CAPUT DECEM (X)

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POV Alexis

Etwas leichtes berührte ihre Lippen und weckte sie aus dem Schlaf. Zuerst dachte Alexis, ihr Bruder würde ihr mit einer Feder wieder irgendeinen Streich spielen. Weshalb sie es einfach mit sich geschehen liess, so tat als würde sie weiterschlafen. Dass sie dabei ein sinnliches Geräusch von sich gab, war ihr wohl genau so unbewusst wie Delian. Als sie jedoch neben der leichten Wärme, dort auch Feuchtigkeit verspürte, öffnete sie träge die Augen. Erst nur ganz leicht, weshalb sie erst nur die blauen Augen von Delian vernahm. Mit einem Schlag setzte plötzlich aber ihr Hirn ein, weshalb sie ihre Augen nun weit aufriss. Ihre nächste Handlung bestand darin, den jungen Mann fest von sich zu stossen und selbst ans andere Ende des Bettes zu rutschen. Ihre Hand fand ihre Lippen, wodurch sie das Gefühl von seinen Lippen auf Ihren in Erinnerung behielt, während in ihrem Kopf ein wahrer Sturm wütete. Ihre Augen verliessen dabei nie das Antlitz von Delian, welches binnen Sekunden von unendlicher Glückseligkeit zu Schock sowie Verzweiflung wechselte, je mehr er sich seiner Tat bewusst wurde.

  "Verdammt, Delian, was sollte das?" Ihre Stimme überschlug sich selbst. Sie spürte, wie ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich, ehe sie in Unmengen zurückschoss und sich ihre Wangen röteten - und das nicht zu wenig. Delian stand aus ihrem weichen Bett auf, raufte sich die vom Tag ohnehin verstrubbelten Haare und lief in Richtung der Balkontür. "ich weiß auch nicht. Es... es ist einfach in mich gefahren... ich... ich konnte es nicht unterdrücken."

 Sie starrte ihm hinterher, wie er den dünnen Vorhang zur Seite schob und hinaustrat. Kaum sah er sie nicht mehr, lagen ihre Finger auf den eigenen Lippen und strichen über die Stellen, an denen sich ihre Lippen berührt hatten. Er hatte sie wirklich geküsst, ihre Lippen kribbelten davon noch immer. Alexis' Gedanken spielten verrückt, rannten um die Wette, ebenso ihre Gefühle. An erster Stelle rannte bei ihr die Angst; Was geschah, wenn das ihre gesamte Freundschaft zerstört hatte? Darauf folgte die Freude; was kümmerte es sie? Er interessierte sich für sie! Dicht hinter der Freude klebte die Sorge; Und was, wenn es jemand erfuhr? Schlusslicht war das Verlangen; sie wollte seine Lippen ein weiteres mal spüren!

Anhand der Silhouette seines dunklen Körpers hinter dem weißen Tuch erkannte sie, dass er auf dem Boden mit dem Rücken zu wand kauerte, den Kopf auf die Knie gelegt und sich entweder Vorwürfe machte, oder weinte. Sie würde es ihm keinesfalls verübeln, immerhin hatte er einen aufgewühlten Tag hinter sich. Nach einigen Minuten der Stille, nur begleitet vom rascheln des Stoffes im warmen Südwind, erhob sich Alexis von der Fußseite ihres Bettes, nahm sich zwei ihrer Kissen und die dünne Decke und ging mit ihr bepackt hinaus in die Nacht, setzte sich neben ihn, legte sich die Kissen in den Schoß und zog seinen Kopf dorthin, damit er sich zusammenrollen konnte, sie ihn aber nicht abwies. Mit der Decke bedeckte sie seinen zitternden Körper.

"Es war einmal eine Prinzessin...", murmelte sie leise vor sich hin, "die trug den Namen Atalanta. Ihr Vater, ein König von reinem Geblüt, wollte keine Tochter und schickte sie hinfort in den Wald, zum sterben. Aber Atalanta starb nicht. Eine Bärin fand das kleine Bündel und begann es aufzuziehen und zu behandeln, wie das eigene Junge, das sie selbst verloren hatte. Die Jahre vergingen. Atalanta lernte, sich von Jägern fernzuhalten, im Wald zu überleben und nicht aufzufallen. Sie war eine schöne junge Frau, weißt du? Eines Tages, sie muss in unserem Alter gewesen sein, kam ein Prinz aus einem anderen Königreich in den Heimatwald der Waldprinzessin. Sie wollten einen Hirsch jagen, einen besonders prächtigen, wie man sich damals erzählte. Der Hirsch war ein Freund der Atalanta und sie wollte um keinen Preis, dass er starb. Als der Prinz das prächtige Tier also sah und zielte, sprang die schöne junge Frau dazwischen und verhielt sich, wie ein Bär es in dieser Situation wohl tuen würde; sie bleckte die Zähne und fauchte. Weder die Pferde der Gruppe des Prinzen, noch die Menschen selbst waren verängstigt. Einzig der Prinz war wie verzaubert von ihrer Schönheit. Er ließ den Hirsch in Ruhe, aber kam jeden folgenden Tag in den Wald, um das geheimnisvolle Mädchen zu treffen. Es dauerte lange, bis sie Vertrauen zu ihm hatte, aber als es so weit war, lehrte er sie das sprechen. Eines Tages fragte der Prinz Atalanta, ob sie seine Frau wollen würde. Sie bejahte. Und so nahm der Prinz sie mit in sein Königreich und sie feierten Hochzeit. Auch der Vater der Atalanta war dazu eingeladen und er erkanntes eine Tochter wieder. Zu allem Unglück, waren Attentäter auf der Feier und der Prinz wurde umgebracht. Atlantas Herz war gebrochen und sie wollte nie wieder lieben, sprechen oder gar heiraten. Doch ihr Vater nahm sie mit zu sich nach Hause und stellte ihr immer wieder neue Männer vor, die die Schönheit zur Frau nehmen wollten. Atalanta willigte bei keinem von ihnen ein, verlangte sogar, dass sie nur den Mann heiraten würde, der sie in einem Rennen schlagen könne. So wurden immer wieder Rennen veranstaltet. Ihre Jahre im Wald hatten die Prinzessin Ausdauer gelehrt, sie war schneller als jeder Mensch. Die Männer, die nicht schnell genug waren, wurden kaltblütig von ihr erstochen, wie ihr Mann, den man ihr am tag der Hochzeit genommen hatte. Aber es kamen immer wieder neue Bewerber. Eines Tages kam ein Enkel des Neptun und wollte sein Glück versuchen. Doch er wusste, ohne Hilfe würde er es nicht schaffen. So betete er zur Göttin Venus, die ihm drei unwiderstehliche goldene Äpfel gab. Wenn sie ihm auf drei Schritten nahe war, solle er sie so weit er konnte nach hinten werfen und so schnell er konnte Rennen. Er musste ihr nur nach der Hochzeit ein Opfer bringen. Also ging er mit den Äpfeln auf die Rennbahn, lief gegen Atalanta und gewann dank seiner List. Sie lernte ihn lieben, sie heirateten, aber er vergaß der Liebesgöttin das Opfer zu bringen. So wurden Atalanta und ihr Gemahl zu Bären und lebten auch so glücklich bis sie einen tierischen Tod fanden."

 Alexis hatte während der Geschichte angefangen, Delian über seinen Kopf zu streichen, so lange, bis er aufgehört hatte zu weinen und ihr angeregt lauschte. "Warum erzählst du mir das?", fragte er leise, aus Angst, er könne den Moment zerstören.

"Das weiß ich nicht.", sagt sie lächelnd, "das musst du dir selbst überlegen."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 23, 2019 ⏰

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