2. Kapitel Auf Burg Finsterwald

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Jonata stand wie versteinert im Raum. Ihr Blick wanderte teilnahmslos durch den Saal. Sie spürte die schwere Holztür hinter ihrem Rücken sowie die Anwesenheit von Bestlin. Das alles war zu viel für sie. Anna die unmittelbar vor ihr stand registrierte sie nur am Rande. Alles wirkte bedrückend und sie fühlte sich, als hätte man sie in eine Rüstung gesteckt.

Die Fensterfront, die gegenüber von Haupteingang lag, gab dem Raum kaum Licht, da deren Öffnungen mit Tierhäuten bespannt waren. Entlang der Wand waren Holzbänke aufgestellt. Davor stand eine riesige Tafel. Auf ihr waren die Überreste des abendlichen Gelages gestapelt. Holzbretter, Tonkrüge und Essensreste lagen wild durcheinander. Alles, was bei der Mahlzeit heruntergefallen war, war auf dem Boden einfach liegen geblieben. Die grob gezimmerten Bänke waren teilweise umgestürzt. Angewidert von dem Unrat, schaute sie nach oben. Die Balkendecke war aus vielen Holzbrettern zusammengesetzt. Diese wurden von vier in den Raum nach oben ragenden Pfeilern abstützt.

Übelkeit stieg in Jonata auf. Vor ihrem inneren Auge sah sie ihr kleines, aber sauberes, zu Hause. Ordnung war in ihrer Familie wichtig. Niemals hätte sie es ertragen können, in so einem Chaos zu leben. Ihr bescheidenes zu Hause war immer sauber gewesen.

Auch die Mahlzeiten wurden zu Hause immer gesittet eingenommen. Ihr Vater hatte immer gesagt: »Auch wenn wir Bauern sind, wir sind keine Tiere.« Wenn ihr mal ein Stück Brot herunter fiel, gab es sofort eine Schelle von ihrer Mutter.

Mitten in ihren Gedanken wurde sie von der Magd wieder an ihre Position erinnert. Anna fasste sie an dem Arm und zog sie quer durch den Saal. Am hinteren Ende befand sich eine kleine Tür, die zu einen Gang führte. Im Flur führte rechts eine Treppe nach oben in den zweiten Stock. Dort befanden sich die Privatgemächer des Burgherren.

Mit jedem Schritt setzte allmählich ihr Verstand wieder ein.«Wo gehen wir hin«, fragte sie nun die Magd. »In die Küche«, war die knappe Antwort. Sie liefen nach links, vorbei an der Treppe und erreichten die nächste Tür. Hinter dieser lag die Küche. Das Feuer loderte im Kamin und strahlte eine unerträgliche Wärme aus. Der Köchin und ihren Gehilfen machte das nichts aus. Sie putzten emsig das Gemüse und rupften die Hühner, die auf dem großen Tisch lagen.

Anna, die kein Auge für das Geschehen hatte, drückte ihr nun einen Strohbesen in die Hand und schob sie gleich zurück Richtung Saal. »Die Böden müssen gefegt werden und der Tisch sollte bis zur Rückkehr der Ritter wieder sauber sein. Also beeile dich. Bis der Burgherr zurück ist, musst du fertig sein. Er wird schnell ungehalten«, sagte sie und schob sie aus der Küche. Mit einem lauten Knall fiel die Tür hinter ihr zu. Jonata zuckte, mit dem Strohbesen in der Hand, zusammen. Sie war allein.

Das wenige Licht in dem großen Saal, gab nur teilweise sein Chaos preis. Je mehr sie sich der Tafel näherte, umso intensiver wurde der Gestank von Essensresten und verschütteten Met.

Dabei schaute sie sich genauer im Raum um. ›Irgendwo muss es doch eine Möglichkeit geben, um aus dieser Festung heraus zu kommen‹, ging es ihr dabei durch den Kopf.

»Mach das du anfängst«, hörte sie vom anderen Ende des Saales eine herrische Stimme.

Erschrocken drehte sich Jonata um. Bestlin stand mit gespreizten Beinen und verschränkten Armen rechts hinter der großen Eingangstür. Sie schluckte, da sie ihn nicht im Raum vermutet hatte. Sein hämisches Grinsen versetzte sie nun in Panik. Schnell drehte sie sich wieder um und ging auf den großen, mit Sitzpolstern verzierten, Stuhl an der Stirn der Tafel zu. Sie bückte sich um den Unrat mit ihrem Besen unter dem Sessel hervorzuholen. Dann machte sie sich an das Abräumen der Tafel. Dabei schaute sie immer wieder verstohlen über ihre Schulter. Frustriert stellte fest, dass ihr Aufpasser sie fest im Blick hatte.

Für den Moment ergab sie sich und putzte, so wie sie es gelernt hatte.

Der Schweiß lief ihr über den Rücken. Die Luft war verbraucht und stickig. Die harte Arbeit hatte ihr die Röte ins Gesicht getrieben. Das Kleid klebte an ihrem Körper. Ihr Zopf hatte sich aufgelöst und einzelne Strähnen hingen ihr vor dem Gesicht. Sie fühlte sich schmutzig.

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