chaotisches Wiedersehen

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«Warum hast du mir nie davon erzählt, dass du und Marcel zusammen sind?» Clemens und ich spazierten gerade dem Fluss entlang. Gestern Abend hatte ich eine sehr überraschende Entdeckung gemacht oder eher durfte erfahren. Mein Bruder hatte Marcel eingeladen, nach dem Abendessen wurde die Stimmung angespannt und schliesslich erzählte mein Bruder, dass er und Marcel ein Verhältnis hätte.

«Ihr seid zusammen? Du bist schwul?» Die Frage sprudelte aus meinem Mund, es sollte nicht abstossend klingen. Ich war nur überrascht, denn ich hätte nie gedacht, dass mein Bruder auf Männer steht. Es ist doch allgegenwärtig...

Den Stressfaktor steigerte sich noch, als ich einen Anruf von Patrick bekam. Aus Panik drückte ich ihn weg, aber glücklicherweise hatte er auf meinen Anrufbeantworter gesprochen. Naja... Ob ich darüber glücklich bin, schwankt im Moment noch. Er hätte ja auch anrufen können, weil er keine Gefühle für mich hatte... dann wollte ich es nicht hören.

«Tut mir leid. Marcel und ich hatten zuerst abgemacht, es niemandem zu sagen. Naja... Als er dich dann gesehen hat, wie du mich beim Krankenhaus abholen gekommen bist, das hat seine Ansicht auf dich verändert. Wir haben beschlossen es dir zu erzählen.» Wir bogen in eine kleine Seitengasse, ein kalter Wind bliess mir ins Gesicht und liess ein paar Tropfen in mein Gesicht prasseln.

«Danke, dass ihr es mir erzählt habt. Ich freu mich für euch.» Clemens lächelte mich dankbar an, dabei hielt er seinen Schirm etwas weiter vor unsere Köpfe. Die Stimmung war angenehm, es war so eine Situation, in der man einander alles anvertraut ohne irgendwelchen Ärger zu bekommen. Also räusperte ich mich und setzte ein neues Thema an.

«Ich hab gestern einen Anruf von Patrick bekommen. Ich getraue mich nicht, die Nachricht abzuspielen, denn ich will nicht hören, dass er keine Gefühle für mich hat...» Kurze Zeit hörte ich nur das Schlagens meines Herzens in der Brust, das Atmen von Clemens von mir und der heulende Wind, der durch die Strassen fegte.

«Wenn du es nicht tust, wirst du es bereuen... Und auch wenn du herausfindest, dass er keine Gefühle für sich hat... Es gibt noch so viele Männer, die auf meine kleine Schwester stehen werden! Aber es ist deine Entscheidung, lass dich nicht zu etwas zwingen.» Einverstanden nickte ich und wir liefen nach einiger Zeit wieder zurück zu ihm nachhause. Ich packte meine Koffer und füllte meine Flasche mit frisch gemachten Tee, noch immer mit den Gedanken bei Patrick.

«Schreib mir eine Nachricht, wenn du sicher zuhause angekommen bist. Hab dich lieb.» Eine kurze Umarmung und ich stand vor dem Haus mit meinem Rolli. Ich hatte mir vorgenommen, die aufgenommene Nachricht während der Zugfahrt anzuhören. Aufgeregt lief ich zum Bahnhof, startete Musik und stieg in meinen noch wartenden Zug. Nun konnte ich die fünf stündige Fahrt nach Köln damit verbringen, Musik zu hören oder zu zeichnen... Und die Nachricht von Patrick hören...

Gelangweilt holte ich meinen Laptop nach vorne und begann mir einen Horrorfilm reinzuziehen, welchen ich für lange Reisen heruntergeladen hatte. Verschwommen nahm ich wahr, wie Leute ein und ausstiegen, schaffte es aber mich auf den Film zu konzentrieren.

Nach zweieinhalb Stunden lief der Abspann und ich hatte die Hälfte des Weges zurückgelegt. Ich surfte gerade belanglos im Internet, immer mehr plagte mich der Gedanke, was Patrick wohl in der Aufnahme gesagt hatte. Mit zitternden Fingern, schloss ich Instagram und öffnete die Anrufer-Liste.

«Hi (Y/n) ... Ich weiss, das kommt jetzt ein wenig plötzlich aber... Hör mal mein Tag heute war echt scheisse... Naja... bis Smurf mich dazu gebracht hat, nicht mehr so ein Idiot zu sein. Es war ein riesen grosser Fehler, dir zu sagen, dass ich Denk Zeit brauche... keine Ahnung, ob du mich überhaupt nochmals sehen willst, aber gestern sind mir die kitschigsten und peinlichsten Gedanken durch den Kopf gewandert... Ich werde jetzt nicht weiter ausführen was, aber es war schon recht... klar.

"Pdizzle hat ne Freundin!"-PalutenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt