Kapitel 5 - Aufbruch

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Henri schreckt auf und läuft. Er weiß noch nicht ganz warum er Leonie diese Theatralik zumutet, aber selbst wenn er falsch liegt, hat er nun wenigstens das Gefühl etwas zu tun. Er rennt und rennt. Während er seine Umgebung nur noch als Schemen verschwommener Hindernisse wahrnimmt, fällt ihm ein, dass er es nie rechtzeitig zu ihr schafft. > Moment! <, brüllt ihn eine innere Stimme an, um das Keuchen zu übertönen. >Wenn sie den Brief um 15:00 Uhr abgegeben hat, und durch die fehlende Briefmarke ist eindeutig klar, dass das persönlich war, dann kann sie, wenn sie dort hinwill, wo wir beide denken, wo sie hinwill, noch nicht weit gekommen sein. < Henri schaut auf seine Uhr. Es ist 15:32 Uhr. Seine Mutter hatte ihn wirklich sehr zügig informiert. Nun rannte er noch schneller, um den Rückstand von etwa einer halben Stunde wieder aufzuholen. Die Bahnen fahren in unserm kleinen Örtchen alle halbe Stunde. Um 15:08 Uhr und 15:38. Er kann sie, an der Haltestelle angekommen, nirgends sehen, das heißt sie muss die Bahn um 15:08 Uhr erwischt haben, was bei nur fünf Minuten Fußmarsch auch keine große Herausforderung darstellt. Die Bahn kommt pünktlich. Das nennt man wohl Glück im Unglück. Er stürzt sich hinein und rempelt einen älteren Herrn an. Dieser tobt und ist außer sich doch für so etwas hat er jetzt keine Nerven. Nervös guckt er im Sekundentakt auf seine Armbanduhr und stellt fest, dass die Bahn die Verspätung, für die sie bekannt ist, nachzureichen. Frustration breitet sich in ihm aus. Er könnte schwören, dass er jetzt schon mindestens eine halbe Stunde in dieser Bahn verbringt. Es sind in Wirklichkeit dreißig Sekunden. Die Türen schließen und in Henris Kopf kommt eine Spur Erleichterung auf. Nun ist er wenigstens auf dem Weg.

Renn schneller als die VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt