenn er nur in meiner Küche saß.
Ich wachte früh am Morgen auf. Im ganzen Haus war es still. Ich ging in die Küche, niemand war zu sehen. Schnell schmierte ich mir ein Brot und kochte Kaffee. Ich nahm eine Tasse Kaffee, den Rest ließ ich stehen, und ging dann weiter schneiden. Ich hatte ein Video fast fertig, als Tobi einfach ins Zimmer kam und ich mich erschreckte. "Guten Morgen Curry", murmelte er und strich sich einige Haare aus dem Gesicht. "Morgen Tobi." "Wie lange bist du schon wach?", fragte er mich. "Muss circa eine Stunde sein, wieso?" "Du solltest wirklich mehr schlafen", seufzte er. "Ich weiß", gab ich zurück und wandte mich dann wieder dem Bildschirm zu. Er seufzte wieder und verschwand dann. Ich schnitt weiter die Videos, die ich während der Weihnachtszeit fertig haben musste, da dann meine Aufnahmepartner weg waren, vorzugsweise waren dann Pan und Erik weg. Irgendwann machte ich mir einfach leise Musik an und schnitt die DbD-Folge, die so komisch war. "Glaubst du wirklich, das war real?" Ich zuckte heftig zusammen und funkelte ihn böse an. "Erschreck mich doch nicht so. Keine Ahnung ob es real war." Wieder musste ich an das Ende denken. Ein Kuss, vielleicht eingebildet, aber so viele Gedanken, die daraus resultieren. "Ich glaub ich muss kurz raus", murmelte ich, musste ich doch endlich mit jemandem darüber reden. Doch da fiel mir nur Madita ein, weshalb ich einfach rausging und bei ihr klingelte. Verwundert öffnete sie die Tür und ich betrat, nachdem sie mich reingewunken hatte, die Wohnung. Sie wies auf ihr Sofa und ich setzte mich. "Was ist los, Kevin?" "Also... ich spiele gerne Dead by Daylight mit drei Freunden und wir nehmen das auch zusammen auf. Aber letztens ist was merkwürdiges passiert: Wir haben so ne Lobby betreten und wir wachten alle im Spiel auf. Wir haben es auch geschafft, zwei von uns, ein wirklich süßes Paar, ist abgehauen. Der letzte und ich waren halt noch da. Ich meine, dass er... naja dass er mich geküsst hat, aber als wir dann später über Discord darüber diskutiert haben konnte er sich nicht mehr daran erinnern, sagte nur, dass er gegangen sei." "Wo liegt denn da das Problem?" "Ich liebe ihn, das ist das Problem." Glücklicherweise wusste sie nicht, dass ich einer der HWSQ war, sonst wüsste sie, wen ich meine. "Geh doch einfach und sag ihm das." "Das kann ich nicht. Er findet es auch blöd, dass wir generell geshippt werden. Wie würde er denn dann reagieren, wenn ich ihn wirklich liebe?" Sie war still. "Ich weiß es nicht Kevin. Du musst es halt riskieren." "Vielleicht werde ich das tun. Irgendwann, wenn ich darüber hinweg bin sage ich es ihm." "Das bereitet dir doch nur Schmerzen." "Das nehme ich in Kauf." "Na wenn du meinst. Aber mal was anderes: Kann ich morgen zu dir kommen?" "Klar kannst du, wieso?" "Ach mein Ex nervt. Ich bin aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen und deswegen hier. Und jemand hat mir gesagt, dass er morgn herkommen will." "Hm ist gut. Komm dann einfach her." Ich stand auf, drückte sie einmal und ging zurück. "Wo warst du? Was hattest du denn?" "Tobi, ich war bei meiner Nachbarin und wir haben geredet. Das was war geht dich nichts an." "Warum hast du nicht mit mir geredet?" "Weil..." Ich fand keine Erklärung, die Sinn machte. "Curry wir sind Freunde, du kannst mit mir reden." "Wenn ich aber nicht will, dass du das weißt? Dann sollte ich nicht mit dir reden." Er war still. "Tut mir leid Curry. Du verhälst dich momentan nur ziemlich seltsam. Ich hab nur Angst, dass es ewas ernstes ist." "Quatsch. Ich hab momentan nur ein wenig Stress, das geht vorbei. Alles wird wieder normal." Ich lächelte, doch gleichzeitig sah ich in Tobis Augen, dass er mir nicht glaubte. Sollte er doch glauben, was er will. "Curry jetzt noch mal bitte die Wahrheit." "Tobi ich sage die Wahrheit. Vor Weihnachten, Silvester, Ostern und Urlaub ist es doch immer stressig. Es dauert keine zwei Wochen mehr, bis es Heiligabend ist und den will ich in Ruhe verbringen." Diesmal glaubte ich, ihn überzeugt zu haben. "Na wenn du meinst. Ich hab diesen Stress nicht mehr so extrem. Hab die meisten Videos schon fertig." Stille entstand, die noch eine ganze Weile anhielt. "Wie verbringst du Weihnachten, Curry?" "Höchstwahrscheinlich alleine. Mein Bruder bleibt bei seiner Freundin. Mama und Papa wollten einmal alleine sein, darum bleibe ich dieses Jahr wohl alleine, schaue Serien und esse Kekse", lachte ich, doch mir war nicht nach Lachen zumute. Es war relativ traurig, wenn man Weihnachten alleine verbringen musste. "Ich bin dieses Jahr auch allein. Kannst ja zu mir kommen", lachte er, doch ich wusste nicht, ob er es ernst meinte. "Wenn du unbedingt willst." "Ich fände es schön, mal nicht alleine zu sein." "Ernsthaft jetzt?" "Denkst du ich mache Witze? Ich meins ernst Curry." "Dann komme ich Weihnachten zu dir, da sind wir beide nicht alleine", antwortete ich lächelnd. Dann war es wieder still. Es war, als hätten wir uns nicht viel zu sagen, schade eigentlich.