VII

193 9 3
                                    

Zum wiederholten Mal sieht Bonnie nervös auf ihr Handy Display. Genau 23:32. Er hätte sich schon um 20 nach melden müssen. Das war der Plan. Sie rauft sich nervös durchs Haar. „verdammt, verdammt, verdammt..." Das Handy vibriert. Sie zuckt zusammen und zieht es hektisch aus der Manteltasche, dabei fällt es ihr beinahe aus der Hand. Eine Nachricht von Daniel.


Er hat das Gebäude verlassen. Sie fährt zu sich nach Hause. Alles läuft nach Plan.


Sie grinst. Perfekt. Der ganze Abend war perfekt nach Plan verlaufen. Dass Jack sie mit auf die Veranstaltung genommen hatte, spielte ihr wunderbar in die Karten. Er schenkte ihr damit unwissentlich ein Alibi.
Auch Louise war an diesem Abend anwesend gewesen, aber er hatte sie zu ihrer Freude und noch größeren Überraschung erst einmal absolut links liegen gelassen. Während Bonnie sich seiner vollkommenen Aufmerksamkeit sicher sein konnte. Das haben alle Anwesenden bemerkt. Sie hatte die eine oder andere Dame heimlich hinter vorgehaltener Hand tuscheln hören. Er machte sich jetzt schon verdächtig, während sie für alle die Unschuld in Person darstellte. Sie war nahe der Perfektion. Zauberte das makellose Image für sich und ihn. Niemand ahnte auch nur das Geringste. Sie wusste, wie immer, genau wie sie sich zu verhalten hatte, mit wem sie über welche Dinge sprechen sollte oder eben nicht, an welcher Stelle Ernsthaftigkeit oder Humor angemessen waren, immer selbstbewusst und freundlich, ihre Ausstrahlung einnehmend und doch zurückhaltend. Jack war völlig überwältigt gewesen. Sie spielte mit der gesamten Gesellschaft, und niemand außer ihm schien das wirklich zu registrieren. Sie würden wirklich reden müssen. Einen Neuanfang starten, und Louise würde endlich der Vergangenheit angehören. Hätte er in diesem Moment gewusst wie Recht er mit dieser Annahme hatte; Dann war Daniel aufgetaucht und er war mit Louise verschwunden. Dieses Schauspiel wollte er sich nicht bieten lassen. Sie hatte das natürlich bemerkt, sich aber nichts anmerken lassen und stattdessen Jeden weiter in Gespräche verführte. Verführung, Intrige, Macht und Kontrolle. Darum ging es schließlich in diesem Spiel. Ein Spiel, das sie gewinnen würde. Selbstverständlich hatte Bonnie die Veranstaltung alleine verlassen. Alleine und unbemerkt. Darauf hatte Sie viel Wert gelegt. Daniel war ihr weniger unauffällig gefolgt, aber das spielte keine Rolle. Sollte er sich auffällig gemacht haben, wäre das sein Problem. Daniel hatte sich auf Jack und Louise Spuren gemacht und sie war zu Louise Wohnung gefahren und hatte auf seine Nachricht gewartet. Bonnie hätte Daniel die Angelegenheit auch alleine regeln lassen können, sie wollte es sich aber unter keinen Umstand nehmen lassen ein letzten Blick auf die Hure zu werfen, die ihr Leben kaputt gemacht hatte. Es ist so verdammt einfach. Niemand schien mit etwas Derartigem zu rechnen. Wieso sollte man auch in dieser Gegend und Gesellschaft. Solche Dinge passieren schließlich nur in schlechten Sonntagabend Krimis.

Ein Taxi fährt vor. Sie erkennt Louise schwarzes Haar und duckt sich hinter ein paar parkenden Autos. Adrenalin rauscht durch ihren ganzen Körper. Gleich ist es soweit. Ein merkwürdiges Gefühl. Bonnie war gerade dabei einen Menschen zu töten. Sie schmunzelt. Der Hure letzten Augenblicke auf dieser Erde. Wie poetisch. Fasziniert beobachtet sie die Schwarzhaarige, wie sie aufschließt und im Treppenhaus verschwindet und keine Sekunde zu spät ist sie an der Tür, ehe diese ins Schloss fällt. Ihr Handy vibriert erneut.


Er kommt jetzt aus dem Büro. Showtime.


Sie sieht auf die Uhr. 23:58. Einen Moment muss sie noch warten, dann würde sie an der Wohnungstür klopfen. Sie wird sofort aufmachen. Schließlich wird sie IHN erwarten, ihr Geschenk vermutlich schon geöffnet. Sie hatte Louise analysiert. Der teure Rotwein würde sie einwickeln. Sie würde sofort kosten wollen. Einen Schluck. Mehr brauchte es nicht. Schritt für Schritt erklimmt sie die Treppen. Der teure Teppich dämpft ihre Schritte. Dann steht Sie endlich vor der Tür. 00:13. Sie klopft. Dreimal. Gezielte und feste Schläge, so wie Jack es tun würde. Louise öffnet sofort, ein anzügliches Lächeln auf den Lippen, und bekleidet in einem teuer aussehenden weißen Negligé. Wie Bonnie es erwartet hatte. Louise entgleisen einen Moment die Gesichtszüge, aber nur für einen Moment, dann hat sie sich wieder im Griff und trägt die, ihr üblich, überhebliche Miene zur Schau. „Ich hatte eigentlich jemand anderen erwartet." Bonnie bleibt ungerührt. „Meinen Mann?", antwortet sie trocken. Erneut gerät Louise Ausdruck ins Wanken, und erneut fängt sie sich schneller als es Bonnie lieb ist. „Nicht mehr lange Herzchen." Louise dreht ihr elegant den Rücken zu, und verschwindet in der Wohnung. Die Tür lässt sie offen stehen. Eine Einladung. Ein Spiel. Darauf hatte sie gebaut. Sie findet sie auf der Küchenzeile mit einem Glas in der Hand. Neben ihr die geöffnete Flasche Rotwein. „Mir war klar dass du Bescheid weißt. Du mischst dich schließlich überall ein. Lästige Angewohnheit aus Journalisten Zeiten, nehme ich an. Ich hätte es dir gerne mit ihm zusammen erzählt, er wird sicher gleich hier sein. Schau. Das lag vor meiner Tür." Sie lacht. Bonnie bleibt ausdruckslos, doch ihr Puls rast. „Wann hat er dir zuletzt so eine Aufmerksamkeit zukommen lassen, hmm?" Sie zieht eine der roten Rosen aus dem großen Strauß und streicht die Blüten über ihre Wange. „Ich vermute gar nicht, oder?" Sie lacht wieder. In ihr macht sich Wut breit. Ein kochendes Gefühl, das darauf wartet, befreit zu werden. Dennoch bemüht sich Bonnie weiter die ausdruckslose Fassade aufrecht zu erhalten. Sie schaut auf ihre schwarz behandschuhten Hände. Louise will Sie provozieren. Die schlanke Frau lässt die rote Flüssigkeit im Glas schwanken. Sie ist das exakte Gegenteil von ihr. Groß, schlank und kurvenlos mit eisblauen Augen und schwarzem langem Haar. „Er wird jeden Moment hier sein. Dann können wir diese ganze Farce endlich beenden und du wirst aus unserem Leben verschwinden. Nimm es nicht zu schwer. Spätestens wenn das Baby da ist wärst du eh abgeschrieben gewesen.." Baby? Louise setzt das Glas an und sobald der erste Schluck ihre Lippen benetzt, verliert Bonnie die Fassung. Ein markerschütternder Schrei verlässt ihre Lippen und vor Schreck lässt die Frau auf dem Tresen das Glas fallen. Es zerspringt klirrend im Spülbecken. Louise fällt zu Boden und Bonnie stürzt sich auf sie. Wie automatisch zieht sie das Messer aus der Manteltasche. Er hatte es ihr Geschenkt. Vor langer Zeit, aus Sorge, damit sie sich in Zukunft selbst verteidigen könne. Wie passend. Die Frau unter ihr schnappt nach Luft und starrt sie mit weit aufgerissenen Augen an, ungläubig darüber was gerade zu passieren scheint. Das Gift wirkt schnell. Sie lässt die Klinge auf den Körper nieder rasen. Wieder und wieder sticht sie zu, stellt bewundernd fest wie der kalte Stahl im weichen Unterleib der Frau verschwindet und blutige Spritzer um sie herum verteilt. Das Blut rauscht ihr in den Ohren. Es ist so einfach. So schnell. Sie lässt von ihr ab und betrachtet das Ergebnis. Bonnie war nicht verwirrt, ferngesteuert oder in besessener Rage gewesen. Sie hatte nicht vergessen wo Sie war, nur ihre Umgebung nicht mehr wahrgenommen. 

Sie war bei völlig klarem Verstand gewesen. Ist es immer noch. Ein ungläubiges Kichern entrinnt ihr. Sie hat es wirklich getan. Bonnie sieht sich im Raum um. Alles wirkt wie immer. So als wäre nichts geschehen. Eine Scheinwelt. Das muss es sein. Ein Traum der sich wunderbar erschreckend real anfühlt. Sie kichert wieder und betrachtet den leblosen Körper unter ihr genauer. Louise hängen ein paar verwirrte Strähnen im Gesicht. Fast liebevoll streicht sie sie ihr hinters Ohr. Leere, weit aufgerissene Augen starren ihr glasig entgegen. Der Mund geöffnet zu einem letzten stummen Schrei, bei dem verzweifelten Kampf um Sauerstoff. Blausäure. In 2 bis 3 Atemzügen wäre sie sofort innerlich erstickt. Bloß wenige Sekunden, aber es war persönlich und sie musste es persönlich klären. Überall ist Blut, die teure weiße Seide dunkel rot verfärbt. Der helle weiche Teppich auch. Um sie herum breitet sich die dunkel rote Lache immer weiter aus. Aus dem Kichern wird ein hysterisches Lachen. Sie lässt sich nach hinten in den weichen Teppich fallen. Ihr Puls rast immer noch, ihr Blick fällt auf den großen runden Mond der durch das Fenster scheint. Sie hört auf zu lachen und betrachtet hypnotisiert das silberne Leuchten. Nie zuvor hat sie sich so lebendig gefühlt. Eine Mischung aus Adrenalin, Freude, Erregung und Panik. Macht. „Du hast die Tür nicht richtig geschlossen." Sie schreckt heftig hoch und sieht in die Richtung aus der die Stimme kommt. Fast erwartet sie Jack im Türrahmen zu sehen, doch es ist Daniel. Sein Haar ist zerzaust und seine Lippe hatte offensichtlich geblutet. Sie rennt auf ihn zu, küsst ihn drängend und beißt ihm fest in die Unterlippe, die wieder anfängt zu bluten. Er stöhnt vor Schmerz, rauf ihr durchs Haar, und zieht Sie näher an sich heran. „ Ich hab es wirklich getan. Siehst du?" Sie hüpft aufgekratzt durch die Wohnung. Er betrachtet sie eingeschüchtert. „Bonnie wir müssen hier verschwinden sofort." Sie ist mit zwei schnellen Schritten wieder bei ihm. Sie hatte einen Mord begangen. Natürlich musste sie den Schauplatz verlassen. „Seh ich auch so. Du kommst jetzt mit zu mir. Ich brauch dich, jetzt sofort und im Auto fangen wir damit an." In seinem Gesicht regt sich etwas. Daniel packt sie fest am Arm, und zieht sie aus der Wohnung. Sie betrachtet die Leiche noch einen Moment fasziniert und schlägt dann die Tür hinter sich zu. Dieses Kapitel ist endgültig abgeschlossen. 

Tainted LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt