IX

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Ich regle das." Seine Worte hatten die Stille durchbrochen, die sich wie ein sicherer Mantel um sie gelegt hatte. Er würde das regeln, da ist sie sich sicher. „Louise ist tot." Kalt, emotionslos, deutlich und ohne Angst. Sie ist um seine Reaktion nicht besorgt. In den vergangenen zwanzig Minuten hatte sich etwas geändert. Einiges hatte sich geändert. „So etwas hab ich irgendwie schon erwartet... Früher oder später musste der Wahnsinn ja mal aus dir rausbrechen." Er lächelt schief. Es kommt ihr angesichts der Umstände deplatziert vor, trotzdem kann sie nicht verhindern seinen Blick zu erwidern. Ihre Nerven sind immer noch zum Zerreißen gespannt. Sie nimmt sich die Flasche Bourbon und kauert sich auf ihrem Sessel zusammen. Sie hatten sich in Gegenwart des toten Körpers nicht mehr wohl gefühlt. Jack nimmt ihr Handy und verschwindet in der Küche. Sie hört ihn aufgebracht telefonieren. Etwas von wegen Eindringling, geisteskrank und Stalking. Er schiebt die Schuld also auf Daniel. Geschickt und mit ein bisschen schauspielerischer Leistung, plausibel. Daniel tötet Louise, die Affäre des Mannes von dessen Frau er besessen ist, um bei ihr zu punkten. Er dringt hier ein, belästigt sie, und Jack kommt im letzten Moment zu ihrer Rettung. Sie schlagen sich, Daniel will Jack töten. Es ist Notwehr, keine Frage. Recht plausibel.

Nach ein paar Minuten kommt Jack aus der Küche zurück. „Die Polizei wird gleich hier auftauchen. Du musst dir keine Sorge machen, ich habe ein paar Kontakte spielen lassen. Es gibt genug Leute, die mir noch Gefallen schulden...Du musst nur überzeugend unter Schock stehen. Hast du verstanden?" Sie nickt und löst sich aus ihrer kauernden Haltung. Sie sehen sich in die Augen. Zaghaft schüttelt sie den Kopf. „Jack...", ihr versagt die Stimme. Diese ganze Situation, der ganze Abend schwirrt in ihren Köpfen, neben einer zentralen Frage - Wie konnte das nur passieren? Eine Träne rollt ihr über die Wange. Vielleicht ist das Geschehene doch zu viel für sie. Vielleicht steht sie doch unter Schock. Eine besorgt Furche bildet sich zwischen seinen Brauen. Er lässt sich vor ihr nieder und legt den Kopf auf ihre Knie. Sie streicht ihm zaghaft durchs Haar. Eine Haltung, ähnlich der bloß wenigen Wochen zuvor, aber sie fühlen sich als sei dieser Abend Jahre her. Er nimmt ihre Hand, und führt sie an seine Lippen. „Wir schaffen das." Wärme durchströmen sie. Keiner der Beiden rührt sich, während sie darauf warten, dass die Klingel ertönt.

Kurz darauf hatte es geläutet und eine Menge uniformierter Personen waren in ihre Wohnung gekommen, hatten Fragen gestellt und Gegenstände untersucht. Sie war auf ihrem Sessel geblieben hatte geweint und gestottert Fragen beantwortet. Er war hinter ihr geblieben, beschützend die Hand auf ihrer Schulter, und ihr geholfen überzeugende Aussagen zu treffen. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, bis Daniels Körper. in einem schwarzen Leichensack endlich abtransportiert wurde und all die fremden Menschen ihre Wohnung verließen. Natürlich sollten sie auch gehen, es handle sich schließlich um einen Tatort. Nach einem kurzen Gespräch mit dem leitenden Ermittler war diese kleine Unannehmlichkeit vom Tisch, mit dem Hinweis sie sollen sich am folgenden Tag auf der Wache, für eine ausführliche Aussage melden. Ein weiterer Vorteil der richtigen Kontakte.

Seitdem tigert Jack unruhig durch den Raum. Sie hat es sich erneut in ihrem Sessel bequem gemacht. Sein Rumgelaufe und die Stille behagen ihr nicht. Sie will sich eine neue Flasche vom Kamin holen, hält aber inne, als sie seinen missbilligenden Blick sieht. Doch er scheint mit sich zu hadern. Sie schenkt zwei Gläser ein, drückt ihm eins wortlos in die Hand und leert ihres in einem Zug. Bonnie steht nur ein Stück von ihm entfernt. Es könnten genauso gut Kilometer sein. „Sag etwas...Irgendwas. Bitte..." Ihre Stimme ist ein flüsterndes Flehen. Er sieht sie an, gibt aber keinen Ton von sich. In seinen Augen liegt ein Ausdruck den sie nicht deuten kann. Wieder einmal. Es macht sie wütend. In ihren Augen gibt er sich teilnahmslos, in Wahrheit ist er schlicht und ergreifend überfordert und schockiert. Vor allem von sich selbst. „Verdammt sprich endlich mit mir! Jack bitte! Ich dreh vollkommen durch! Bitte!" Er starrt sie bloß an, möchte ihr so viel sagen, und findet doch nicht die richtigen Worte. Ihr Glas zerklirrt auf Kopfhöhe an der gegenüber liegenden Wand. Sie ist nicht sehr gut im Zielen. 

Er tut weiterhin unbeeindruckt, aber die dünne blutleere Linie seiner zusammengepressten Lippen verrät ihn. Er ist wütend. „Das ist es also jetzt?! Du sagst einfach weiterhin gar nichts? Dann sag ich dir was!", entrüstet wirft sie ein weiteres Glas. Es war vom Vortag stehen geblieben. „Das ist alles bloß deine schuld! Du hast mein Leben zerstört Jack! Ist dir das eigentlich klar?! Nur wegen dir bin ich in dieser Situation!" Ihr laufen Tränen über die Wange, das passiert ihr immer wenn sie vollkommen außer sich ist. Er verliert die Selbstbeherrschung. „Meine Schuld? MEINE SCHULD?! Wenn ich das recht durchblicke, habe nicht ich den ersten Mord begangen und meinen Lover aufgehetzt! Also halt endlich den Mund!" Sie starrt ihn ungläubig an. Dann kehrt die Wut zurück. „Ich hatte nicht DIE ERSTE Affäre! Das warst du! Du ganz allein Mr. Gefühlskalt perfekt!" Grimmig knallt er sein Glas auf den Beistelltisch. „ Es war Alles gut! Alles ganz einfach! Was hast du nur getan?", er fährt sich aufgebracht durchs Haar. „Es tut mir leid! Es tut mir Leid verdammt! Ich konnte nicht mehr. Nicht so! Du hast mich kaputt gemacht!" Ihre Worte gehen halb in aufgelöstem Schluchzen unter. „Hat das denn nie ein Ende?!" Er dreht ihr den Rücken zu, also greift sie nach ihrem Mantel und rennt aus der Tür. 

Bonnie weiß nicht wo sie hin soll, also nimmt sie den kleinen Aufstieg zum Dach. Der kalte Wind hat eine beruhigende Wirkung, sie bekommt das Schluchzen trotzdem nicht unter Kontrolle. Es donnert über ihr, und kurz darauf fallen die ersten Tropfen vom Himmel. Sie schließt die Augen und legt den Kopf in den Nacken, öffnete sie auch nicht, als sie Schritte hinter sich hört. Kurz darauf findet Bonnie sich in Jacks Armen wieder. Er legt das Gesicht an ihre Schulter. „Es tut mir leid Bonnie. Es tut mir verdammt nochmal leid. Es ist nicht deine Schuld. Wenn nicht unser Beide, dann Meine...Ich weiß einfach nicht wie ich mit dir über all das reden soll..." Sie atmet tief ein, dreht sich um, und zieht ihn zu einem Kuss zu sich herunter. „Lass uns heute nicht darüber reden." Jack zieht sie erneut fest in seine Arme. Behutsam streicht er mit dem Daumen über ihren Handrücken. Ein wohliger Schauer läuft über sie herab und hinterlässt ein Kribbeln im Bauch. Wie schon zuvor an diesem Abend sucht sie Blickkontakt, und mit einem Mal, scheint ihre Verbindung wieder da zu sein. Dieses unsichtbare Band, das nicht reißen will und kein Mensch wirklich erklären kann. Er küsst sie. Sanft, unschuldig, während ihnen weiter kalte Tropfen ins Gesicht fallen. Sie muss lachen. Er hebt verwirrt eine Braue. „Was soll das nur? Und was soll DAS hier? Wir sind ja wie so ein Krimi-Klischee. Ich glaube ich verliere den Verstand." 

Er schaut in den Himmel, dann wieder zu ihr. „Süße, den hast du längst verloren,- und, ist dir aufgefallen das du etwas ähnliches, in einer ganz ähnlichen Situation schon einmal gesagt hast?" Sie lacht herzhaft. „Das weißt du noch? Das ist Ewigkeiten her..." „Wie könnte ich das vergessen? Schon damals musste ich ständig hinter dir her rennen" Sie waren Teenager gewesen, hatten sich gerade kennen gelernt, und im Regen die ersten unschuldigen Küsse getauscht. Es donnert erneut. Sie drückt sich enger an ihn. Er muss lachen. Es konnte so einfach sein. In seinen Augen regt sich etwas. Nun ist sie es die versteht, während Blitze den Himmel erhellen. Bald sind sie völlig durchnässt, aber das spielt keine Rolle. Mit dem nächsten Donner legen sich ihre Lippen stürmisch aufeinander. Er hebt sie auf seine Arme, sie legt ihre Beine um seine Hüfte. Die vergangenen Emotionen rasen auf sie ein, und es gibt nur eine Möglichkeit ihrer Herr zu werden, das spüren sie. Ungestüm rauft Bonnie ihm durchs Haar, entlockt ihm ein Stöhnen. Bilder rasen vor ihren Augen entlang. Daniel, Louise, Blut, überall Blut. Sie spürt ihn zwischen ihren Beinen. Nie zuvor waren sie sich so nahe gewesen. Falsch. Es ist falsch, aber sie brauchen es. Brauchen sich, und es gibt kein Zurück mehr. Er nimmt sie hart und erbarmungslos. Ein Kampf um das Gefühl der Macht, dass nur sie auf dieselbe Art und Weise kennen gelernt und nur sie sich werden geben können. Dennoch spüren sie das belebende Gefühl einer morbiden, und doch leidenschaftlichen, intensiven Verbindung, die mit jedem Donnern kräftiger zu werden scheint, während der Regen weiter auf sie nieder prasst. 

Tainted LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt